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BBK Nr. 9 vom Seite 418

Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale bei Unfallkosten

BFH-Rechtsprechung contra Auffassung der Finanzverwaltung

Wolfgang Eggert

[i]BFH, Urteil v. 19.12.2019 - VI R 8/18 NWB HAAAH-45297 Die Entfernungspauschale hat insbesondere für Fahrten mit dem Pkw zur ersten Tätigkeitsstätte bekanntermaßen eine Abgeltungswirkung – auch wenn einige Betroffene das (u. U. historisch bedingt) nicht immer akzeptieren können. Allerdings gibt es auch Ausnahmen von Seiten der Finanzverwaltung bei dem Werbungskostenabzug von Unfallkosten. Diese Ausnahmen könnten sich durch ein Urteil des BFH in Zukunft anders darstellen.

Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .

I. Gesetzliche Regelung

Die [i]Langenkämper, Entfernungspauschale bzw. Pendlerpauschale, Grundlagen NWB BAAAE-61939 Entfernungspauschale lässt bei Aufwendungen des Arbeitnehmers für den Weg zwischen seiner Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte nur einen begrenzten Kostenabzug zu. Die derzeitige gesetzliche Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG lautet wie folgt:

„Zur [i]Begrenzung der Kosten S. 419Abgeltung dieser Aufwendungen ist für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von 0,30 Euro anzusetzen, höchstens jedoch 4.500 Euro im Kalenderjahr; ein höherer Betrag als 4.500 Euro ist anzusetzen, soweit der Arbeitnehmer einen eigenen oder ihm zur Nutzung überlassenen Kraftwagen benutzt.“

Die [i]Begrenzung der FahrtenanzahlBegrenzung des Kostenabzugs auf 0,30 € je Entfernungskilometer ist offensichtlich. Auch eindeutig aus dem Gesetz herauszulesen ist, dass nur eine Fahrt je Arbeitstag geltend gemacht werden kann („für jeden Arbeitstag“). Deshalb verwundert es nicht, dass die Finanzverwaltung das auch so in den LStH mitteilt (H 9.10 „Mehrere Wege an einem Arbeitstag“ LStH) und der BFH es in seiner Rechtsprechung ebenso sieht.

Die [i]Begrenzung für weitere Aufwendungeneigentliche Abgeltungswirkung ist ausdrücklich in § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG geregelt. Dort formuliert der Gesetzgeber, durch die Entfernungspauschale seien sämtliche Aufwendungen abgegolten, die durch die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte (und durch Familienheimfahrten) veranlasst sind.

II. Ausnahmen der Finanzverwaltung

1. Grundsatz

[i]Kein Abzug für Parkgebühren, Austauschmotor, Unfallversicherungen usw.Im maßgeblichen BMF-Schreiben zur Entfernungspauschale folgt die Finanzverwaltung in Tz. 4 zunächst noch der gesetzlichen Beschränkung durch die Aussage, dass die Entfernungspauschale sämtliche Aufwendungen abgilt. So wird ein zusätzlicher Kostenabzug ausgeschlossen für

„... Parkgebühren für das Abstellen des Kraftfahrzeugs während der Arbeitszeit, für Finanzierungskosten..., Beiträge für Kraftfahrerverbände, Versicherungsbeiträge für einen Insassenunfallschutz, Aufwendungen infolge Diebstahls sowie für die Kosten eines Austauschmotors anlässlich eines Motorschadens auf einer Fahrt zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte oder einer Familienheimfahrt.“

Auch Reparaturaufwendungen infolge falschen Tankens (z. B. Diesel statt Benzin) können nicht (erfolgreich) geltend gemacht werden.

2. Ausnahme für Unfallkosten

[i]Finanzverwaltung akzeptiert Werbungskostenabzug für UnfallkostenMit Verweis auf eine BT-Drucksache wird dann im soeben zitierten BMF-Schreiben die Möglichkeit, Unfallkosten, die auf einer Fahrt zwischen der Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte (oder einer Familienheimfahrt) entstehen, zusätzlich als Werbungskosten abzuziehen, zugelassen. Dies wird damit begründet, dass es sich um außergewöhnliche Aufwendungen handelt.

In den LStH (H 9.10 „Unfallschäden“ LStH) wird der mögliche Werbungskostenabzug über die Entfernungspauschale hinaus auf folgende Fälle von Unfallschäden ausgeweitet:

  • Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte,

  • Umwegfahrt zum Tanken,

  • Leerfahrt des Ehegatten/Lebenspartners zwischen der Wohnung und der Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels oder auf der Abholfahrt des Ehegatten/Lebenspartners,

  • Umwegstrecke zum Abholen bei einer Fahrgemeinschaft.

Auch [i]AfaA bei Nicht-Reparatur eine nicht durchgeführte Reparatur führt nach der Auffassung der Finanzverwaltung zu Werbungskosten und zwar in Höhe der Wertminderung durch eine Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung (§ 7 Abs. 1 letzter Satz i. V. mit § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG). S. 420

3. Nicht abziehbare Unfall- und Unfallfolgekosten

[i]Grundsätzliche AusschlusstatbeständeAusgeschlossen ist nach den LStH allerdings der zusätzliche Werbungskostenabzug

  • bei Fahrten unter Alkoholeinfluss,

  • auf einer Probefahrt,

  • auf einer Fahrt, die nicht von der Wohnung aus angetreten oder dort beendet wird, und

  • auf einer Umwegstrecke, wenn diese aus privaten Gründen benutzt wird (Kind zum Hort bringen, einkaufen).

Zwar [i]Schönfeld/Plenker, Unfallkosten, Lexikon Lohnbüro NWB SAAAD-14955 sind die Unfallkosten grundsätzlich abzugsfähig (siehe Abschnitt II.1), dennoch erfolgt kein Abzug für

  • die in den Folgejahren zu leistenden höheren Versicherungsbeiträge,

  • Finanzierungskosten, die anfallen, weil der Pkw ersetzt werden musste und der Neukauf nicht mit Eigenmitteln bezahlt wurde,

  • den Minderwert des Pkw nach dem Unfall.

III. Rechtsprechung des BFH

1.

[i]Rolfes, Falschbetankung – Reichweite der Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale, StuB 17/2014 S. 639 NWB BAAAE-72388 Der BFH hatte schon in seiner Rechtsprechung zur Falschbetankung darauf hingewiesen, der Gesetzgeber sei nicht verpflichtet gewesen, für außergewöhnliche Aufwendungen des Arbeitnehmers (bei Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte) eine Ausnahmeregelung zu treffen.

Hinweis:

Das Urteil wurde immerhin im BStBl veröffentlicht, führte aber nicht zu einer Änderung der LStH und des o. g. BMF-Schreibens.

2.

[i]BFH, Urteil v. 19.12.2019 - VI R 8/18 NWB HAAAH-45297 Nunmehr liegt ein weiteres BFH-Urteil vor, das aus mehreren Gründen bemerkenswert ist. Der Sachverhalt gestaltet sich wie folgt:

Die Klägerin erlitt auf dem Weg von ihrer ersten Tätigkeitsstätte zu ihrer Wohnung einen Autounfall. Hierdurch kam es u. a. zu schweren Verletzungen an Gesicht und Nase. Wenige Tage nach dem Unfall erfolgte eine Nasenbeinreposition. Aufgrund von nachfolgenden gesundheitlichen Problemen wurde im Folgejahr eine Nasenoperation notwendig, die unzweifelhaft auf den Unfall zurückzuführen war und bei der die Klägerin die Kosten zum Teil selbst zu tragen hatte.