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Entwürfe zu europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung – Relevanz für den Mittelstand?
Grundlagen, E-ESRS 1 und E-ESRS 2
Die im Juni 2022 finalisierte Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) soll die Transparenz in puncto Nachhaltigkeit europäischer Unternehmen deutlich ausweiten. Zur Konkretisierung der Berichtspflichten werden sog. European Sustainability Reporting Standards (ESRS) entwickelt. 13 Entwürfe für diese Standards wurden Ende April 2022 veröffentlicht und zur Konsultation gestellt. Die Hintergründe zu dieser Veröffentlichung werden im Rahmen dieses Beitrags zunächst kurz dargestellt – unter besonderer Würdigung ihrer Relevanz aus der Perspektive des Mittelstands. Hieran anschließend werden die ersten beiden Entwürfe – E-ESRS 1 zu den grundlegenden Prinzipien der Berichterstattung und E-ESRS 2 zu allgemeinen Offenlegungsanforderungen – näher beleuchtet. Ein weiterer Beitrag in der StuB wird sich dann demnächst mit den elf weiteren E-ESRS (zu den drei Aspekten „Environmental“, „Social“ und „Governance“) auseinandersetzen und schließt mit einer gesamthaften Würdigung ab.
Kirsch, Nichtfinanzielle Berichterstattungspflicht (HGB), infoCenter, NWB CAAAG-79145
I. Die CSRD und die Entwicklung von europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung
[i]Borcherding/Freiberg/Skoluda, Entwurf einer Corporate Sustainability Reporting Directive, StuB 12/2021 S. 469, NWB RAAAH-81035 Ein Schlüsselelement der CSRD stellt die Einführung europäischer Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung dar: ESRS. Mit deren Hilfe sollen grundlegende Kritikpunkte an der gegenwärtig noch geltenden Rechtslage zur nichtfinanziellen Berichterstattung adressiert und beseitigt werden – z. B. eine mangelhafte Vollständigkeit und Vergleichbarkeit der von Unternehmen generierten Informationen. Die Pläne hierfür begleiteten die EU-Kommission schon lange; bereits kurz nach Veröffentlichung des CSRD-Entwurfs im April 2021 wurde die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) damit beauftragt, ein erstes Set an ESRS zu erarbeiten, nach denen europäische Unternehmen zukünftig ihre Nachhaltigkeitsberichte auf einer verpflichtenden Basis inhaltlich zu orientieren haben. Die Eckpunkte zur Gestaltung dieser Standards legt die CSRD selbst fest, und erst nach einer anschließenden formalen Übernahme durch die EU-Kommission erlangen die ESRS Verbindlichkeit.
Am veröffentlichte die EFRAG nach weniger als einem Jahr die Entwürfe zu 13 ESRS. Diese umfassen grundlegende Standards zu Querschnittsthemen sowie themenspezifische Berichtspflichten; bis November 2022 sind die Arbeiten hieran abzuschließen und die finalisierten Standards an die EU-Kommission weiterzuleiten. Diese hat wiederum in der ersten Jahreshälfte 2023 die von ihr übernommenen Standards in Form sog. delegierter Rechtsakte zu verabschieden – womit sie im gesamten Unionsgebiet Geltung erlangen. S. 582
Den weiteren Zeitplan bis zur Erstanwendung der ESRS und den unmittelbaren Anwenderkreis gibt die CSRD vor. Für viele Unternehmen bedeutet dies, dass innerhalb kürzester Zeit die notwendigen Anpassungen in den Datenerhebungssystemen und Berichtsprozessen vorzunehmen sind. Unter besonderem Druck stehen dabei Unternehmen von öffentlichem Interesse, die bereits heute der Pflicht zur nichtfinanziellen Berichterstattung unterliegen und ab dem Geschäftsjahr 2024 die CSRD sowie die ESRS zu beachten haben, sowie große Kapitalgesellschaften, die erstmalig die notwendigen Grundlagen für die – ein Jahr später – von ihnen geforderte Berichterstattung schaffen müssen. Allerdings sind auch die Folgen für mittelständische Unternehmen beträchtlich: Einerseits sind diese ab dem Geschäftsjahr 2026 bzw. im Hinblick auf eine vorgesehene Option mit verlängerter Übergangsphase erst 2028 in geringer Zahl von der Berichtspflicht direkt betroffen, nämlich wenn sie kapitalmarktorientiert sind; noch viel mehr werden sie andererseits auf mittelbarem Wege über ihre Geschäftsbeziehungen zu berichtspflichtigen Unternehmen gefordert sein, Daten zu ihrer Nachhaltigkeitsleistung zur Verfügung zu stellen, wobei die EU allerdings hier ebenso eine Befreiungsmöglichkeit um drei Jahre vorsieht (mittelbar betroffene Unternehmen brauchen dann keine Informationen an verpflichtete Unternehmen zu liefern). Es ist aber fraglich, ob diese letztgenannte Option tatsächlich intensiv genutzt werden kann oder im Sinne der Greenwashing-Debatte doch ein enormer Druck auch auf Zulieferer ausgeübt wird, die Daten doch zu liefern, um eine höhere Verlässlichkeit zu suggerieren.