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Vorratsvermögen (HGB, EStG, IAS/IFRS)
Aufgrund von Stockungen in den Lieferketten, wieder ansteigenden Frachtraten sowie der dadurch hohen Bevorratung von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen resp. in den Produktions- und Handelsstufen haben zahlreiche Unternehmen höhere Vorratsbestände als noch vor der Ukraine-Krise. Der Bewertung des Vorratsvermögens ist daher ein besonderes Augenmerk zu widmen hinsichtlich etwaiger Abwertungsbedarfe.
Die Vorratsposition ist bei Industrie- und Handelsunternehmen aufgrund der Wesentlichkeit potenziell Gegenstand von Bilanzmanipulationen. Vgl. hierzu Rinker, Bilanzfälschung im HGB-Jahresabschluss anhand von Praxisbeispielen, .
Ab dem VZ 2016 wurde der steuerliche Herstellungskostenbegriff neu und erstmals gesetzlich geregelt durch § 6 Abs. 1 Nr. 1b EStG im Zuge des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom (BGBl I S. 1679). Dort heißt es im Gesetzeswortlaut: „Bei der Berechnung der Herstellungskosten brauchen angemessene Teile der Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie angemessene Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung im Sinne des § 255 Abs. 2 Satz 3 Handelsgesetzbuch nicht einbezogen zu werden, soweit diese auf den Zeitraum der Herstellung entfallen. Das Wahlrecht ist bei der Gewinnermittlung nach § 5 in Übereinstimmung mit der Handelsbilanz auszuüben.“ Damit fällt die handelsrechtliche und steuerliche Bewertung der Herstellungskosten seither nicht mehr auseinander, die steuerliche Regelung zum Einbezug der sog. nicht produktionsbezogenen Herstellungskosten ist hierbei als Aktivierungswahlrecht ausgestaltet worden. Der Umfang der Herstellungskosten ist allerdings nach § 5 EStG in Übereinstimmung mit der Handelsbilanz auszuüben. Dies bedeutet, dass ein Ansatz der handelsrechtlichen Obergrenze diesen gleichermaßen in der Steuerbilanz bedingt. Möchte der Steuerpflichtige weiterhin die steuerlichen Herstellungskosten zur Wertuntergrenze ansetzen, setzt dies eine gleichförmige Bilanzierung in der Handelsbilanz voraus.
1. Definition
Eine gesetzliche Definition des Vorratsvermögens fehlt. Aus dem Bilanzschema des § 266 Abs. 2 HGB ist abzuleiten, dass unter Vorräten als Teil des Umlaufvermögens entsprechend dem Ablauf in einem mehrstufigen Produktionsbetrieb insbesondere
Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe
unfertige Erzeugnisse und Leistungen
fertige Erzeugnisse und Waren
geleistete Anzahlungen
zu verstehen sind.
Gemeinsam ist diesen Vermögensgegenständen, dass sie im Unterschied zum Anlagevermögen (mehrmaliger oder ständiger Einsatz im Betrieb) zur Veräußerung, Verarbeitung oder zum Verbrauch bestimmt sind (z. B.: Ausführung eines einmaligen Auftrags). Besonderheiten ergeben sich wegen der regelmäßig nur kurzfristigen betrieblichen Zugehörigkeit und der Vielfalt und Menge insbesondere bei der bestandsmäßigen Erfassung und der Bewertung.
Dicke, Teilwertabschreibung auf Fertigerzeugnisse nach retrograder Methode,
Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung, 15. Aufl. 2023, § 266 Rz. 55 ff. sowie § 253 Rz. 230
Kirsch, Vorräte in Handels- und Steuerrecht sowie IFRS, f.
Meyer/Theile, Bilanzierung nach Handels- und Steuerrecht, 33. Aufl. 2024
Riepolt, Strenges Niederstwertprinzip im Umlaufvermögen bei sinkenden Beschaffungspreisen, BBK 11/2023 S. 484 ff.
Zimmermann/Wrede, Bilanzierung und Bewertung von Vorratsvermögen,
2. Arten des Vorratsvermögens
Rohstoffe bilden den Hauptbestandteil des herzustellenden Erzeugnisses. Sie sind entweder noch gänzlich unbearbeitet (z. B. Wolle, Erze, Öle) oder bereits bearbeitet (z. B. Rohstahl, Bleche, Tuche) oder gehen als fertige Teile in das Endprodukt ein (z. B. Batterien, Elektronikteile). Darüber hinaus sind Vorprodukte und Fremdbauteile hierunter zu subsumieren.
Hilfsstoffe sind solche Gegenstände, die als Nebensachen feste Bestandteile des herzustellenden Erzeugnisses werden (z. B. Schrauben, Nägel, Lacke).
Betriebsstoffe sind Vermögensgegenstände, die den Herstellungsprozess unterstützen (z. B. Schmiermittel für Maschinen, Reinigungsmaterialien). Sie gehen mittelbar oder unmittelbar als Verbrauchsgüter in den Prozess ein, ohne Bestandteil des herzustellenden Erzeugnisses zu werden.