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Ist die Überschuldung als Eröffnungsgrund für ein Insolvenzverfahren überflüssig?
Fragen zum System der Insolvenzgründe
Infolge der Corona-Krise mit teils fürchterlichen Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage von Unternehmen hat das Thema der Insolvenz wieder einmal besondere Beachtung erlangt. Bund und Länder bemühen sich, betroffenen Unternehmen etwa durch finanzielle Hilfen über die schwierige Zeit zu helfen. Um Corona-bedingte Insolvenzen vorübergehend zu vermeiden, wurde das COVID-19-Insolvenz-Aussetzungsgesetz (COVInsAG) geschaffen. Spätestens nach dessen Auslaufen ist mit einer Erhöhung der Zahl von Insolvenzen zu rechnen. Im zeitlichen Zusammenhang mit der Corona-Krise wurde wieder einmal der Eröffnungsgrund der Überschuldung zur Diskussion gestellt. Damit stellen sich die Fragen, wie das System der Insolvenzgründe ausgestaltet ist, welche Rechtfertigung es für den Eröffnungsgrund der Überschuldung in diesem System gibt und wie eine Alternative aussehen könnte.
Gehrmann, Insolvenzverfahren, infoCenter NWB BAAAB-05672
Wie ist die Überschuldung als Eröffnungsgrund derzeit ausgestaltet?
Ist die Überschuldung ein geeigneter Eröffnungsgrund?
Durch welchen Eröffnungsgrund könnte die Überschuldung ersetzt werden?
I. Insolvenzrechtliche Eröffnungsgründe
[i]Pape, Temporäre Aussetzung der
Insolvenzantragspflicht in der Corona-Krise, NWB 15/2020 S. 1053
NWB FAAAH-45733
Sikora, Coronahilfe
durch zeitweilige Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, BBK 12/2020 S. 578
NWB WAAAH-50372 Die Insolvenzordnung
verlangt das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes als Voraussetzung für die
Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Eröffnungsgründe sind die
eingetretene Zahlungsunfähigkeit, die
drohende Zahlungsunfähigkeit und die
Überschuldung (§ 16 InsO). Die gesetzlichen
Vertreter einer Kapitalgesellschaft oder die organschaftlichen Vertreter einer
Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit wie bei der GmbH & Co. KG, bei der
keine natürliche Person als Vollhafter vorhanden ist, haben im Fall der
eingetretenen Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung unverzüglich, jedoch
spätestens innerhalb von drei Wochen einen Antrag zur
Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen (§ 15a Abs. 1
und 2 InsO). Darüber hinaus besteht die Möglichkeit zur Antragsstellung durch
den Schuldner (vgl. nachfolgende Übersicht). Ein Gläubigerantrag ist zulässig,
sofern der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens hat, seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft
macht (§ 14 Abs. 1 InsO). Das Insolvenzverfahren zielt auf den
Gläubigerschutz und die
Sanierungsfunktion der ergebnisoffenen
Insolvenzordnung (§ 1 Satz 1 InsO).
Mit § 1 COVInsAG hat der Gesetzgeber die Pflicht zu Insolvenzanträgen nach § 15a InsO und nach § 42 Abs. 2 BGB vom zunächst bis zum ausgesetzt. Dies gilt, sofern die Insolvenzreife nicht auf andere Gründe als das SARS-COV-2-Virus zurückzuführen ist, und es muss S. 633Aussicht auf Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit bestehen. Bestand zum keine Zahlungsunfähigkeit, wird das Vorliegen der Voraussetzungen für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht (widerlegbar) vermutet. Mit § 3 COVInsAG wird darüber hinaus die Möglichkeit für Gläubigerinsolvenzanträge zeitlich eingeschränkt. Durch Rechtsverordnung kann eine Verlängerung der Aussetzungsregelung bis zum erfolgen. Derzeit erwägen das BMJ und die Koalitionsfraktionen eine Verlängerung um drei oder sechs Monate, jedoch nur für den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit, nicht jedoch für die Überschuldung.