Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferung
Leitsatz
Die Verpflichtung des Unternehmers nach § 6a Abs. 3 UStG 1999, gemäß § 17a UStDV 1999 durch Belege die Voraussetzung einer innergemeinschaftlichen Lieferung nachzuweisen, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat, widerspricht nicht dem Gemeinschaftsrecht.
Gesetze: UStG 1999 § 6aUStDV 1999 § 17aRichtlinie 77/388/EWG Art. 22Richtlinie 77/388/EWG Art. 28c Teil A
Instanzenzug: (EFG 2006, 451) (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt einen Handel mit Kfz.
Mit Rechnung vom lieferte der Kläger einen gebrauchten PKW der Marke Mercedes-Benz CL 500 Coupé an die Firma S, in A, Frankreich, zum Kaufpreis von 168 100 DM. Im Auftrag der S holte G den PKW ab; der Kaufpreis wurde in bar bezahlt.
Der Kläger behandelte diesen Vorgang als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung und legte folgende Unterlagen vor:
- die von ihm ausgestellte Rechnung vom ,
- eine Vollmacht der S ohne Datumsangabe, nach der G
berechtigt sei, im Namen der S Fahrzeuge in Empfang zu nehmen und sich verpflichte, diese nach Frankreich zu exportieren,
- eine Kopie des Ausweises des G,
- einen Auszug aus dem französischen Handelsregister über die Eintragung der S sowie
- eine Auskunft des damaligen Bundesamtes für Finanzen (BfF) vom , nach der die angegebene Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der S gültig sei und mit der angegebenen Adresse übereinstimmt.
Nach Auffassung des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) hat der Kläger den nach § 6a Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG 1999) i.V.m. § 17a der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999 (UStDV 1999) erforderlichen Belegnachweis nicht erbracht. Denn es fehle die Empfangsbestätigung des G sowie die Versicherung, das Fahrzeug in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern.
In dem Umsatzsteuerbescheid für 2001 vom erfasste das FA die Lieferung des PKW daher als steuerpflichtigen Umsatz.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Im Rahmen des Klageverfahrens legte der Kläger ein Schreiben des Kraftfahrt-Bundesamtes (Flensburg) vom vor, wonach der PKW „zurzeit in Deutschland nicht aktuell zugelassen” sei. Ferner ist in dieser Bescheinigung ausgeführt, ob das Fahrzeug in das „Ausland verbracht…oder in einem anderen Staat zugelassen” worden sei, lasse „sich anhand des” Zentralen Fahrzeugregisters „nicht feststellen”.
Das Finanzgericht (FG) wies mit seinem in „Entscheidungen der Finanzgerichte” (EFG) 2006, 451 veröffentlichten Urteil die Klage ab. Es führte aus, der Kläger habe den erforderlichen Belegnachweis nicht erbracht. Aus diesem Grund lägen auch die Voraussetzungen des § 6a Abs. 4 UStG 1999 nicht vor.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts.
Er trägt vor, §§ 17a Abs. 2 und 17c Abs. 2 UStDV 1999 seien nur Sollvorschriften; daher stelle sich die Frage, ob die Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferung zu versagen sei, wenn diese Vorschriften nicht beachtet worden seien. Es müsse für „Altfälle” möglich sein, die erforderlichen Nachweise auch auf andere Weise führen zu können. Die Bescheinigung des Kraftfahrt-Bundesamtes vom sei ein Nachweis dafür, dass das Fahrzeug aus dem Inland verbracht worden sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die angegriffene Vorentscheidung aufzuheben und den streitigen Umsatz als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung zu behandeln.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision des Klägers ist unbegründet; sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger den erforderlichen Belegnachweis für eine innergemeinschaftliche Lieferung (§§ 6a Abs. 1, Abs. 3 UStG 1999) nicht geführt hat. Ferner kann der Kläger keinen Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 UStG 1999 in Anspruch nehmen.
1. Die Lieferung des PKW ist nicht als innergemeinschaftliche Lieferung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG 1999 steuerfrei.
a) Eine —gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG 1999 steuerfreie— innergemeinschaftliche Lieferung ist nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG 1999 dann gegeben, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet;
2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber
und
3. der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung.
b) Diese Vorschrift steht im Einklang mit der gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe des Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der im Streitjahr geltenden Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach befreien die Mitgliedstaaten u.a. die Lieferungen, die durch den Erwerber nach Orten außerhalb des Inlandes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen bewirkt werden, der als solcher in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versandes oder der Beförderung des Gegenstandes handelt.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) setzt die innergemeinschaftliche Lieferung —in Übereinstimmung mit den nationalen Grundsätzen— neben den Eigenschaften der Steuerpflichtigen voraus, dass die Befugnis wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber übergegangen ist und der gelieferte Gegenstand vom Lieferstaat in einen anderen Mitgliedstaat physisch verbracht worden ist (, Teleos u.a., Umsatzsteuer-Rundschau —UR— 2007, 774, BFH/NV Beilage 2008, 25 Randnrn. 42, 70; vom Rs. C-184/05, Twoh, UR 2007, 782, BFH/NV Beilage 2008, 39 Randnr. 23). Hingegen ist nicht erforderlich, dass der innergemeinschaftliche Erwerb in einem anderen Mitgliedstaat tatsächlich besteuert worden ist (EuGH-Urteil Teleos u.a. in UR 2007, 774, BFH/NV Beilage 2008, 25 Randnrn. 69 ff.).
c) Nach § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG 1999 muss der Unternehmer die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG 1999 nachweisen. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat (§ 6a Abs. 3 Satz 2 UStG 1999).
aa) Dazu ist in § 17a Abs. 1 UStDV 1999 u.a. geregelt worden, dass bei innergemeinschaftlichen Lieferungen der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung durch Belege nachweisen muss, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat; dies muss sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben (sog. Belegnachweis).
In den Fällen, in denen der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, soll der Unternehmer nach § 17a Abs. 2 UStDV 1999 diesen Nachweis wie folgt führen:
1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),
2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der
Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,
3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten
sowie
4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern.
bb) Diese Verpflichtungen des Unternehmers widersprechen nicht den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben.
(1) Hierzu hat der EuGH ausgeführt:
„Hinsichtlich der Nachweise, die die Steuerpflichtigen für eine Mehrwertsteuerbefreiung zu führen haben, ist festzustellen, dass die Sechste Richtlinie keine Vorschrift enthält, die sich unmittelbar mit dieser Frage befasst. Sie bestimmt lediglich in Art. 28c Teil A erster Halbsatz, dass die Mitgliedstaaten die Bedingungen für die Befreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen von Gegenständen festlegen” (, Collée, UR 2007, 813, BFH/NV Beilage 2008, 34 Randnr. 24).
„Art. 22 der Sechsten Richtlinie regelt zwar bestimmte formelle Pflichten der Steuerschuldner in Bezug auf Aufzeichnungen, Rechnungen, Steuererklärungen und die der Finanzverwaltung vorzulegende Aufstellung. Nach Abs. 8 dieses Artikels können die Mitgliedstaaten jedoch weitere Pflichten vorsehen, die sie als erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu verhindern.
Aus der ständigen Rechtsprechung ergibt sich, dass die Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten nach Art. 22 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie erlassen dürfen, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu verhindern, nicht über das hinausgehen dürfen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist…Sie dürfen daher nicht so eingesetzt werden, dass sie die Neutralität der Mehrwertsteuer in Frage stellen, die ein Grundprinzip des durch das einschlägige Gemeinschaftsrecht geschaffenen gemeinsamen Mehrwertsteuersystems ist” (EuGH-Urteil Collée in UR 2007, 813, BFH/NV Beilage 2008, 34 Randnrn. 25, 26).
Der Grundsatz der Neutralität erfordert es, dass „die Mehrwertsteuerbefreiung gewährt wird, wenn die materiellen Anforderungen erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Anforderungen nicht genügt hat. Anders verhielte es sich nur, wenn der Verstoß gegen die formellen Anforderungen den sicheren Nachweis verhinderte, dass die materiellen Anforderungen erfüllt wurden” (EuGH-Urteil Collée in UR 2007, 813, BFH/NV Beilage 2008, 34 Randnr. 31).
„Bei der Ausübung ihrer Befugnisse müssen die Mitgliedstaaten…die allgemeinen Rechtsgrundsätze beachten, zu denen u. a. die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit gehören” (EuGH-Urteil Twoh in UR 2007, 782, BFH/NV Beilage 2008, 39 Randnr. 25).
(2) Diesen Ansprüchen genügen § 6a Abs. 3 Satz 1 und 2 UStG 1999, § 17a UStDV 1999 (vgl. bereits , BFHE 199, 80, BStBl II 2003, 616, unter II.2.b; vom V R 41/04, BFH/NV 2007, 1059, unter II.2.b).
cc) Die in § 17a Abs. 2 UStDV 1999 genannten Voraussetzungen sollen —wie sich aus dem Wortlaut ergibt— kumulativ vorliegen. Zwar ist § 17a Abs. 2 UStDV 1999 —worauf der Kläger zu Recht hinweist— eine Sollvorschrift. Wie der Senat bereits entschieden hat, bedeutet dies jedoch nur, dass das Fehlen einer der in Abs. 2 aufgeführten Voraussetzungen nicht zwangsläufig zur Versagung der Steuerbefreiung führt und der bezeichnete Nachweis auch durch andere Belege erbracht werden kann (, BFH/NV 2007, 634, unter II.2.c; in BFH/NV 2007, 1059, unter II.2.b).
d) Dem Kläger ist der Belegnachweis nach § 17a UStDV 1999 nicht gelungen.
Im Streitfall fehlen die Empfangsbestätigung des Abnehmers oder dessen Beauftragten und die Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern (§ 17a Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 UStDV 1999).
Die vorgelegte Vollmacht reicht dafür als Nachweis nicht aus. Denn sie enthält keinen Bezug zur hier streitigen Lieferung. Dies ist aber erforderlich, weil der Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferung für jeden einzelnen Umsatz erbracht werden muss.
Die vom Kläger vorgelegte Bescheinigung des Kraftfahrt-Bundesamtes vom enthält —entgegen der Ansicht des Klägers— weder die Aussage, dass das Fahrzeug das Inland verlassen hat, noch, dass es in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert worden ist. Das Kraftfahrt-Bundesamt weist hierauf in der Bescheinigung selbst hin.
2. Die Lieferung des Klägers ist nicht nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG 1999 steuerfrei. Nach dieser Vorschrift ist eine Lieferung, die der Unternehmer als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung behandelt hat, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG 1999 nicht vorliegen, gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.
a) Diese Regelung steht im Einklang mit den Vorgaben des Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG. Diese Bestimmung ist „dahin auszulegen, dass die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt sind, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn die Beweise sich als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, soweit er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer solchen Steuerhinterziehung führt” (EuGH-Urteil Teleos u.a. in UR 2007, 774, BFH/NV Beilage 2008, 25, 1. Leitsatz).
b) Die Frage des Gutglaubensschutzes stellt sich nach der Rechtsprechung des Senats aber erst dann, wenn der Unternehmer seinen Nachweispflichten nachgekommen ist (, BFH/NV 2005, 81, unter II.2.b; , BFH/NV 2007, 284).
Dies ist hier nicht der Fall.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2009 II Seite 52
BFH/NV 2008 S. 902 Nr. 5
BStBl II 2009 S. 52 Nr. 2
DB 2008 S. 850 Nr. 16
DStR 2008 S. 718 Nr. 15
DStRE 2008 S. 597 Nr. 9
HFR 2008 S. 613 Nr. 6
KÖSDI 2008 S. 15926 Nr. 3
KÖSDI 2008 S. 15926 Nr. 3
KÖSDI 2008 S. 15928 Nr. 3
KÖSDI 2008 S. 15933 Nr. 3
RIW 2008 S. 416 Nr. 6
StB 2008 S. 152 Nr. 5
StuB-Bilanzreport Nr. 8/2008 S. 320
UR 2008 S. 337 Nr. 9
UVR 2008 S. 162 Nr. 6
FAAAC-75297