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StuB Nr. 5 vom Seite 178

Nachhaltigkeitsberichterstattung für alle Unternehmen

Anwendung der EU-Taxonomie-Verordnung in Theorie und Praxis

Dr. Bernhard Becker, Prof. Dr. Jan Handzlik und Nicolas Noffke

Die EU-Taxonomie-Verordnung soll ein konkretes Klassifizierungsschema für Unternehmensaktivitäten bieten, um diese in „grüne“ und „braune“ Tätigkeiten zu unterscheiden. Im vorliegenden Beitrag wird das Regelwerk zunächst in der Theorie erläutert, anschließend folgt ein Anwendungsbeispiel aus einem realen mittelständischen Maschinenbauunternehmen. Darüber hinaus wird aufgezeigt, dass das Thema „Nachhaltigkeit“ in Unternehmen weit über die reine Anwendung der EU-Taxonomie hinausgeht bzw. gehen sollte. Anhand des Praxisbeispiels wird ein Transformationsprozess beschrieben, beginnend mit der Motivation der Unternehmensführung für nachhaltiges Wirtschaften.

Becker/Handzlik/Müller, Nachhaltigkeitsberichterstattung für alle Unternehmen – Konsequenzen der Regulierung von Finanzdienstleistern, Kreditinstituten und kapitalmarktorientierten Unternehmen, StuB 4/2022 S. 143, NWB CAAAI-04015

Kernfragen
  • Wie erfolgt die Klassifizierung in „grüne“ und „braune“ Unternehmensaktivitäten?

  • Ist die EU-Taxonomie-Verordnung auch für kleine und mittlere Unternehmen anwendbar?

  • Wie kann der Transformationsprozess im Unternehmen hin zu mehr Nachhaltigkeit gelingen?

I. Einleitung

[i]Borcherding/Freiberg/Skoluda, Entwurf einer Corporate Sustainability Reporting Directive, StuB 12/2021 S. 469, NWB RAAAH-81035 Needham/Baumüller/Scheid, Nichtfinanzielle Berichtspflichten für KMU, StuB 22/2020 S. 886, NWB RAAAH-63510 In einem vorangegangenen Beitrag in dieser Zeitschrift zu den Konsequenzen der Regulierung von Finanzdienstleistern, Kreditinstituten und kapitalmarktorientierten Unternehmen wurde aufgezeigt, dass die Erwartungen an das Verhalten und die Wirkung von Unternehmen – vertreten durch deren gesetzliche Vertreter sowie die jeweiligen Überwachungsorgane (insbesondere Aufsichtsrat und Abschlussprüfer) – im Kontext der wie auch immer zu verstehenden Nachhaltigkeit derzeit stark ansteigen. Dabei ist eine Gemengelage aus (verschärften) gesetzlichen Anforderungen, indirekt wirkenden Regulierungen und unspezifischen Erwartungen i. S. einer Legitimität des Handelns entstanden, die kaum noch zu überblicken ist. Insbesondere die EU und in Konsequenz die nationalen Gesetzgeber gehen hier seit einigen Jahren den Weg nicht über eine direkte Regulierung, sondern vielmehr über den Umweg der Berichterstattungspflichten oder der Finanzierung, um Unternehmen in Richtung eines nachhaltigeren Handelns zu treiben. Dies sorgt jedoch dafür, dass viele Unternehmen sich formal gar nicht als betroffen von der Regulierung verstehen und später dann möglicherweise umso überraschter reagieren, wenn andere (regulierte) Marktteilnehmer konkrete Nachhaltigkeitsinformationen verlangen.

Die Mitte 2020 veröffentlichte Verordnung (EU) 2020/852 (Taxonomie-Verordnung) soll es Unternehmen ermöglichen, ihre Tätigkeiten anhand konkreter Kriterien als taxonomiekonform („grün“) oder nicht taxonomiekonform („braun“) zu klassifizieren. Sie bietet Unternehmen also ein Raster zur Einschätzung des eigenen Status quo: Wie hoch ist der Anteil von grünen Aktivitäten im Unternehmen? Außerdem lassen sich aus dem Regelwerk konkrete Maßnahmen ableiten, um bisher noch braune Aktivitäten zu grünen zu machen.

Im Beitrag soll die Anwendung der Taxonomie-Verordnung zuerst in der Theorie und anschließend anhand eines konkreten Praxisbeispiels veranschaulicht werden. Dabei werden konkrete Handlungsempfehlungen für Unternehmen, insbesondere kleine und mittelgroße Unternehmen S. 179(KMUs), die bisher nur wenige Berührungspunkte mit dem Thema Nachhaltigkeitsberichterstattung (NBE) hatten, abgeleitet.