Kein Anspruch auf Kindergeld für Ausländer; die keinen Aufenthaltstitel besitzen; Kindergeld nach deutsch-jugoslawischem Abkommen; Billigkeitserlass bei Rückforderung von Kindergeld
Gesetze: EStG § 62 Abs. 2; AO § 227; AuslG § 5; AuslG § 56; AufenthG § 60a; AufenthG § 101
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine jugoslawische Staatsangehörige, die sich in der Zeit vom bis zum ausländerrechtlich geduldet in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) aufhielt. Sie hat vier in den Jahren 1984 bis 1989 geborene Söhne.
Die Klägerin bezog ab August 2001 Einkünfte aus einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit und erhielt vom Sozialamt Hilfe um Lebensunterhalt (HZL). Anfang 2002 teilte das Sozialamt der Beklagten und Revisionsbeklagten (Familienkasse) mit, die HZL werde ab Januar 2002 eingestellt, da die Klägerin aufgrund ihrer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit einen Anspruch auf Kindergeld habe. Für die Zeit bis Dezember 2001 werde ein Anspruch auf Erstattung des der Klägerin zustehenden Kindergelds geltend gemacht.
Nachdem die Klägerin auf Anregung der Familienkasse Kindergeld beantragt hatte, setzte die Familienkasse Kindergeld ab August 2001 fest. Das Kindergeld wurde der Klägerin ab Januar 2002 laufend gezahlt. Das Kindergeld für den zurückliegenden Zeitraum erstattete die Familienkasse antragsgemäß dem Sozialamt.
Im November 2003 teilte die Klägerin der Familienkasse mit, sie selbst sei seit August 2002 nicht mehr erwerbstätig, stattdessen habe aber ihr Ehemann eine Arbeit in Form einer geringfügigen Beschäftigung angenommen.
Da die Klägerin nach den Ermittlungen der Familienkasse ihre sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bereits am beendet hatte, hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes ab April 2002 mit Bescheid vom auf und forderte das von April 2002 bis September 2003 ausgezahlte Kindergeld in Höhe von 11 538 € zurück. Der Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte im Wesentlichen aus, die Familienkasse habe zu Recht die Kindergeldfestsetzung nach § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) rückwirkend ab April 2002 aufgehoben. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Kindergeld nach § 62 Abs. 2 EStG in der damals geltenden Fassung des Jahressteuergesetzes (JStG) 1996, weil sie die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfülle. Auch aus dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit (im Folgenden deutsch-jugoslawisches Abkommen) vom (BGBl II 1969, 1437, 1438) i.d.F. des Änderungsabkommens vom (BGBl II 1975, 389, 390) und der Bekanntmachung vom (BGBl II 1992, 1196) ergebe sich kein Anspruch der Klägerin auf Kindergeld, da sie seit März 2002 nicht mehr als Arbeitnehmerin beschäftigt sei und auch kein Kranken- oder Arbeitslosengeld bezogen habe. Der Rückforderungsanspruch nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) sei nicht verwirkt.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie trägt insbesondere vor, nach den Grundsätzen des (BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114) zu § 1 Abs. 3 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) i.d.F. des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG) vom (BGBl I, 2353) sei die Regelung des § 62 Abs. 2 EStG i.d.F. des JStG 1996 verfassungswidrig. Auch sei der Rückforderungsanspruch entgegen der Auffassung des FG verwirkt. Zudem dürften staatliche Transferleistungen zum Lebensunterhalt nicht zurückgefordert werden, wenn sie von der Familienkasse unter Verdrängung von Sozialhilfe zu Gunsten eines anderen Trägers erbracht worden seien und der Betroffene Kompensation für den Rückforderungsanspruch nicht erlangen könne, weil eine rückwirkende Gewährung von Sozialhilfe ausgeschlossen sei. Sie, die Klägerin, habe im Übrigen das ausbezahlte Kindergeld bereits ausgegeben.
Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil sowie den Bescheid der Familienkasse vom i.d.F. der Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Die Familienkasse beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung ab April 2002 nach § 70 Abs. 2 EStG rechtmäßig war, weil die Klägerin ab diesem Zeitpunkt keinen Anspruch auf Kindergeld mehr hatte.
1. Nach § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 1996 hing der Anspruch eines Ausländers auf Kindergeld davon ab, dass er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung (§ 27 des Gesetzes über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern im Bundesgebiet —AuslG 1990—) oder Aufenthaltserlaubnis (§ 15 AuslG 1990) war. Eine Aufenthaltsbewilligung (§§ 28, 29 AuslG 1990), Aufenthaltsbefugnis (§ 30 AuslG 1990) oder eine Duldung (§§ 55, 56 AuslG 1990) reichte nicht aus.
Das BVerfG hielt die wortgleiche Regelung in § 1 Abs. 3 BKGG i.d.F. des 1. SKWPG insoweit für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), als die Gewährung von Kindergeld von der Art des Aufenthaltstitels abhing (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114). Die Zielsetzung der Vorschrift, Familienleistungen nur für ausländische Staatsangehörige vorzusehen, die sich voraussichtlich auf Dauer in Deutschland aufhalten, hat das BVerfG nicht beanstandet. Es hat lediglich die Unterscheidung nach den Aufenthaltstiteln für ungeeignet gehalten, dieses Ziel zu erreichen.
§ 62 Abs. 2 EStG ist deshalb durch Art. 2 des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom —AuslAnsprG— (BGBl I 2006, 2915, BStBl I 2007, 62) neu gefasst worden unter Berücksichtigung der Vorgaben des BVerfG und der Systematik der Aufenthaltstitel nach dem Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet —Aufenthaltsgesetz (AufenthG)— vom (BGBl I 2004, 1950), das ab das AuslG 1990 abgelöst hat (vgl. BTDrucks 16/1368, S. 8).
Die neue Regelung ist mit Wirkung vom in Kraft getreten und erfasst alle Sachverhalte, bei denen —wie im Streitfall— das Kindergeld noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist (§ 52 Abs. 61a Satz 2 EStG). Da § 62 Abs. 2 EStG an die Aufenthaltstitel nach dem AufenthG anknüpft, ist bei vor dem verwirklichten Sachverhalten zu klären, inwieweit die Aufenthaltsrechte nach dem AuslG 1990 den in § 62 Abs. 2 EStG genannten Aufenthaltstiteln entsprechen. Anhaltspunkte hierfür ergeben sich aus den §§ 101 ff. AufenthG, welche die Fortgeltung bisheriger Aufenthaltsrechte regeln. Es ist zu prüfen, in welcher Form die im streitbefangenen Zeitraum vorhandenen Aufenthaltsrechte nach den §§ 101 ff. AufenthG fortgelten würden bzw. fortgegolten hätten und ob sie zu den Aufenthaltstiteln gehören, die nach § 62 Abs. 2 EStG Voraussetzung für den Bezug von Kindergeld sind. Dies entspricht den Regelungen zur Anwendung der ebenfalls geänderten §§ 1 Abs. 3 BKGG, 1 Abs. 6 des Bundeserziehungsgeldgesetzes und 1 Abs. 2a des Unterhaltsvorschussgesetzes. Danach werden die Aufenthaltsgenehmigungen nach dem AuslG den Aufenthaltstiteln nach dem AufenthG entsprechend den Fortgeltungsregelungen in § 101 AufenthG gleichgestellt (Art. 1 Nr. 5, Art. 3 Nr. 2 und Art. 4 Nr. 2 AuslAnsprG).
2. Nach § 62 Abs. 2 Nr. 1 EStG erhält ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer Kindergeld, wenn er über eine Niederlassungserlaubnis verfügt. Auch aus einer Aufenthaltserlaubnis, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat, kann sich unter den Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Nr. 2 EStG ein Anspruch auf Kindergeld ergeben. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG wegen eines Krieges im Heimatland oder nach den §§ 23a, 24, 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG kann einen Kindergeldanspruch begründen, wenn sich der Ausländer seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist, laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch bezieht oder Elternzeit in Anspruch nimmt (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. Nr. 2 Buchst. c EStG). Ein Aufenthalt aufgrund einer Duldung berechtigt auch nach neuem Recht nicht zum Bezug von Kindergeld.
Eine vor dem erteilte Aufenthaltsberechtigung oder unbefristete Aufenthaltserlaubnis gilt als Niederlassungserlaubnis fort (§ 101 Abs. 1 AufenthG). Die übrigen Aufenthaltsgenehmigungen —Aufenthaltsbewilligung nach §§ 28, 29 AuslG 1990 oder Aufenthaltsbefugnis nach § 30 AuslG 1990 (vgl. § 5 AuslG 1990)— gelten fort als Aufenthaltserlaubnisse entsprechend dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Aufenthaltszweck und Sachverhalt (§ 101 Abs. 2 AufenthG).
Duldungen bleiben nach § 102 AufenthG für den Zeitraum ihrer Geltungsdauer weiter wirksam. Nach Ablauf der Geltungsdauer ist zu entscheiden, ob eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG oder eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG erteilt werden kann oder die Duldung nach § 60a AufenthG zu verlängern ist (Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl. 2005, § 102).
3. Die Klägerin hatte im maßgeblichen Zeitraum keine Aufenthaltsgenehmigung i.S. von § 5 AuslG 1990, die nach § 101 AufenthG hätte fortgelten können. Sie war lediglich geduldet i.S. von §§ 55, 56 AuslG 1990, so dass ihr auch nach der Neuregelung kein Anspruch auf Kindergeld zusteht.
4. Entgegen der Auffassung der Klägerin begegnet die neue gesetzliche Regelung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
a) Der Beschluss des BVerfG in BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114 zur Verfassungswidrigkeit des § 1 Abs. 3 BKGG i.d.F. des 1. SKWPG steht dem Ausschluss der nur geduldeten Ausländer vom Kindergeld in § 62 Abs. 2 EStG nicht entgegen.
Zwar sind die Rechtsgrundsätze dieser Entscheidung auch als Maßstab für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von § 62 Abs. 2 EStG heranzuziehen. Die Entscheidung des BVerfG betrifft aber ausschließlich die Nichtgewährung von Kindergeld für Ausländer, die nicht über eine Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung, sondern nur über eine Aufenthaltsbefugnis verfügten. Das BVerfG hat insoweit einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG angenommen, als die Gewährung des Kindergeldes allein von der Art des Aufenthaltstitels abhing. Mit der dem Streitfall zugrunde liegenden Rechtsfrage, ob ein nur geduldeter Ausländer vom Kindergeld ausgeschlossen werden darf, hat sich das BVerfG hingegen noch nicht befasst.
b) Der Senat hält die Nichtgewährung von Kindergeld für geduldete Ausländer, auch wenn sie sich wie die Klägerin über einen längeren Zeitraum in der Bundesrepublik aufhalten, für vereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG.
aa) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Ihm kommt im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise ein Gestaltungsspielraum zu. Für den Gesetzgeber ergeben sich aber aus dem allgemeinen Gleichheitssatz umso engere Grenzen, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann. Der hierbei zu berücksichtigende Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG von Ehe und Familie enthält keine Beschränkung auf Deutsche. Ob eine gesetzliche Regelung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar ist, hängt davon ab, ob für die getroffene Differenzierung Gründe von solchem Gewicht bestanden, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114).
bb) Für die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung zwischen Ausländern mit den in § 62 Abs. 2 EStG genannten Aufenthaltstiteln und Ausländern, die lediglich geduldet sind, bestehen hinreichende sachliche Gründe.
Während die herkömmlichen Aufenthaltstitel im Sinne des AuslG 1990 bzw. des AufenthG einen rechtmäßigen Aufenthalt in der Bundesrepublik begründen, die regelmäßig als Vorstufe eines Daueraufenthalts anzusehen sind, gilt dies bei einer bloßen Duldung nicht (vgl. Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl. 1999, § 56 AuslG Rz 2).
Vielmehr wird mit der nach § 56 Abs. 2 AuslG 1990 auf ein Jahr bzw. nunmehr nach § 60a Abs. 1 AufenthG auf grundsätzlich sechs Monate befristeten erneuerbaren Duldung nur die Abschiebung zeitweise ausgesetzt —Aussetzung der Vollziehung der Ausreiseverpflichtung bzw. Abschiebungsstopp— und die grundsätzlich bestehende Ausreisepflicht des Ausländers nicht beseitigt. Damit ist der geduldete Aufenthalt nicht strafbar —§ 56 Abs. 1 und 2 AuslG 1990 bzw. § 60a AufenthG— (Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl. 2005, § 60a AufenthG Rz 14).
Die Erwägung des Gesetzgebers, das Kindergeld nur Ausländern zu gewähren, die aufgrund eines Aufenthaltstitels einen rechtmäßigen dauerhaften Aufenthalt in der Bundesrepublik begründet haben und bei denen im Unterschied zu lediglich geduldeten Ausländern auch eine langfristige Integration ihrer Familien in der Bundesrepublik beabsichtigt ist, ist vor diesem Hintergrund hinreichend sachlich gerechtfertigt.
5. Nach zutreffender Entscheidung des FG hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Kindergeld nach dem deutsch-jugoslawischen Abkommen.
Nach Art. 28 Abs. 1 des Abkommens i.d.F. vom (BGBl II 1975, 390) haben Personen Anspruch auf deutsches Kindergeld, die in der Bundesrepublik beschäftigt sind und den in der Bundesrepublik geltenden Rechtsvorschriften unterliegen oder nach Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses Leistungen aus der Kranken- oder Arbeitslosenversicherung beziehen. Da sich das Abkommen nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. d (BGBl II 1969, 1439) sachlich auf die deutschen Vorschriften über das Kindergeld für Arbeitnehmer bezieht, sind beschäftigte Personen i.S. des Art. 28 des Abkommens nur Arbeitnehmer (ständige Rechtsprechung, z.B. , BSGE 86, 115; , BFH/NV 2004, 1638, m.w.N. zur Rechtsprechung).
Die Klägerin war aber im streitbefangenen Zeitraum nicht als Arbeitnehmerin tätig, weil ihre Erwerbstätigkeit mit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes im März 2002 weggefallen war. Sie bezog auch kein Kranken- oder Arbeitslosengeld.
6. Der Rückforderungsanspruch der Familienkasse nach § 37 Abs. 2 AO ist entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin nicht verwirkt.
Nach der Rechtsprechung des BFH steht der Grundsatz von Treu und Glauben der Rückforderung zuviel gezahlten Kindergeldes selbst dann nicht entgegen, wenn die Behörde trotz Kenntnis von Umständen, die zum Wegfall des Kindergeldanspruchs führen, zunächst weiterhin Leistungen erbringt. Erforderlich sind vielmehr besondere Umstände, die die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs als illoyale Rechtsausübung erscheinen lassen (, BFHE 203, 472, BStBl II 2004, 123).
Hiernach liegen im Streitfall die Voraussetzungen einer Verwirkung nicht vor. Selbst wenn die Familienkasse entsprechend dem Vorbringen der Klägerin bereits zeitnah von dem Verlust ihres Arbeitsplatzes im März 2002 erfahren hat, ist das Erbringen weiterer Kindergeldzahlungen unschädlich, weil besondere Umstände, die die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs als illoyale Rechtsausübung erscheinen lassen, weder vorgetragen noch ersichtlich sind. Schließlich kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg geltend machen, sie habe das ihr ausbezahlte Kindergeld bereits ausgegeben und sei daher nicht zu einer Rückzahlung verpflichtet. Der im Zivilrecht geltende Einwand der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist im Rahmen des § 37 Abs. 2 AO nicht anwendbar (Senatsbeschluss vom III B 9/05, BFH/NV 2005, 2007, m.w.N.).
7. Auch der Vortrag der Klägerin, es müsse ein finanzieller Ausgleich der Sozialhilfeträger untereinander stattfinden, weil sie im streitbefangenen Zeitraum wegen des Kindergeldes keine ihr ansonsten zustehende Sozialhilfe erhalten habe, führt zu keinem abweichenden Ergebnis. Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die Rückforderung zu Unrecht ausbezahlten Kindergeldes und der Ausfall von Sozialhilfe in der Vergangenheit in keinem erkennbaren rechtlichen Zusammenhang stehen.
Der Senat weist aber darauf hin, dass im Streitfall insofern ein besonderer Sachverhalt vorliegt, als das Sozialamt die HZL wegen des Anspruchs der Klägerin auf Kindergeld ab Januar 2002 eingestellt hat. Bei Wegfall der Kindergeldberechtigung hätte die Klägerin aber wieder Anspruch auf HZL gehabt. Wie aus den Akten ersichtlich ist, hat sich die Klägerin bereits im April 2002 beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet. Sie trägt vor, sie sei damals nicht darauf hingewiesen worden, dass mit Beendigung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung der Anspruch auf Kindergeld entfällt. Da ihr offensichtlich die Konsequenzen aus der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses in Bezug auf den Wegfall des Kindergeldes nicht bewusst waren, hat sie es unterlassen, HZL zu beantragen. Insbesondere die fehlende Kommunikation zwischen den zuständigen Behörden (Arbeitsamt, Familienkasse und Sozialamt) und der sich aus dem Zeitablauf ergebende erhebliche Rückforderungsbetrag gegenüber der offenbar an der unteren Grenze des Existenzminimums lebenden Klägerin könnten nach Auffassung des Senats einen Billigkeitserlass nach § 227 AO in dem nach Aktenlage noch anhängigen Erlassverfahren rechtfertigen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1298 Nr. 7
HFR 2007 S. 994 Nr. 10
OAAAC-46931