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Tax Compliance bei vermögenden Privatpersonen
Ausgewählte Risikobereiche
Typische Steuerrisiken aus der Beratungspraxis zeigen, dass auch vermögende Privatpersonen gut beraten sind, Tax Compliance durch entsprechende Maßnahmen sicherzustellen. Themenbereiche liegen z. B. bei Anzeige- und Meldepflichten, Immobilien, der Erbschaft- und Schenkungsteuer, dem Wegzug aus Deutschland und der Notfall- und Nachfolgeplanung. Das immer umfangreicher werdende Steuerrecht und die damit verbundenen steuerrechtlichen Pflichten stellen den Steuerpflichtigen vor zunehmende Herausforderungen, so dass sich auch vermögende Privatpersonen mit risikobehafteten und oft komplexen steuerrechtlichen und strategischen Fragen konfrontiert sehen. Ein Tax Compliance System unterstützt den Steuerpflichtigen nicht nur bei der Einhaltung von steuerrechtlichen Pflichten und der Identifikation von Risiken. Die Vorteile eines Tax Compliance Systems gehen weit über diesen Bereich hinaus. Insbesondere unterstützt ein Tax Compliance System auch dabei, steuerstrafrechtliche Vorwürfe zu entkräften bzw. zu widerlegen sowie ungeplante Steuernachzahlungen und Reputationsschäden zu vermeiden. Nachfolgend werden ausgewählte Risikobereiche und die Grundpfeiler eines Tax Compliance Systems dargestellt.
Im Rahmen eines Tax Compliance Systems gilt es u. a., verschiedene steuerrechtliche Anzeige- und Meldepflichten (z. B. bei Erbschaft und Schenkung sowie Grunderwerbsteuer) zu erkennen, zu dokumentieren und zu erfüllen. Eine neue Meldepflicht ist bspw. jüngst durch den deutschen Gesetzgeber bei grenzüberschreitenden Steuergestaltungen eingeführt worden.
Ein Tax Compliance System hilft, unbeabsichtigte Steuerfolgen zu vermeiden. Diese können bei Immobilienbesitz typischerweise (i) bei der Inanspruchnahme von Begünstigungen bei der Grunderwerbsteuer im Fall eines Verstoßes gegen die Behaltensfristen, (ii) bei einer Betriebsaufspaltung oder (iii) bei der Veräußerung auftreten. Bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer gilt es vor allem, nachteilige Besteuerungskonsequenzen bzw. Nachversteuerungstatbestände zu erkennen und diesen vorzubeugen. Bei einem Wegzug aus Deutschland kann es ebenso zu unerwarteten Steuerfolgen kommen, die es vorzeitig zu erkennen und ggf. zu vermeiden gilt.
Teil eines Tax Compliance Systems sollte auch eine Bestandsaufnahme im Bereich der Notfall- und Nachfolgeplanung im betrieblichen und privaten Bereich sein.
I. Einleitung
Ein innerbetriebliches Kontrollsystem bzw. Tax Compliance System, das der ordnungsgemäßen Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten dient, ist für vermögende Privatpersonen zwar nicht verpflichtend, bietet jedoch zahlreiche Vorteile und ist dringend zu empfehlen. Ziel eines solchen Tax Compliance Systems ist insbesondere die Erstellung und fristgerechte Einreichung richtiger Steuererklärungen sowie die Erfüllung der übrigen steuerrechtlichen Pflichten.
Anlässlich von Betriebsprüfungen kommt es häufig zu Steuernachforderungen samt Zinszahlungen. Ein Tax Compliance System dient der Risikominimierung derartiger unerwarteter Steuernachzahlungen und damit verbundenem Liquiditätsabfluss.
Zudem verringert ein Tax Compliance System die straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Risiken für den Steuerpflichtigen. Selbst bei Anwendung der größtmöglichen Sorgfalt passieren Fehler bei der Erstellung von Steuererklärungen. Hier können straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Vorwürfe mitunter schnell aufkommen. In diesem Zusammenhang ist die Abgrenzung, ob eine Steuererklärung bewusst (Vorsatz oder Leichtfertigkeit) oder unbewusst unzutreffend erfolgte von entscheidender Bedeutung. Zur Feststellung dieses inneren Merkmals stellt die Finanzverwaltung auf äußere Umstände ab, denn nicht jede unzutreffende Steuererklärung begründet den Verdacht einer Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung. Die Finanzverwaltung hat im Hinblick auf die Abgrenzung zwischen einer strafbefreienden Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung nach § 371 AO und der Berichtigung einer fehlerhaften Steuererklärung nach § 153 AO festgestellt, dass die Einrichtung eines Tax S. 193Compliance Systems ggf. ein Indiz darstellen kann, das gegen das Vorliegen eines Vorsatzes oder der Leichtfertigkeit sprechen kann (Abschnitt 2.6 Satz 6 zu § 153 AEAO). Bei Einrichtung eines Tax Compliance Systems kann auch der Vorwurf eines Organisationsverschuldens durch das Finanzamt erschwert werden. Für Zwecke des Ordnungswidrigkeitenrechts kann ein Tax Compliance System auf der Ebene der Bußgeldbemessung zu berücksichtigen sein (, NWB MAAAG-51401).
Ein weiterer wesentlicher Aspekt eines Tax Compliance Systems ist die Reduzierung zivilrechtlicher Haftungsrisiken für einen etwaigen Vorstand bzw. die Geschäftsführung sowie die Vermeidung von Reputationsschäden.
Nicht zuletzt bietet die Errichtung eines Tax Compliance Systems die Möglichkeit, interne Prozesse und Strukturen effizienter zu gestalten. Durch Überprüfung der Abläufe im Zuge der Errichtung eines Tax Compliance Systems können Optimierungspotenziale identifiziert werden.
Während Unternehmen bereits meist ein Tax Compliance System errichtet haben, ist dies im Bereich vermögender Privatpersonen mangels organisatorischer und personeller Ausstattung oft (noch) nicht der Fall. In Anbetracht der nachfolgenden, längst nicht abschließenden Darstellung von typischen Steuerrisiken aus der Beratungspraxis sind aber auch vermögende Privatpersonen gut beraten, Tax Compliance durch entsprechende Maßnahmen sicherzustellen (siehe unten III.). Vor diesem Hintergrund werden zunächst die steuerstrafrechtlichen Risiken näher betrachtend (siehe unten II.) und sodann abschließend die Leitlinien eines Tax Compliance Systems dargestellt (siehe unten IV.).
II. Steuerstrafrechtliche Risiken
Eine Steuererklärung ist nach bestem Wissen und Gewissen zu erstellen (§ 150 Abs. 2 AO). Werden Angaben wider besseren Wissens oder Gewissens gemacht oder weggelassen, kann dies den Vorwurf der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) oder bei Nachlässigkeit den Vorwurf der leichtfertigen Steuerverkürzung begründen (§ 378 AO).
Erhält der Steuerpflichtige nach Abgabe der Erklärung Kenntnis davon, dass die Erklärung unvollständig oder unzutreffend ist, ist er verpflichtet die Angaben unverzüglich zu korrigieren oder zu vervollständigen (§ 153 Abs. 1 AO). Zur Anzeige und Berichtigung sind neben dem Steuerpflichtigen auch der Gesamtrechtsnachfolger (z. B. Erbe) und die nach §§ 34 und 35 AO für den Steuerpflichtigen oder Gesamtrechtsnachfolger handelnden Personen (z. B. gesetzliche Vertreter) verpflichtet. Der Steuerpflichtige muss nach herrschender Meinung die Unrichtigkeit bzw. Unvollständigkeit positiv (tatsächlich) erkannt haben, bloßes Erkennen-Können bzw. Erkennen-Müssen reicht nicht aus (AEAO zu § 153 Nr. 2.4; , NWB VAAAD-22263). Eine Nachforschungspflicht besteht nicht (Piltz/Holtz in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 6. Aufl. 2017, § 8 Rz. 25).
War dem Steuerpflichtigen bereits bei der Abgabe der Steuererklärung bewusst, dass die Angaben unvollständig oder unzutreffend sind, liegt kein nachträgliches Erkennen und damit keine Berichtigungspflicht vor. Vielmehr kommt eine Steuerhinterziehung (§ 370 AO) in Betracht.
Kommt der Steuerpflichtige seiner Anzeige- bzw. Berichtigungspflicht nicht nach, kann dies ebenso eine leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO) oder Steuerhinterziehung (§ 370 AO) begründen.
Die Finanzverwaltung hat im Hinblick auf die erforderliche Abgrenzung zwischen der Berichtigung einer fehlerhaften Steuererklärung (§ 153 AO) und einer strafbefreienden Selbstanzeige aufgrund einer Steuerhinterziehung (§ 370 AO) oder leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO) festgestellt, dass die Einrichtung eines innerbetrieblichen Kontrollsystems ggf. ein Indiz darstellen kann, das gegen das Vorliegen eines Vorsatzes oder der Leichtfertigkeit und damit einer Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung sprechen kann (Abschnitt 2.6 Satz 6 zu § 153 AEAO).
III. Tax Compliance bei vermögenden Privatpersonen – ausgewählte Risikobereiche
1. Steuerrechtliche Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten
Wesentliches Ziel eines Tax Compliance Systems ist die Überwachung und ordnungsgemäße Erfüllung von steuerrechtlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten nach §§ 140 ff. AO. Bei Verstößen gegen diese Pflichten drohen empfindliche Schätzungen seitens des Finanzamts (§ 162 AO). Eine gesteigerte Mitwirkungs- und Aufklärungspflicht des Steuerpflichtigen gibt es bei Auslandssachverhalten (§ 90 Abs. 2 AO).
Dies gilt z. B. bei der Einschaltung einer ausländischen Gesellschaft, hinsichtlich der Beibringung von Bankbelegen bei einem im Ausland geführten Konto, beim Nachweis einer ausländischen Gütergemeinschaft und bei Zahlungen von Unterhaltsleistungen an Personen im Ausland.