BFH Urteil v. - V R 51/02 BStBl 2004 II S. 322

Behandlung der Zuschüsse zur Milchleistungsprüfung

Leitsatz

Zahlungen der öffentlichen Hand an einen Unternehmer, der Lieferungen oder sonstige Leistungen an Dritte erbringt, gehören —unabhängig von der Bezeichnung als „Zuschuss"— dann gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG zum Entgelt für diese Umsätze, wenn

- der Zuschuss dem Abnehmer des Gegenstands oder dem Dienstleistungsempfänger zugute kommt,

- der Zuschuss gerade für die Lieferung eines bestimmten Gegenstands oder die Erbringung einer bestimmten sonstigen Leistung gezahlt wird, und

- mit der Verpflichtung der den Zuschuss gewährenden Stelle zur Zuschusszahlung das Recht des Zahlungsempfängers (Unternehmers) auf Auszahlung des Zuschusses einhergeht, wenn er einen steuerbaren Umsatz bewirkt hat.

Gesetze: UStG 1991 § 10 Abs. 1 Satz 3Richtlinie 77/388/EWG Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a

Instanzenzug: FG des Landes Brandenburg vom 1 K 2175/00 (Verfahrensverlauf), ,

Gründe

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein Verein, der die Aufgabe hat, in seinem Verbandsgebiet die Qualität der tierischen Erzeugung im allgemeinen volkswirtschaftlichen Interesse sowie im Interesse der Volksgesundheit zu fördern und der Landestierzucht, dem Tierschutz und Tierseuchenschutz zu dienen. Zu diesem Zweck führte der Kläger im Streitjahr unter anderem monatlich bei seinen Mitgliedsbetrieben Milchleistungsprüfungen durch, deren Vorgaben auf dem Tierzuchtgesetz und den dazu erlassenen Verordnungen beruhten. Der von den Mitgliedern des Klägers an diesen zu entrichtende Beitrag bemaß sich nach Art und Umfang der durchgeführten Milchleistungsprüfungen. Für jede durchgeführte Milchleistungsprüfung zahlte das Land Brandenburg dem Kläger einen Zuschuss in Höhe von 20 DM pro Jahr und Kuh.

In seiner Umsatzsteuererklärung für 1991 behandelte der Kläger zunächst sowohl die Mitgliedsbeiträge als auch die Zuschüsse als Entgelte für steuerpflichtige Umsätze. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) stimmte der Erklärung zu.

In der Folge vertrat der Kläger die Auffassung, die Zuschüsse unterlägen nicht der Umsatzsteuer und reichte eine entsprechend „berichtigte„ Umsatzsteuererklärung ein. Das FA folgte dem nicht, sondern bezog die Zuschüsse in die Bemessungsgrundlage für die steuerpflichtigen Umsätze ein.

Einspruch und Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid vom blieben ohne Erfolg.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Er meint, die Zuschüsse gehörten nicht gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 des Umsatzsteuergesetzes 1991 (UStG) zum Entgelt für die Milchleistungsprüfungen; es lägen vielmehr echte Zuschüsse vor; die Zuschüsse würden dem Kläger in erster Linie in seinem Interesse gewährt.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid entsprechend zu ändern.

Das FA ist der Revision entgegengetreten. Es ist nach wie vor der Meinung, dass die Zuschüsse zum Entgelt für die steuerpflichtigen Milchleistungsprüfungen gehören.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht (FG). Der vom FG festgestellte Sachverhalt reicht nicht aus, um beurteilen zu können, ob die Zuschüsse in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen sind.

1. Die Vorentscheidung lässt zwar keinen Rechtsfehler erkennen, soweit sie die Milchleistungsprüfungen durch den Kläger als steuerbare und steuerpflichtige Leistungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG beurteilt. Nach den Feststellungen des FG knüpften die von den Mitgliedern zu entrichteten Beiträge an die Art und Durchführung der durchgeführten Milchleistungsprüfungen an. Die Milchleistungsprüfungen wurden deshalb von dem Kläger gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG „gegen Entgelt„ an die Mitglieder erbracht.

2. Der Senat kann aber aufgrund des vom FG festgestellten Sachverhalts nicht beurteilen, ob die Zuschüsse, um die es geht, ebenfalls zum Entgelt für diese Leistungen gehörten.

a) Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG). Zum Entgelt gehört auch, was ein anderer als der Leistungsempfänger dem Unternehmer für die Leistung gewährt (§ 10 Abs. 1 Satz 3 UStG).

b) Die Vorschrift entspricht Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach ist Besteuerungsgrundlage bei den dort genannten Lieferungen und Dienstleistungen alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen. Hierzu hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) in seinem Urteil vom Rs. C-184/00, Office des produits wallons (Slg. 2001, I-9115, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht —UVR— 2002, 47, mit Anm. Wagner) wörtlich ausgeführt:

"11. Subventionen wie die in der Vorlagefrage genannten - d.h. betriebliche Zuschüsse, die einen Teil der Betriebskosten decken - wirken sich praktisch immer auf den Selbstkostenpreis der von der subventionierten Einrichtung gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen aus. Soweit diese Einrichtung nämlich bestimmte Gegenstände liefert oder bestimmte Dienstleistungen erbringt, wird sie dies zu Preisen tun können, die ihr nicht möglich wären, wenn sie ihre Kosten weitergeben und zugleich Gewinne erzielen müsste.

12. Die Möglichkeit allein, dass eine Subvention sich auf die Preise der von der subventionierten Einrichtung gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen auswirkt, macht jedoch diese Subvention nicht schon steuerbar. Für einen unmittelbaren Zusammenhang der Subvention mit dem Preis dieser Umsätze im Sinne des Artikels 11 Teil A der Sechsten Richtlinie ist darüber hinaus, wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat, erforderlich, dass die Subvention an die subventionierte Einrichtung gerade für die Lieferung eines bestimmten Gegenstandes oder die Erbringung einer bestimmten Dienstleistung gezahlt wird. Nur in diesem Fall kann die Subvention als Gegenleistung der Lieferung eines Gegenstandes oder der Erbringung einer Dienstleistung angesehen werden und ist damit steuerbar.

13. Um feststellen zu können, ob die Subvention eine solche Gegenleistung darstellt, muss der Preis des Gegenstandes oder der Dienstleistung in seinen Grundzügen spätestens zum Zeitpunkt des Eintritts des Tatbestands festliegen. Auch muss mit der Verpflichtung der Subventionsstelle zur Subventionszahlung das Recht des Begünstigten auf Auszahlung der Subvention einhergehen, wenn er einen steuerbaren Umsatz bewirkt hat. Diese Verbindung zwischen Subvention und Preis muss nach einer Untersuchung der Umstände des Einzelfalls, auf denen die Zahlung dieser Gegenleistung beruht, eindeutig zum Ausdruck kommen. Dagegen ist nicht erforderlich, dass der Preis des Gegenstandes oder der Dienstleistung - oder ein Teil des Preises - bestimmt ist. Es genügt, dass er bestimmbar ist.

14. Somit ist die Feststellung einer unmittelbaren Verbindung zwischen der Subvention und dem betreffenden Gegenstand oder der betreffenden Dienstleistung Aufgabe des vorlegenden Gerichts. Dazu muss es zunächst prüfen, ob dem Abnehmer des Gegenstandes oder dem Dienstleistungsempfänger die Subvention des Subventionsempfängers zugute kommt. Der vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger zu zahlende Preis muss nämlich so festgesetzt sein, dass er sich entsprechend der dem Verkäufer des Gegenstandes oder dem Dienstleistungserbringer gewährten Subvention ermäßigt, die damit in die Kalkulation des Preises einfließt, die die letztgenannten verlangen. Das Gericht wird zu prüfen haben, ob die Zahlung einer Subvention an den Verkäufer oder Dienstleistungserbringer ihm objektiv gesehen den Verkauf des Gegenstandes bzw. die Erbringung der Dienstleistung zu einem niedrigeren Preis als dem ermöglicht, den er ohne Subvention verlangen müsste.„

Im Urteil vom Rs. C-353/00, Keeping Newcastle Warm (UVR 2002, 254) hat der EuGH unter Anwendung dieser Grundsätze entschieden, dass Subventionszahlungen, die eine Verwaltungsagentur an ein Netzunternehmen auf Antrag der Kunden dieses Netzunternehmens leistete, Gegenleistungen für die Energieberatungsleistungen der Netzunternehmen an die Kunden und Teil der Besteuerungsgrundlage dieser Umsätze waren.

c) Die Urteile des EuGH decken sich im Ergebnis weitgehend mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG (vgl. z.B. , BFHE 160, 244, BStBl II 1990, 708, Frachthilfen zur Subventionierung von Unternehmern im Zonenrandförderungsgebiet, und vom V R 35/95, BFH/NV 1997, 155, öffentliche Zuschüsse an Betriebshelfereinrichtungen). Unter Einbeziehung der Rechtsgrundsätze des EuGH gilt Folgendes:

Zahlungen der öffentlichen Hand an einen Unternehmer, der Lieferungen oder sonstige Leistungen an Dritte erbringt, gehören —unabhängig von der Bezeichnung als „Zuschuss"— dann gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG zum Entgelt für diese Umsätze, wenn

- der Zuschuss dem Abnehmer des Gegenstands oder dem Dienstleistungsempfänger zugute kommt,

- der Zuschuss gerade für die Lieferung eines bestimmten Gegenstands oder die Erbringung einer bestimmten sonstigen Leistung gezahlt wird, und

- mit der Verpflichtung der den Zuschuss gewährenden Stelle zur Zuschusszahlung das Recht des Zahlungsempfängers (Unternehmers) auf Auszahlung des Zuschusses einhergeht, wenn er einen steuerbaren Umsatz bewirkt hat.

Entgegen der Ansicht des Klägers ist nicht erforderlich, dass der Leistungsempfänger einen Rechtsanspruch auf die Zahlung hat; es reicht aus, dass sie in seinem Interesse erfolgt.

Nicht zum Entgelt gehören die Zahlungen des Dritten dann, wenn sie zur allgemeinen Förderung des leistenden Unternehmers und nicht überwiegend im Interesse des Leistungsempfängers für eine bestimmte Leistung bewirkt werden. In diesem Fall wird die Zahlung des Dritten gewöhnlich als echter Zuschuss bezeichnet. Die Abgrenzung von Entgelt und „echtem Zuschuss„ wird somit nach der Person des Bedachten und dem Förderungsziel vorgenommen. Nach dem Urteil in BFHE 160, 244, BStBl II 1990, 708 führen bloß technische Anknüpfungen von Förderungsmaßnahmen an Leistungen eines Unternehmers nicht dazu, die Förderung zum (zusätzlichen) Entgelt „für die Leistungen„ zu machen, wenn das Förderungsziel nicht die Subvention der Preise zugunsten der Abnehmer, sondern die Subvention des leistenden Unternehmers ist.

d) Im Streitfall liegt zwar die Annahme nahe, dass die Zuschüsse, um die es geht, nicht nur „technisch„ an die Milchleistungsprüfungen anknüpfen, sondern zusätzliches Entgelt für diese sind. Eine abschließende Beurteilung ist aber nur anhand der Vorschriften, Bewilligungsbedingungen und ähnlicher Bestimmungen möglich, aufgrund derer die Zuschüsse gewährt wurden. Hierüber gibt die Vorentscheidung keine Auskünfte.

Fundstelle(n):
BStBl 2004 II Seite 322
BB 2004 S. 258 Nr. 5
BFH/NV 2004 S. 446
BFH/NV 2004 S. 446 Nr. 3
BStBl II 2004 S. 322 Nr. 7
DB 2004 S. 418 Nr. 8
DStR 2004 S. 178 Nr. 5
DStRE 2004 S. 240 Nr. 4
INF 2004 S. 211 Nr. 6
KÖSDI 2004 S. 14054 Nr. 2
UR 2004 S. 151 Nr. 3
GAAAB-14913