Besitzen Sie diesen Inhalt bereits, melden Sie sich an.
oder schalten Sie Ihr Produkt zur digitalen Nutzung frei.

Dokumentvorschau
NWB Nr. 50 vom Seite 3708

Aus der Steuerrechtsprechung und Verwaltungspraxis im Jahr 2021

Ausgewählte Urteile und Verwaltungsanweisungen mit Hinweisen für die Steuerpraxis

Klaus Korn und Dr. Martin Strahl

[i]Korn/Strahl, NWB 49/2021 S. 3562Die steuerlichen Hinweise zum Jahreswechsel in NWB 49/2021 S. 3562 werden im Folgenden durch die Erörterung interessanter höchstrichterlicher Entscheidungen und von Verwaltungsanweisungen ergänzt. Diese wurden in NWB 49/2021 nicht oder nur kurz angesprochen. Interessante höchstrichterliche Urteile werden im Übrigen fortlaufend in den NWB-Eilnachrichten kurzkommentiert.

I. Praxisrelevante Entscheidungen des BFH und EuGH

1. Teure Privatschule ist nicht gemeinnützig

[i]BFH, Beschluss v. 26.5.2021 - V R 31/19, NWB GAAAH-89186 Eine GmbH als Trägerin einer Privatschule fördert mit ihrem Schulbetrieb nicht die Allgemeinheit (ist also steuerlich ungeachtet ihres satzungsgemäß gemeinnützigen Zwecks nicht gemeinnützig), wenn die Höhe der Schulgebühren auch unter Berücksichtigung eines Stipendienangebots zur Folge hat, dass die Schülerschaft sich nicht mehr als Ausschnitt der Allgemeinheit darstellt (, NWB GAAAH-89186, einstimmig ohne mündliche Verhandlung ergangen). Die Schule erhob ein laufendes Schulgeld von 11.000 € bis 17.000 € jährlich zzgl. Verwaltungsgebühren von 400 € pro Jahr sowie anteilig anfallende Einschreibegebühren in Höhe von 3.000 € bis 7.000 €. An begabt und als leistungsfähig anerkannte Schüler wurden unterschiedliche Stipendien vergeben. Bei den Stipendiaten handelte es sich nach den Feststellungen des Finanzgerichts um nur ca. 10 % der Schüler. Der BFH gelangte (wie das Finanzgericht in der Vorinstanz) zu dem Ergebnis, wegen der Höhe der Schulgebühren und auch der von den Eltern zu tragenden Kosten für Verpflegung, Transport, Material und besondere Veranstaltungen sei bei dieser Ausgangslage keine Förderung der Allgemeinheit mehr gegeben, sondern eine vorrangige Förderung von Kindern wohlhabender Eltern. Die hohe Qualität, der internationale Zuschnitt und die Anerkennung als allgemeinbildende nationale Ergänzungsschule waren für den Senat keine Beurteilungskriterien (s. dazu kritisch Strahl, NWB 38/2021 S. 2795, NWB MAAAH-89680).

Hinweis:

[i]Förderung der Allgemeinheit?Die Entscheidung dürfte nicht nur bei den betroffenen Privatschulen Verunsicherung auslösen. Auch Sportvereine, deren Aktivitäten aufwändig sind, müssen möglicherweise um ihre Gemeinnützigkeit fürchten. Mit Urteil v.  - 8 K 8260/16 ( NWB HAAAH-67070) ist das FG Berlin-Brandenburg noch davon ausgegangen, dass nicht nur der Breitensport gemeinnützig ist, sondern − mangels gesetzlicher Einschränkungen − ebenso „kostspielige“ Sportarten begünstigt sind, die sich ein Durchschnittsverdiener nicht leisten kann (z. B. Segeln, Motorsport, Fliegen, Golf), vgl. dazu ausführlich Strahl in Beratungsrelevantes aus der Reformwerkstatt des Gesetzgebers (TT 67), 2021, Tz. E/75-82. Es wird interessant sein, wie der BFH im anhängigen Revisionsverfahren V R 43/20 entscheidet.

2. Generierung von AfA-Volumen durch gewerbliche Prägung und Entprägung einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft

[i]BFH, Urteil v. 22.2.2021 - IX R 13/19, NWB QAAAH-86099 Eine Personengesellschaft mit Immobilien im Gesamthandsvermögen erzielte in den Jahren 1989 bis 2002 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, wurde im Jahr 2003 zunächst gewerblich geprägt und bewertete die dadurch ausgelöste steuerliche Einlage ihres Vermögens in den entstandenen Gewerbebetrieb mit dem Teilwert. Im Jahr 2006 wurde sie wieder entprägt, was zu einer Betriebsaufgabe führte, die indes keine Gewinnrealisierung nach sich zog, weil die gemeinen Werte (unstreitig) den durch die frühere Einlage zum Teilwert entstandenen Buchwerten entsprachen. Diese Aufgabewerte der Immobilien legte die nunmehr wieder Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielende Gesellschaft der AfA-Berechnung zugrunde. Der BFH hat dies mit Urteil v.  - IX R 13/19 ( NWB QAAAH-86099) akzeptiert und in der Generierung von Abschreibungsvolumen durch die gewerbliche Prägung und spätere Entprägung schon deshalb keinen Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO gesehen, weil es für die Entprägung wirtschaftliche Gründe gab.

Hinweis:

[i]Gefahr des GestaltungsmissbrauchsGleichwohl wird man indes § 42 AO im Blick haben müssen, wenn zur AfA-Generierung Wirtschaftsgüter aus dem steuerlichen Privatmögen auf eineS. 3710 gewerblich geprägte Personengesellschaft übertragen werden und diese nach kurzer Zeit wieder entprägt, um sodann das erhöhte Abschreibungsvolumen bei der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu nutzen.

3. Rechnungsabgrenzung für geringfügige Aufwandsvorauszahlungen

[i]BFH, Urteil v. 16.3.2021 - X R 34/19, NWB NAAAH-88660 Für die anstehenden Jahresabschlüsse ist zu beachten, dass der ( NWB NAAAH-88660) entschieden hat, ein aktiver Rechnungsabgrenzungsposten sei nach § 5 Abs. 5 EStG auch dann zu bilden, wenn die vorausgezahlten Aufwendungen geringfügig sind (im Streitfall Haftpflichtversicherungsprämien, Rechtsschutzversicherungsprämien, Kfz-Steuer und vorausgezahlte Werbekosten, zusammen zwischen 1.300 € und 1.600 €). Der Senat vermochte weder im Gesetzeswortlaut noch in der Entstehungsgeschichte der Vorschrift Anhaltspunkte für eine Bagatellgrenze zu erkennen. Deshalb steht nach seinem Verständnis der Grundsatz der Wesentlichkeit, den er grundsätzlich anerkennt, der Aktivierungspflicht nicht entgegen. Auch das Verhältnismäßigkeitsgebot sah er nicht berührt, weil die Ermittlung der aktiv abzugrenzenden Beträge problemlos möglich ist. Mit der Entscheidung ist der Senat von seiner zuvor im ( NWB YAAAD-48053) in einem Streit über die Prozesskostentragung vertretenen gegenteiligen Auffassung abgerückt, die sich inzwischen auch der VI. Senat (, BStBl 2016 II S. 174, Rz. 19) zu eigen machte. Für die Anrufung des Großen Senats sah der X. Senat keine Veranlassung, weil das etwaige Aktivierungswahlrecht nicht entscheidungserheblich war. Frühere, das Wesentlichkeitsmerkmal heranziehende Entscheidungen gaben ebenfalls keinen Anlass für die Einschaltung des Großen Senats, weil sie vor Inkrafttreten der FGO ergangen und nicht gem. § 64 RAO veröffentlicht worden sind.

Hinweis:

[i]Wesentlichkeitsgrundsatz vs. Aktivierungspflicht?Ob der Wesentlichkeitsgrundsatz erlaubt, für geringfügige Aufwandsvorauszahlungen auf eine aktive Rechnungsabgrenzung zu verzichten, ist durchaus umstritten. Im Streitfall ist auch das Finanzgericht davon ausgegangen. Der BFH hat sich mit der Tragweite des Wesentlichkeitsgebots nicht vertieft auseinandergesetzt, das ein Grundsatz ordnungsmäßiger Bilanzierung ist. Das Urteil wird deshalb nicht jeden überzeugen (vgl. z. B. die Kritik von Prinz, FR 2021 S. 961; s. auch Korn, NWB 37/2021 S. 2722, NWB HAAAH-88944). Weil sowohl der Zeitaufwand für die Berechnung des Rechnungsabgrenzungspostens als auch seine materiellen Auswirkungen überschaubar sind, dürfte sich die Bilanzierungspraxis mit der Beurteilung durch den BFH arrangieren, zumal auch entsprechend unwesentliche passive Rechnungsabgrenzungen zu passivieren sind. Der BFH dürfte, ohne dass er sich dazu ausdrücklich geäußert hat, davon ausgegangen sein, dass das Aktivierungsgebot auch für die Handelsbilanz gilt, was aber durchaus bezweifelbar ist (vgl. Prinz, FR 2021 S. 961). Man wird erwarten können, dass die Finanzverwaltung für Vorjahre unterbliebene Rechnungsabgrenzungen nicht aufgreift, die sie bisher nicht beanstandet hat.

4. Teilwertzuschreibung zu Fremdwährungskrediten

[i]BFH, Urteil v. 10.6.2021 - IV R 18/18, NWB EAAAH-93542 Der BFH hat sich mit Urteil v.  - IV R 18/18 ( NWB EAAAH-93542) grundsätzlich dazu geäußert, unter welchen Voraussetzungen für Fremdwährungsdarlehen wegen fundamentaler Änderungen der wirtschaftlichen und währungspolitischen Daten eine Teilwertzuschreibung gestattet wird. Für ein am in Schweizer Franken aufgenommenes Darlehen, das im Jahr 2006 umgeschuldet wurde, hat der BFH nach den Verhältnissen am wegen fundamentaler Änderungen des Umrechnungskurses eine Teilwertzuschreibung anerkannt. Dabei ist er von folgenden Grundsätzen ausgegangen: (a) Eine Teilwertabschreibung wegen voraussichtlich dauerhafter Werterhöhung ist zulässig, wenn der EURO-Wert gegenüber der Fremdwährung aufgrund S. 3711einer fundamentalen Änderung der wirtschaftlichen und währungspolitischen Daten der beteiligten Währungsräume gesunken ist. (b) Davon ist auszugehen, falls sich die Verhältnisse zwischen den betroffenen Währungsräumen aus Sicht des Bilanzstichtags so außerordentlich und nachhaltig geändert haben, dass nicht angenommen werden kann, der Wechselkurs zum Zeitpunkt der Eingehung der Verbindlichkeit werde sich ohne Weiteres bis zur Tilgung wieder einstellen. (c) Dies gilt für alle Fremdwährungsdarlehen unabhängig davon, ob es sich um ein Darlehen mit unbestimmter oder mit bestimmter Laufzeit handelt und ob die Restlaufzeit mindestens zehn Jahre oder weniger beträgt.

Hinweis:

[i]Individuelle Prüfung der VerhältnisseDas Urteil ist für die anstehenden Bilanzierungsarbeiten bedeutsam; bisher stehen Rechtsprechung und Finanzverwaltung Teilwertzuschreibungen für Fremdwährungskredite − die voraussichtliche Dauerhaftigkeit der Devisenkursverhältnisse bezweifelnd − eher zurückhaltend gegenüber (dazu kritisch Korn/Strahl in Korn, EStG [November 2016], § 6 Rz. 203). Die vorliegende Entscheidung zeigt, dass eine individuelle Prüfung der Verhältnisse angebracht ist. Der BFH stellt klar, dass Wechselkursänderungen wertbegründende Umstände sind, so dass es allein auf den Kurs am Bilanzstichtag ankommt und darum, ob er sich voraussichtlich dauerhaft verändert hat. In Zweifelsfällen trifft den Steuerpflichtigen die Feststellungslast dafür. Das Finanzgericht ist davon ausgegangen, dass stets bereits eine Kursschwankung von 20 % für eine Teilwertzuschreibung ausreicht bzw. von je 10 % für zwei aufeinander folgende Stichtage. Dieser typisierenden Betrachtung ist der BFH nicht gefolgt, was die Entscheidung indes nicht beeinflusst hat.

5. Angemessene Verzinsung ungesicherter Konzerndarlehen

[i]BFH, Urteil v. 18.5.2021 - I R 4/17, NWB SAAAH-93024 Oft gewähren zu einer Unternehmensgruppe gehörende Gesellschaften einander ungesicherte Kredite. Werden diese nicht angemessen verzinst, können verdeckte Gewinnausschüttungen nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG oder − bei Auslandsbeziehungen − Einkünftekorrekturen nach § 1 AStG entstehen. Dazu ist das ( NWB SAAAH-93024, s. dazu Korn, NWB 43/2021 S. 3162, NWB WAAAH-93481) interessant. Die Klägerin, eine inländische GmbH, gehört zu einem Konzern; ihre Muttergesellschaft ist eine niederländische international tätige Industrieholding in Rechtsform der N.V. Eine weitere Tochtergesellschaft der N.V. (Schwestergesellschaft der Klägerin, eine niederländische B.V.) fungiert als Konzernfinanzierungsgesellschaft und hat der Klägerin fortlaufend (auch in den Streitjahren 2002 und 2003) ungesicherte Darlehen mit Laufzeiten von vier bis sieben Jahren (vorbehaltlich möglicher Sondertilgung) ausgereicht. Dafür hat die B.V. der Klägerin Zinsen zwischen 4,375 % und 6,45 % berechnet, die das Finanzamt unter Zugrundelegung der Kostenaufschlagsmethode als überhöht erachtete und insoweit eine verdeckte Gewinnausschüttung annahm. Die Klage hatte z. T. Erfolg. Das FG Münster hatte mit Urteil v.  - 13 K 4037/13 K, F ( NWB CAAAG-35145) ebenfalls die Kostenaufschlagsmethode angewendet, jedoch den angemessenen Zinssatz höher geschätzt. Der Kläger legte Revision ein und das Finanzamt Anschlussrevision. Der BFH verwies die Sache als nicht entscheidungsreif mit folgenden „Segelanweisungen“ für den zweiten Rechtsgang zurück: (a) Vor der etwaigen Anwendung der Kostenaufschlagsmethode ist zu prüfen, ob die Vergleichswerte mithilfe der Preisvergleichsmethode ermittelt werden können. Das gilt auch für unbesichert gewährte Konzerndarlehen und unabhängig davon, ob die Darlehen von der Muttergesellschaft oder von einer als Finanzierungsgesellschaft fungierenden anderen Konzerngesellschaft gewährt worden sind. (b) Für die Beurteilung der zinssatzerheblichen Bonität ist nicht die durchschnittliche Kreditwürdigkeit des Gesamtkonzerns, sondern die Bonität der darlehensnehmenden Konzerngesellschaft maßgebend („Stand S. 3712alone“-Rating). Ein nicht durch rechtlich bindende Einstandsverpflichtungen anderer Konzernunternehmen verfestigter Konzernrückhalt ist nur zu berücksichtigen, falls ein konzernfremder Darlehensgeber der Konzerngesellschaft dadurch eine Kreditwürdigkeit zuordnen würde, die die „Stand alone“-Bonität der Gesellschaft übersteigt.

Hinweis:

[i]Preisvergleichsmethode favorisiertDie Entscheidung ist für die Suche nach dem angemessenen Zinssatz für Konzerndarlehen aus zwei Gründen bedeutsam, nämlich zum einen, weil sie mit Recht für die Angemessenheitsprüfung die Preisvergleichsmethode favorisiert, und zum anderen, weil sie das zu berücksichtigende zinserhöhende Kreditrisiko im Regelfall ausschließlich nach der Bonität der kreditnehmenden Konzerngesellschaft, nicht der Konzernbonität bemessen will. Den betroffenen Unternehmensgruppen ist zu empfehlen, Dokumentationen über Zinskonditionen für am Markt angebotene ungesicherte Kredite anzulegen. Zu prüfen ist, inwieweit die Kredite nach geltendem Recht nachrangig gegenüber den übrigen Verbindlichkeiten der kreditnehmenden Gesellschaft sind, was einen nochmals höheren Zinssatz erfordert bzw. rechtfertigt. Ist ein niedriger Zinssatz wünschenswert, sollte geprüft werden, ob es möglich und vertretbar ist, dass die kreditnehmende Konzerngesellschaft Sicherheiten leistet.