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BBK Nr. 24 vom Seite 1167

Weiterverwendung vollständig abgeschriebener technischer Anlagen

Ausweis der Stilllegung ohne Abgang im handelsrechtlichen Jahresabschluss

Dr. Benjamin Roos

[i]Schmidt, Abgrenzung von Anlage- und Umlaufvermögen (HGB, EStG, IFRS), infoCenter NWB BAAAA-41691 Bei produzierenden Unternehmen kommt es immer wieder vor, dass eine Anlage oder Maschine nicht mehr im Herstellungsprozess genutzt wird oder genutzt werden kann. Die Gründe hierfür können vielfältiger Natur sein. Eine solche Anlage oder Maschine kann entweder verkauft oder verschrottet werden. Beides führt letztlich dazu, dass der Vermögensgegenstand nicht mehr im Unternehmen vorhanden und damit auch bilanziell nicht mehr zu erfassen ist. Alternativ kann eine solche Anlage oder Maschine im Unternehmen verbleiben, um als „Ersatzteillager“ für Anlagen oder Maschinen des gleichen Typs zu dienen. Für diese alternative Verwendung einer stillgelegten, aber noch im Betrieb vorhandenen Maschine stellt sich die Frage, wie diese bilanziell zu behandeln ist – auch unter der Prämisse, dass sie bereits vollständig abgeschrieben ist.

I. Abgang vs. Weiterverwendung

[i]Ausbuchung bei Verschrottung oder VerkaufBei produzierenden Unternehmen ergibt es sich immer wieder, dass im Herstellungsprozess eingesetzte Anlagen oder Maschinen, die bereits vollständig abgeschrieben sind, ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr genutzt werden (können). Als Gründe hierfür kommen z. B. die Veralterung einzelner Anlagen oder Maschinen aufgrund des technischen Fortschritts, aber auch der Ausfall aufgrund eines Schadens in Frage; i. d. R. werden diese Anlagen oder Maschinen entweder verkauft oder verschrottet.

Hinweis:

Sowohl ein Verkauf als auch eine Verschrottung haben zur Folge, dass der jeweilige Vermögensgegenstand nicht mehr im Unternehmen vorhanden und damit auch im Jahresabschluss nicht mehr zu erfassen ist. Er muss somit ausgebucht werden.

Stattdessen [i]Verbleib als „Ersatzteillager“ kann es aber auch vorkommen, dass eine solche, vollständig abgeschriebene Anlage oder Maschine zwar nicht weiter im Herstellungsprozess eingesetzt wird, aber dennoch im Unternehmen verbleibt (Stilllegung ohne Abgang), um z. B. als S. 1168„Ersatzteillager“ für Maschinen des gleichen Typs zu dienen. Es stellt sich nun die Frage, wie sich eine solche Stilllegung ohne Abgang im handelsrechtlichen Jahresabschluss niederschlägt und welche Konsequenzen sich daraus ergeben können, wenn Teile aus der stillgelegten Anlage oder Maschine in eine Anlage oder Maschine gleichen Typs verbaut werden.

Um diesen Fragen nachzugehen, wird zunächst kurz auf die handelsrechtliche Folgebewertung von Sachanlagen eingegangen. Darauf aufbauend werden die sich ergebenden bilanziellen Konsequenzen sowohl in Bezug auf die stillgelegte als auch auf die in Gang gesetzte Maschine herausgearbeitet.

II. Handelsrechtliche Folgebewertung von Sachanlagen

1. (Fortgeführte) Anschaffungs- oder Herstellungskosten

[i]Hänsch, Planmäßige Abschreibungen (HGB, EStG), infoCenter NWB JAAAE-71075 Nach § 253 Abs. 1 Satz 1 HGB bilden die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für Vermögensgegenstände des Sachanlagevermögens den Ausgangspunkt und gleichzeitig die Obergrenze der Bewertung. Soweit die Nutzung der Sachanlagen zeitlich begrenzt ist, es sich also um sog. abnutzbares Anlagevermögen handelt, sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach § 253 Abs. 3 Satz 1 HGB um planmäßige Abschreibungen zu vermindern.

[i]Kolbe, Außerplanmäßige Abschreibungen/Teilwertabschreibungen im Anlagevermögen (HGB, EStG), infoCenter NWB OAAAE-35805 Weiterhin müssen bei allen Sachanlagen gem. § 253 Abs. 3 Satz 5 HGB bei dauerhafter Wertminderung außerplanmäßige Abschreibungen vorgenommen werden (gemildertes Niederstwertprinzip). Falls die Gründe für eine außerplanmäßige Abschreibung in späteren Geschäftsjahren entfallen, hat eine Zuschreibung zu erfolgen. Die fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten bilden dabei allerdings die Obergrenze und dürfen insofern nicht überschritten werden.

2. Schätzung des Restwerts

[i]Schätzung des SchrottwertsWerden die gesamten Anschaffungs- oder Herstellungskosten (ggf. zuzüglich nachträglicher Anschaffungskosten) auf die Nutzungsdauer verteilt, wird für den Vermögensgegenstand am Ende der Nutzungsdauer ein Wert von 0 € unterstellt. Ist am Ende der Nutzungsdauer mit einem Restwert bzw. Schrottwert (= Veräußerungserlös abzüglich anfallender Abbruch- oder Veräußerungskosten) zu rechnen, der in Relation zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten erheblich ist und dessen Betrag mit hinreichender Sicherheit geschätzt werden kann, muss ein solcher (vorsichtig geschätzt) bei der Erstellung des Abschreibungsplans berücksichtigt werden.

[i]Schätzung der wirtschaftlichen NutzungsdauerBesondere Bedeutung kommt hier der Schätzung der voraussichtlichen Nutzungsdauer zu. Entscheidend ist allerdings nicht die technische Nutzungsdauer. Kann eine Maschine z. B. zehn Jahre genutzt werden, ehe die Leistungsfähigkeit und Präzision eine gewisse Grenze unterschreiten, ist es innerhalb dieser zehn Jahre durchaus möglich, dass die Maschine nicht mehr wirtschaftlich zu nutzen ist: Es kann das auf ihr hergestellte Produkt nicht mehr verkauft oder das Produkt kann auf einer neueren Anlage zu geringeren Kosten hergestellt werden.

Hinweis:

Für den handelsrechtlichen Jahresabschluss ist daher grundsätzlich die wirtschaftliche Nutzungsdauer maßgeblich, die anhand von Erfahrungswerten zu schätzen ist.

In der Praxis ist jedoch häufig die folgende Konstellation anzutreffen: Technische Anlagen und Maschinen, die über ihre voraussichtliche (wirtschaftliche) Nutzungsdauer S. 1169vollständig abgeschrieben und somit mit einem Wert von 0 € bzw. mit einem Erinnerungswert von 1 € in der Bilanz erfasst sind, werden (zunächst) weiterhin in der Produktion genutzt.

III. Beendigung des Einsatzes im Herstellungsprozess

1. Verkauf oder Verschrottung

[i]Endert, Verkauf abgeschriebenen Anlagevermögens als Teil einer Gruppenbewertung, BBK 4/2021 S. 180 NWB YAAAH-70734 Eine Anlage oder Maschine, die nicht mehr im Herstellungsprozess genutzt wird, kann – wie eingangs bereits dargestellt – entweder verkauft oder verschrottet werden. Beides führt letztlich dazu, dass der Vermögensgegenstand nicht mehr im Unternehmen vorhanden und damit auch bilanziell nicht mehr zu erfassen ist. Das HGB enthält allerdings keine konkreten Vorschriften dahingehend, wann genau eine Sachanlage auszubuchen ist. Als Orientierungshilfe können hier die IFRS herangezogen werden. Nach internationalen Rechnungslegungsstandards ist eine Sachanlage nicht mehr in der Bilanz anzusetzen und somit auszubuchen

  • bei ihrem Abgang oder

  • wenn sie dauerhaft nicht mehr genutzt wird und künftiger wirtschaftlicher Nutzen nicht mehr zu erwarten ist (IAS 16.67).

Dabei ist die Höhe der Differenz zwischen dem Nettoveräußerungswert und dem letzten Buchwert ergebniswirksam zu erfassen (IAS 16.68). Den deutschen GoB folgend, erscheint es sachgerecht, wenn analog verfahren wird.

Hinweis:

Grundsätzlich [i]Wirtschaftlicher Nutzen ausschlaggebendkann somit Folgendes festgehalten werden: Ein Abgang liegt nur dann vor, wenn ein Vermögensgegenstand endgültig aus der Verfügungsmacht des Unternehmens ausgeschieden ist. Zu den Abgängen gehören insofern alle mengenmäßigen Verringerungen des Anlagevermögens durch Verkauf, Verschrottung, Untergang oder sonstige Gründe. Ein solcher Abgang zieht allerdings nicht notwendigerweise eine Ergebniswirkung nach sich und eine Ausbuchung setzt nicht zwingend einen solchen Abgang voraus. So kann auch eine Stilllegung ohne Abgang zu einer Ausbuchung führen. Dies ist dann der Fall, wenn von dem Vermögensgegenstand kein künftiger wirtschaftlicher Nutzen mehr zu erwarten ist.

2. Stilllegung ohne Abgang

2.1 Kategorisierung von Ersatzteilen

[i]Nutzen als Ersatz- oder ReserveteileWie bereits ausgeführt, ist es auch denkbar, dass die Anlage oder Maschine zwar nicht mehr im Herstellungsprozess eingesetzt wird, aber im Unternehmen verbleibt (Stilllegung ohne Abgang), um als „Ersatzteillager“ für Maschinen des gleichen Typs zu dienen. Wird der Vermögensgegenstand stillgelegt, wird er zwar nicht mehr dauerhaft genutzt; da aber ein künftiger wirtschaftlicher Nutzen dahingehend zu erwarten ist, dass durch ihn in künftigen Perioden die Produktion bzw. der Herstellungsprozess aufrechterhalten werden kann, ist (zunächst) von einer Ausbuchung abzusehen.

Werden nun Teile aus der stillgelegten Anlage oder Maschine ausgebaut und in eine im Einsatz befindliche Anlage oder Maschine verbaut, stellt sich die Frage, wie dieser Vorgang bilanziell zu behandeln ist.S. 1170