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Betriebsrisikolehre: Minijobber im Lockdown
Kommt [i]Romanowski, Fördermaßnahmen und Praxisfragen für Unternehmen in Kurzarbeit, BBK 9/2021 S. 452 NWB YAAAH-76654 der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitskraft seiner Arbeitnehmer in Verzug, kann der Arbeitnehmer für die infolge des Verzugs nicht geleistete Arbeit die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Das gilt auch, wenn der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt (§ 615 BGB).
Für Arbeitgeber stellte sich in der jüngsten Vergangenheit häufig die Frage: Wenn wegen eines behördlich verhängten Lockdowns der Betrieb schließen muss, was passiert dann mit den Minijobbern? Alle anderen Mitarbeiter, die mehr als geringfügig beschäftigt werden, bekommen auf Antrag auch Kurzarbeitergeld. Nur für Minijobber ist dies eben ausgeschlossen, da für sie auch keine Beiträge in die gesetzliche Arbeitslosenversicherung eingezahlt werden. Der Beitrag zeigt auf, wie das Bundesarbeitsgericht kürzlich in einem solchen Fall entschieden hat, und stellt heraus, inwieweit dieses Thema in Betriebsprüfungen der Deutschen Rentenversicherung (DRV) zum Problem werden kann.
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I. Aktuelle BAG-Rechtsprechung
Folgender [i]BAG, Urteil v. 13.10.2021 - 5 AZR 211/21 NWB YAAAI-01660 Sachverhalt war am vom Bundesarbeitsgericht (BAG) rechtlich zu beurteilen: Eine Arbeitnehmerin ist seit Oktober 2019 als geringfügig Beschäftigte gegen eine monatliche Vergütung von 432 € im Verkauf tätig. Im April 2020 war das Ladengeschäft aufgrund der „Allgemeinverfügung über das Verbot von Veranstaltungen, Zusammenkünften und der Öffnung bestimmter Betriebe zur Eindämmung des Coronavirus“ der Freien Hansestadt Bremen vom geschlossen worden.
Die Klägerin konnte deshalb nicht arbeiten und erhielt auch keine Vergütung. Mit ihrer Klage beim Arbeitsgericht hat sie die Zahlung ihres Entgelts für den Monat April S. 1462020 unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs begehrt. Die Schließung des Betriebs aufgrund behördlicher Anordnung sei ein Fall des von der Beklagten als Arbeitgeberin zu tragenden Betriebsrisikos. Dagegen hat die Beklagte Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die von der Freien Hansestadt Bremen zur Pandemiebekämpfung angeordneten Maßnahmen beträfen das allgemeine Lebensrisiko, das nicht beherrschbar und von allen gleichermaßen zu tragen sei.
Das BAG gab hier dem Arbeitgeber mit folgender Begründung Recht:
„Muss [i]Keine Lohnfortzahlung für Minijobber im Lockdownder Arbeitgeber seinen Betrieb aufgrund eines staatlich verfügten allgemeinen „Lockdowns“ zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vorübergehend schließen, trägt er nicht das Risiko des Arbeitsausfalls und ist nicht verpflichtet, den Beschäftigten Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu zahlen [...]. Der Arbeitgeber trägt auch nicht das Risiko des Arbeitsausfalls, wenn – wie hier – zum Schutz der Bevölkerung vor schweren und tödlichen Krankheitsverläufen infolge von SARS-CoV-2-Infektionen durch behördliche Anordnung in einem Bundesland die sozialen Kontakte auf ein Minimum reduziert und nahezu flächendeckend alle nicht für die Versorgung der Bevölkerung notwendigen Einrichtungen geschlossen werden [...]. In einem solchen Fall realisiert sich nicht ein in einem bestimmten Betrieb angelegtes Betriebsrisiko [...]. Die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung ist vielmehr Folge eines hoheitlichen Eingriffs zur Bekämpfung einer die Gesellschaft insgesamt treffenden Gefahrenlage [...]. Aus dem Fehlen nachgelagerter Ansprüche lässt sich jedoch keine arbeitsrechtliche Zahlungspflicht des Arbeitgebers herleiten.“
Dieses BAG-Urteil war so nicht unbedingt zu erwarten; hatten doch z. B. das Arbeitsgericht Mannheim und das Landesarbeitsgericht Düsseldorf diese Rechtsfrage noch anders entschieden und hier den klagenden Arbeitnehmern Recht zugesprochen.
II. Differenzierung der Gründe für den Annahmeverzug
Aus [i]Arbeitgeber trägt nicht das wirtschaftliche Risiko im LockdownSicht der Arbeitgeber ist dieses BAG-Urteil sicher erfreulich. Alles andere würde schließlich bedeuten, dass die Arbeitgeber allein das wirtschaftliche Risiko der mit einem Lockdown einhergehenden Einnahmeausfälle hätten schultern müssen. Im obigen Sachverhalt war der Arbeitgeber jedoch allein deshalb nicht zur Lohnfortzahlung verpflichtet, da eine behördlich angeordnete „Allgemeinverfügung über das Verbot von Veranstaltungen, Zusammenkünften und der Öffnung bestimmter Betriebe zur Eindämmung des Coronavirus“ Grundlage der Arbeitsverhinderung war.
Führen jedoch andere Gründe zur Arbeitsverhinderung, ist die Lohnfortzahlung über die Betriebsrisikolehre nicht auszuschließen, z. B. bei Arbeitsausfall wegen schlechter Witterung oder Störungen im Betriebsablauf, die durch technische oder wirtschaftliche Probleme bedingt sind.
III. Mögliche Auswirkung auf die Betriebsprüfung der DRV
Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB IV entstehen die Beitragsansprüche der Versicherungsträger, sobald die im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen.S. 147