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BBK Nr. 24 vom Seite 1175

Berücksichtigung von Drittleistungen bei Fortbestehensprognosen

BGH lässt unverbindliche Finanzierungsbeiträge in engen Grenzen zu

Karl Sikora

[i]BGH, Urteil v. 13.7.2021 - II ZR 84/20 NWB VAAAH-86002 Insolvenzrechtliche Fortbestehensprognosen (§ 19 InsO) fallen vielfach nur dann positiv aus, wenn Sanierungs- bzw. Finanzierungsbeiträge Dritter eingeplant werden. Unter welchen Voraussetzungen dies zulässig ist, war jedoch bislang umstritten. Mit der Entscheidung II ZR 84/20 hat nun erstmals der BGH dazu Stellung genommen und in engen Grenzen bereits unverbindliche Drittbeiträge für berücksichtigungsfähig erklärt. Damit besteht für Geschäftsleiter und Berater zum ersten Mal Rechtsklarheit. Der Beitrag erläutert die Entscheidung und gibt erste Handlungsempfehlungen.

I. Bisheriger Meinungsstreit

[i]Sikora, Erstellung einer bilanzrechtlichen Going-concern-Prognose, BBK 12/2018 S. 577 NWB YAAAG-85661 Die sog. Fortbestehensprognose ist das zentrale Element der Überschuldungsprüfung. In ihr ist abzuklären, ob die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten überwiegend wahrscheinlich ist (§ 19 Abs. 2 Satz 1 InsO). Ist dies der Fall, liegt keine Überschuldung und damit auch keine Insolvenzantragspflicht (§ 15a InsO) vor.

Umso misslicher war bislang, dass erhebliche Unklarheit darüber herrschte, unter welchen Voraussetzungen Sanierungs- bzw. Finanzierungsbeiträge Dritter in dieser Prognose berücksichtigt werden können. So war offen, ob mit der mehrheitlichen Lehre generell alle überwiegend wahrscheinlichen Drittleistungen eingeplant werden können oder mit einer deutlich strengeren Mindermeinung und ganz vereinzelten OLG-Entscheidungen zumindest im Grundsatz eine rechtsverbindliche Zusicherung erforderlich ist.

Hinweis:

Mit [i]BGH schafft Klarheit zur Berücksichtigung von Drittbeiträgender Entscheidung II ZR 84/20 hat der BGH nun endlich Klarheit in dieser bei vielen Prognoseerstellungen bedeutsamen Frage geschaffen. Umso wichtiger ist, dass vor allem Geschäftsleiter und Berater die BGH-Vorgaben genau kennen und ihr Handeln künftig exakt danach ausrichten. S. 1176

II. Aktuelles

1. Sachverhalt

[i]BGH, Urteil v. 13.7.2021 - II ZR 84/20 NWB VAAAH-86002 Der Beklagte war Executive Director der Komplementärin einer PLC & Co. KG, über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Klägerin machte aus abgetretenem Recht („Sammelklage-Inkasso“) Schadensersatzansprüche mit der Behauptung geltend, der Beklagte habe den Insolvenzantrag nicht rechtzeitig gestellt.

[i]Berufungsgericht: positive Fortbestehensprognose wegen Patronat Das Berufungsgericht hat (hilfsweise) eine Haftung des Beklagten wegen Insolvenzverschleppung verneint, weil dieser von einer positiven Fortbestehensprognose ausgehen habe dürfen. Er habe vor allem aufgrund eines Comfort Letters der Gesellschafterin der PLC auf die Weiterführung des Unternehmens und dessen Zahlungsfähigkeit vertrauen dürfen, weil diese darin die Absicht bestätigte, auf der Grundlage mitgeteilter Vorausberechnungen die notwendige Unterstützung für die vorhersehbare Zukunft zu geben, damit die fälligen finanziellen Verpflichtungen erfüllt werden könnten. Auf dieser Grundlage sei auch der Abschlussprüfer von einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) ausgegangen.

[i]Revision der KlägerinMit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Hinweis:

Im Rechtsstreit bestand mit der Frage nach der Zulässigkeit des sog. Sammelklage-Inkassos noch eine zweite wesentliche Fragestellung, über die der BGH entschieden hat. Dieser Bereich bleibt hier jedoch ausgeklammert.