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WP Praxis Nr. 5 vom Seite 163

Insolvenzgründe aus der Sicht des Wirtschaftsprüfers

Der überarbeitete IDW S 11 (2021) i. V. mit IDW PS 270 n. F.

WP Prof. Dr. habil. Robin Mujkanovic

Wirtschaftsprüfer kommen vielfach mit der Insolvenzthematik in Berührung. Dies betrifft insbesondere im Rahmen der Abschlussprüfung den Fortführungsgrundsatz und Angabepflichten zu Fortführungsrisiken in der Rechnungslegung. Daneben kann bspw. auch die gutachterliche Beurteilung der Insolvenzreife eines Unternehmens, die Beratung insolvenzgefährdeter Unternehmen, die Erstellung von Sanierungsgutachten oder Bescheinigungen Gegenstand der Berufsausübung sein. Eine gemeinsame Schnittmenge ist dabei die Kenntnis über die Eröffnungsgründe für Insolvenzverfahren nach der InsO. Hier haben sich in jüngerer Zeit Änderungen in den Rechtsgrundlagen ergeben und die Rechtsprechung insbesondere des BGH hat sich weiterentwickelt. Das IDW hat neben anderen Verlautbarungen den S 11 zu den Eröffnungsgründen überarbeitet, um die neueren Entwicklungen abzubilden.

Gehrmann, infoCenter, Insolvenzverfahren, NWB BAAAB-05672

Kernaussagen
  • Der Gesetzgeber hat den Prognosehorizont für die drohende Zahlungsunfähigkeit nun auf grundsätzlich 24 Monate ab dem Beurteilungsstichtag und für die Fortbestehensprognose im Rahmen der Überschuldungsprüfung auf zwölf Monate festgelegt, was sich im überarbeiteten IDW S 11 niedergeschlagen hat.

  • Aus den angepassten insolvenzrechtlichen Fristen ergeben sich Rückwirkungen auf die handelsbilanzielle Fortführungsprognose im Hinblick auf eine etwaige Ausweitung des Prognosezeitraums.

  • Das IDW hat die jüngere Rechtsprechung des BGH, z. B. zu Beweisanzeichen für eine Zahlungseinstellung, im überabeiteten IDW S 11 berücksichtigt. In einem jüngeren Urteil verlangt der BGH für die Berücksichtigung von Zusagen der Gesellschafter bei der Prüfung der Insolvenzgründe zwar am Beispiel der Patronatserklärung keinen Rechtsanspruch, setzt aber sehr hohe Anforderungen bei Fehlen eines solchen.

I. Fortführungsgrundsatz und Insolvenz im Rahmen der Abschlussprüfung

1. Verantwortlichkeiten des Abschlussprüfers

Going Concern ist der Rechnungslegung nach HGB und IFRS als Basisannahme zugrunde zu legen. Danach ist von Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen, solange dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen bzw. die Absicht oder der Zwang zur Liquidation oder Einstellung des Geschäfts besteht. Den gesetzlichen Vertretern obliegt es, bei Aufstellung des Abschlusses eine Einschätzung der Fortführbarkeit des Unternehmens vorzunehmen und ggf. Erläuterungen zur Fortbestandsgefährdung im Anhang bzw. Lagebericht zu geben (IDW PS 270.5 f. n. F.).

Die Eröffnungsgründe für ein Insolvenzverfahren sind nicht deckungsgleich mit der Fortführungsprognose i. S von § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB, deren Beurteilung Gegenstand von IDW PS 270 n. F. ist. Jedoch sind die eingetretene Insolvenz und die drohende Insolvenz regelmäßig die zentralen Anlässe zur Aufgabe der Fortführungsannahme. In begründeten Fällen kann etwa im Rahmen eines „Planverfahrens“ aufgrund fortgeschrittener Sanierungsschritte ausnahmsweise wieder eine positive Fortführungsprognose begründbar sein. Spätestens wenn Hinweise auf Umstände vorliegen, die Zweifel an der Fortführbarkeit entstehen lassen, ist die Fortführbarkeit durch die gesetzlichen Vertreter näher zu prüfen. Nach § 1 StaRUG haben die Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft oder atypischen Personenhandelsgesellschaft fortlaufend über Entwicklungen zu wachen, die den Fortbestand der Gesellschaft gefährden können. S. 164