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StuB Nr. 9 vom Beilage Seite 1

Die ertrag- und umsatzsteuerliche Organschaft

Aktuelle Entwicklungen, Beispiele und Beratungshinweise

StB Dr. Hannes Zieglmaier und StB Dr. Steffen Heyd

Wie die aktuellen Entwicklungen der Gesetzgebung und Rechtsprechung zeigen, finden derzeit im Bereich der Regelungen zur Organschaft einige Veränderungen statt. Nach wie vor sind Organschaften vielfach anzutreffen und von erheblich praktischer Relevanz. Vor diesem Hintergrund liefert der Beitrag einen Überblick zu wesentlichen Aspekten hinsichtlich der Regelungen zur ertrag- und umsatzsteuerlichen Organschaft unter Berücksichtigung der neuen Entwicklungen aus Gesetzgebung und Rechtsprechung.

Pagel/Tetzlaff, Organschaft, Grundlagen, NWB EAAAE-28096

I. Einführung

[i]Adrian/Fey, Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts – Der Gesetzentwurf im Überblick, StuB 8/2021 S. 309, NWB UAAAH-75909 Adrian, Formulierung der Verlustübernahme in Ergebnisabführungsverträgen, StuB 8/2021 S. 339, NWB HAAAH-75598 Müller, in: Mössner/Seeger/Oellerich, KStG, § 14, NWB OAAAG-95581 Sterzinger, in: Küffner/Zugmaier, UStG, § 2, NWB PAAAB-75356 Müller/Lieber, Die Organschaft, 11. Aufl. 2020, NWB FAAAH-36340 NWB Praxisforum: Die Organschaft, https://go.nwb.de/d8d63 Die ertragsteuerliche Organschaft ist ein beliebtes Instrument in der Praxis, um eine innerkonzernliche Verlustverrechnung zu ermöglichen und eine Schachtelstrafe bei Beteiligungsketten zu vermeiden. Hierbei gilt es, die gesetzlichen Anforderungen an die Organschaft, die durch Gesetzgeber und Rechtsprechung laufend verändert und fortentwickelt werden, penibel einzuhalten. Marginale Abweichungen – z. B. von einzelnen Wörtern im Vertragstext in Bezug auf § 302 AktG – können insgesamt zum Scheitern der Organschaft führen mit erheblichen negativen Auswirkungen für die Beteiligten. Bei bestehenden und geplanten Organschaften gilt es daher, die aktuelle (geplante) Gesetzgebung und Rechtsprechung stets im Auge zu behalten. Hierbei gilt es insbesondere, die aktuellen Entwicklungen zum dynamischen Verweis und zum steuerlichen Ausgleichsposten sowie die Einflüsse durch die Corona-Pandemie und den Brexit zu beachten.

Viele Konzerne sind nicht nur ertragsteuerlich, sondern auch umsatzsteuerlich als Organschaft organisiert, um so die Möglichkeit einer Vereinfachung bei der Veranlagung zu nutzen, administrative Kosten zu senken oder ggf. umsatzsteuerliche Vorteile zu erzielen. Die Umsetzung der umsatzsteuerlichen Organschaft kann sich jedoch mitunter als sehr schwierig erweisen. Denn gerade in den letzten Jahren waren die Voraussetzungen für das Bestehen der umsatzsteuerlichen Organschaft verstärkt Gegenstand der Rechtsprechung von EuGH und BFH. Während nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Larentia + Minerva und der anschließenden Umsetzung ins deutsche Recht zwar feststeht, dass Personengesellschaften unter bestimmten Voraussetzungen als Organgesellschaften in Betracht kommen, sind im Detail noch viele Anwendungsfragen unklar, wie aktuelle Vorlagebeschlüsse deutscher Finanzgerichte zeigen. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf eine aktuelle Vorlage des BFH an den EuGH, die die Europarechtskonformität der deutschen Regelungen zur umsatzsteuerlichen Organschaft insgesamt infrage stellt.

Vor diesem Hintergrund erscheinen die betreffenden deutschen Regelungen grundlegend reformbedürftig. Mit dem Paket für Bürokratieerleichterungen könnte der Anstoß für gesetzliche Änderungen im Bereich der umsatzsteuerlichen Organschaft erfolgen. Nach einer Pressemitteilung der Bundesregierung vom ist u. a. die Einführung eines Antragsverfahrens für die Feststellung einer umsatzsteuerlichen Organschaft durch die Finanzverwaltung im UStG geplant.

II. Ertragsteuerliche Organschaft

1. Grundverständnis

Bei der Organschaft handelt es sich um ein rein steuerliches Rechtsinstitut, bei dem rechtlich selbständige Unternehmen – aufgrund eines bestehendem S. 2Über-/Unterordnungsverhältnisses – zu einer Besteuerungseinheit zusammengefasst werden. Das steuerliche Ergebnis der untergeordneten Unternehmen ( Organgesellschaften) wird dem übergeordneten Unternehmen ( Organträger) zugerechnet und dort der Besteuerung unterworfen. Es handelt sich folglich um eine Form der Gruppenbesteuerung.

Aus ertragsteuerlicher Sicht bringt die Organschaft eine Reihe von Vorteilen mit sich, weshalb es sich auch um ein beliebtes Konstrukt in der Praxis handelt. Wesentlicher Vorteil ist, dass Gewinne und Verluste innerhalb der Organschaft (auf Ebene des Organträgers) saldiert werden können. Dadurch wird eine Verrechnung von Gewinnen und Verlusten in der gleichen Periode ermöglicht und eine etwaige – auf Ebene der einzelnen Organgesellschaften zur Anwendung kommende Mindestbesteuerung – vermieden. Im Hinblick auf Holding-Gesellschaften wird durch die Organschaft oftmals eine Verlustverrechnung überhaupt erst möglich.

Beispiel: Akquisitions-Holding

Die A-Holding-GmbH erwirbt eine 100 %-Beteiligung an der B-GmbH, die operativ tätig ist und laufend Gewinne erzielt. Zur Finanzierung des Kaufpreises nimmt die A-Holding-GmbH ein Darlehen auf, für das entsprechende Zinsen laufend anfallen. Über weitere Beteiligungen oder einen operativen Geschäftsbetrieb verfügt die A-Holding-GmbH nicht. Die B-GmbH soll ihre Gewinne laufend an die A-Holding-GmbH ausschütten.

Die A-Holding-GmbH erzielt mit der Beteiligung an der B-GmbH nur steuerfreie Gewinne in Form von Dividenden. Die anfallenden Zinsaufwendungen können folglich nicht verrechnet (resp. nur i. H. der 5 % nicht abziehbaren Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 5 KStG) und damit steuerlich nicht nutzbar gemacht werden. Dem kann durch die Begründung einer ertragsteuerlichen Organschaft begegnet werden. Durch die Organschaft können die operativen Gewinne der B-GmbH mit den Zinsaufwendungen der A-Holding-GmbH verrechnet werden.

Weitere Vorteile der Organschaft sind u. a., dass

  • Verlustvorträge des Organträgers – aus vororganschaftlichen Zeiten – mit dem laufenden Gewinnen von Organgesellschaften verrechnet werden können,

  • die sog. „Schachtelstrafe“ – 5 % der Gewinnausschüttungen werden als nicht abziehbare Betriebsausgabe gem. § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG behandelt – keine Anwendung findet,

  • bei gruppeninternen Miet-, Lizenz-, Leasing- oder Darlehensverhältnissen die gewerbesteuerliche Hinzurechnung vermieden werden kann und

  • steuerfreie ausländische Betriebsstättengewinne durch eine Organträger-Personengesellschaft an natürliche Personen als Gesellschafter weitergeleitet werden können.

Wesentlicher Nachteil der Organschaft ist, dass ein zivilrechtlicher Haftungsverbund zwischen Organgesellschaft(en) und Organträger begründet wird. Dies läuft oftmals dem eigentlichen Gründungszweck der Organgesellschaft zuwider, dem der Haftungsbegrenzung auf den eigenen Geschäftsbetrieb.