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Grundlagen - Stand: 15.12.2015

Arbeitsentgelt und sonstige finanzielle Leistungen des Arbeitgebers

Marc Ecklebe

A. Problemanalyse

Angehörige der steuerberatenden Berufe werden – insbesondere wenn sie im Bereich der Lohnbuchhaltung tätig werden – oftmals mit arbeitsrechtlichen Fragen konfrontiert. Dies zum Anlass nehmend, möchte der nachfolgende Beitrag immer wiederkehrende Fragestellungen, die das Arbeitsentgelt betreffen, umfassend darstellen. Im ersten Teil beschäftigt sich der Beitrag mit den rechtlichen Grundlagen der Vergütungspflicht des Arbeitgebers (Teil B.I.). Sodann werden diejenigen Fallgruppen erörtert, in denen der Arbeitgeber zur Entrichtung der Vergütung verpflichtet ist, obgleich der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung nicht erbracht hat (Teil B.II.). Abschließend werden besonders konfliktträchtigte Einzelfragen betreffend der Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers behandelt (Teil B.III.).

B. Problemlösung

I. Das Arbeitsentgelt

1. Vergütungspflicht des Arbeitgebers

1 Unter einem Arbeitsvertrag versteht man einen schuldrechtlichen Vertrag, in dem sich der Arbeitnehmer zur Erbringung der Arbeitsleistung und der Arbeitgeber zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet (§ 611 Abs. 1 BGB).

2 Die Pflicht des Arbeitgebers zur Entrichtung einer Vergütung folgt entweder unmittelbar aus dem mit dem Arbeitnehmer geschlossenen Arbeitsvertrag oder aus einem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag, nicht hingegen aus einer Betriebsvereinbarung (§ 77 Abs. 3 BetrVG). Haben die Arbeitsvertragsparteien eine entsprechende Vergütungspflicht des Arbeitgebers in dem Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich vereinbart und ergibt sich eine solche auch nicht aus einem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag, so gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Erbringung der Arbeitsleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist (§ 612 Abs. 1 BGB). Ob letzteres der Fall ist, bemisst sich nicht nach den persönlichen Vorstellungen der Beteiligten, sondern nach objektiven Kriterien (z. B. Verkehrssitte; Art, Umfang und Dauer der Tätigkeit; Beziehung der Beteiligten zueinander).

4 Fehlt es lediglich an einer Bestimmung der Höhe der von dem Arbeitgeber zu entrichtenden Vergütung, so gilt die übliche Vergütung als vereinbart (§ 612 Abs. 2 BGB). Als „üblich“ ist im Zweifel die in der entsprechenden Branche und Region tarifvertraglich vereinbarte Vergütung anzusehen. Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn in der entsprechenden Branche und Region typischerweise den Tariflohn übersteigende oder unterschreitende Löhne gezahlt zu werden pflegen.

2. Höhe der Vergütung

5 Nach dem sog. Grundsatz der Vertragsfreiheit können die Parteien eines Arbeitsverhältnisses die Höhe der von dem Arbeitgeber zu entrichtenden Vergütung grundsätzlich arbeitsvertraglich frei vereinbaren (§ 311 Abs. 1 BGB). Zum Schutz des an dem Arbeitsverhältnis beteiligten Arbeitnehmers sind insoweit jedoch folgende Grenzen zu beachten:

a) Allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz
aa) Höhe des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns

6 Seit dem gilt in der Bundesrepublik Deutschland ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn. Dieser beläuft sich gegenwärtig auf 8,50 € brutto je Zeitstunde (§ 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG).

bb) Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes

7 Das Mindestlohngesetz gilt grundsätzlich für alle in der Bundesrepublik Deutschland tätigen Arbeitnehmer (§ 22 Abs. 1 Satz 1 MiLoG) und Praktikanten (§ 22 Abs. 1 Satz 2 MiLoG).

8 Obgleich zahlreiche Gesetze für ihren jeweiligen Geltungsbereich eine Definition des Arbeitnehmerbegriffs enthalten (z. B. § 5 ArbGG), fehlt insoweit eine allgemeingültige gesetzliche Begriffsbestimmung. In Rechtsprechung und Literatur hat sich im Laufe der Zeit folgende Definition herausgebildet: Arbeitnehmer ist eine Person, welche aufgrund eines zivilrechtlichen Vertrags – des sog. Arbeitsvertrags – für eine andere Person unselbständige Dienste gegen Entgelt verrichtet. Keine Rolle spielt es insoweit, ob es sich um eine Voll- oder Teilzeitbeschäftigung, Haupt- oder Nebenbeschäftigung, befristete oder unbefristete Beschäftigung oder eine geringfügige Beschäftigung handelt.

9 Demgegenüber ist der Begriff des Praktikanten in § 22 Abs. 1 Satz 3 MiLoG gesetzlich definiert. Danach ist unabhängig von der Bezeichnung des Rechtsverhältnisses Praktikant, wer sich nach der tatsächlichen Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses für eine begrenzte Dauer zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit zur Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit unterzieht, ohne dass es sich dabei um eine Berufsausbildung im Sinne des Berufsausbildungsgesetzes oder um eine damit vergleichbare praktische Ausbildung handelt.

10 Keine Anwendung findet das Mindestlohngesetz auf folgende Personen:

  • Praktikanten, die ein Pflichtpraktikum aufgrund einer schulrechtlichen Bestimmung, einer Ausbildungsordnung, einer hochschulrechtlichen Bestimmung oder im Rahmen einer Ausbildung an einer gesetzlich geregelten Berufsakademie leisten (§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MiLoG),

  • Praktikanten, die ein Praktikum von bis zu drei Monaten zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums leisten (§§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MiLoG),

  • Praktikanten, die ein Praktikum von bis zu drei Monaten begleitend zu einer Berufs- oder Hochschulausbildung leisten, wenn nicht zuvor bereits ein solches Praktikumsverhältnis mit demselben Ausbildenden bestanden hat (§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 MiLoG),

  • Praktikanten, die an einer Einstiegsqualifzierung nach § 54a SGB III oder an einer Berufsausbildungsvorbereitung nach den §§ 68-70 BBiG teilnehmen (§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 MiLoG),

  • Personen unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung (§ 22 Abs. 2 MiLoG),

  • Personen, die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt werden (§ 22 Abs. 3 Alt. 1 MiLoG),

  • Personen, die ehrenamtlich tätig werden (§ 22 Abs. 3 Alt. 2 MiLoG),

  • Personen, die unmittelbar vor Beginn der Beschäftigung ein Jahr oder länger arbeitslos waren innerhalb der ersten sechs Monate der Beschäftigung (§ 22 Abs. 4 MiLoG).

cc) Zulässigkeit von Übergangsregelungen

11 Um in ertragsschwachen Branchen eine behutsame Einführung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohnes zu ermöglichen, lässt das Gesetz die nachfolgenden Übergangsregelungen zu:

12 Bis zum gehen abweichende Regelungen eines Tarifvertrags repräsentativer Tarifvertragsparteien dem Mindestlohn vor, wenn sie für alle unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitgeber mit Sitz im In- oder Ausland sowie deren Arbeitnehmer verbindlich gemacht worden sind; ab dem müssen abweichende Regelungen in diesem Sinne jedoch mindestens ein Entgelt von brutto 8,50 € je Zeitstunde vorsehen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 MiLoG). Vorstehendes gilt entsprechend für Rechtsverordnungen, die auf der Grundlage von § 11 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes sowie § 3a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes erlassen worden sind (§ 24 Abs. 1 Satz 2 MiLoG). Praktische Bedeutung erlangen vorgenannte Übergangsregelungen in folgenden Branchen:

  • Arbeitnehmerüberlassung (Ost/Berlin): 8,20 €,

  • Wäschereidienstleistungen im Objektkundengeschäft (Ost/Berlin): 8,00 €,

  • Friseurhandwerk (West): 8,00 €,

  • Friseurhandwerk (Ost/Berlin): 7,50 €,

  • Land- und Forstwirtschaft sowie Gartenbau (West): 7,40 € (ab : 8,00 €),

  • Land- und Forstwirtschaft sowie Gartenbau (Ost/Berlin): 7,20 € (ab : 7,90 €),

  • Textil- und Bekleidungsindustrie (Ost/Berlin-Ost): 7,50 € (ab : 8,25 €).

13 Eine weitere Übergangsregelung gilt für Zeitungszusteller, d. h. Personen, die in einem Arbeitsverhältnis ausschließlich periodische Zeitungen oder Zeitschriften an Endkunden zustellen, wobei auch Zusteller von Anzeigenblättern mit redaktionellem Inhalt erfasst werden (§ 24 Abs. 2 Satz 3 MiLoG). Zeitungszusteller in vorgenanntem Sinne haben ab dem einen Anspruch auf 75 % und ab dem auf 85 % des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns in Höhe von 8,50 € je Zeitstunde (§ 24 Abs. 2 Satz 1 MiLoG). Vom bis zum beträgt der Mindestlohn für Zeitungszusteller brutto 8,50 € je Zeitstunde (§ 24 Abs. 2 Satz 2 MiLoG).

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