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Grundlagen - Stand: 12.07.2021

Finanzgerichtliches Verfahren und Verfahren vor dem Bundesfinanzhof

Prof. Dr. Alois Th. Nacke

A. Problemanalyse

1Die Analyse der Verfahren vor den Finanzgerichten bzw. vor dem Bundesfinanzhof (BFH) zeigt, dass zum einen die eingehenden Verfahren in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren rapide zurückgegangen sind – dies betrifft die Finanzgerichte wie auch den BFH – und zum anderen, dass im Allgemeinen meistens nur ein bestimmter Personenkreis der Beraterschaft den Weg zum Finanzgericht wählt. Hinzu kommt, dass der Weg zum BFH bei fehlender Zulassung der Revision nur mit wenig Erfolg verbunden ist.

2Folgende Übersicht – entnommen aus dem Jahresbericht 2020 des BFH – zeigt, wie hoch der Anteil der Nichtzulassungsbeschwerden und der vom BFH zugelassenen bzw. eingelegten Revisionen ist. Des Weiteren sind die Prozentsätze der erfolgreichen Rechtsmittel angegeben.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Eingänge im Jahr 2020
Erfolgsanteil im Jahr 2020
Revisionen
459
44 %
Nichtzulassungsbeschwerden
1.078
19 %

3 Bei der Analyse der Statistik der Finanzgerichte zeigen sich ebenfalls Auffälligkeiten. So ist zwar der Anteil der Klagen, die teilweise oder ganz erfolgreich waren seit 2003 bis 2014 von 24 % auf 40 % gestiegen; jedoch ist der Anteil der durch Urteil oder Gerichtsbescheid als unzulässig abgewiesenen Klagen mit 18 bis 19 % in den Jahren 2013 bis 2015 relativ hoch.

4Die Ursache für diese Entwicklung ist sicherlich nicht monokausal. Aber ein Grund scheinen die fehlenden Grundkenntnisse des Verfahrens vor dem Finanzgericht und dem BFH zu sein. Dabei sind die Anforderungen, z. B. hinsichtlich einer finanzgerichtlichen Klage, nicht besonders hoch. Im Folgenden werden zunächst die Grundlagen des finanzgerichtlichen Verfahrens dargestellt (Teil B. I.). Anschließend werden die Besonderheiten des Verfahrens vor dem BFH erläutert (Teil B II.), wobei als erstes die Nichtzulassungsbeschwerde (Teil B.II. 1.) und dann das Revisionsverfahren (Teil B.II.2.) dargestellt werden.

5-10Einstweilen frei

B. Problemlösungen

I. Finanzgerichtliches Verfahren

1. Klageerhebung
a) Allgemeines
11 Klage- und Aussetzungsverfahren

Im Wesentlichen sind in der Praxis zwei Verfahrensarten zu unterscheiden: Das Klageverfahren und das Aussetzungsverfahren (siehe Rn. 60 ff.). Das finanzgerichtliche Klageverfahren beginnt mit der Erhebung der Klage beim zuständigen Finanzgericht durch den Berater. Neben der Klagefrist sind einige Formalien bei der Klageschrift und Kenntnisse des Verfahrensablaufs beim Finanzgericht zu beachten.

b) Klagefrist
aa) Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen
12 Berechnung der Klagefrist von einem Monat

Bei Anfechtungsklagen (insbesondere gegen Steuerbescheide) und Verpflichtungsklagen (z. B. wegen Erlasses von Steuern) ist eine Klage nur zulässig, wenn sie innerhalb der Klagefrist von einem Monat erhoben wird (§ 47 Abs. 1 FGO). Sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf (= Einspruchsentscheidung).

Beispiel

Bekanntgabe Einspruchsentscheidung ; Ende der Klagefrist .

13 Zwei Fälle der Verschiebung der Monatsfrist: Bekanntgabefiktion nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO ...

Zwei mögliche Fälle von Verschiebungen dieser Berechnung sollte der Berater besonders beachten: So gilt auch bei der Klageerhebung vor dem Finanzgericht die Bekanntgabefiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO für Verwaltungsakte, d. h. die per Post übermittelte Einspruchsentscheidung gilt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben.

Beispiel

Aufgabe zur Post (Mittwoch); Bekanntgabe .

14…und Wochentag der Bekanntgabe bzw. Ende der Klagefrist

Die zweite Verschiebung betrifft den Wochentag der Bekanntgabe bzw. des Endes der Klagefrist. Fällt dieser Tag auf einen Sonntag, einen Feiertag oder auf einen Sonnabend, verschiebt sich der Bekanntgabetag bzw. das Ende der Klagefrist auf den nächsten Werktag, genau genommen auf den Ablauf dieses Tags. Bei dem Ende der Klagefrist ergibt sich das aus § 54 Abs. 2 FGO i. V. mit § 222 Abs. 2 ZPO. Für den Tag der Bekanntgabe ergibt sich dies aus § 122 Abs. 2 AO i. V. mit § 108 Abs. 3 AO.

Beispiel

Bekanntgabefiktion nach § 122 Abs. 2 AO (wie im vorherigen Beispiel) wäre Samstag, der . Nach § 108 Abs. 3 AO gilt der Verwaltungsakt am Montag, , als bekannt gegeben.

Die Verschiebung nach § 108 Abs. 3 AO kann auch eine weitere Verschiebung bewirken, wenn nicht nur der Beginn der Frist, sondern auch das Ende auf einen Sonnabend, Sonntag oder Feiertag fällt.

Hinweis

Die beiden vorgestellten Verschiebungstatbestände sollte der Berater beachten, wenn eine Klagefristversäumung infrage steht. Das kann erheblichen zeitlichen Spielraum schaffen.

bb) Leistungs- und Feststellungsklagen
15 Keine Klagefrist

Handelt es sich um Leistungsklagen (z. B. Klage auf Akteneinsicht, Herausgabe von Unterlagen) oder Feststellungsklagen (z. B. Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Bescheids) ist grundsätzlich kein Vorverfahren erforderlich, so dass eine Klagefrist nicht zu beachten ist.

cc) Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand
16 Wiedereinsetzungsgrund, -frist, Vortrag der den Antrag begründenden Tatsachen

Ist bei einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage die Klagefrist abgelaufen, hat der Berater (wie der Richter am Finanzgericht) zu prüfen, ob eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht kommt. Näheres ist in § 56 FGO geregelt. Dies setzt wie bei einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Einspruchsverfahren u. a. voraus, dass ein Wiedereinsetzungsgrund gegeben ist (z. B. Krankheit, Büroversehen). Zu beachten sind aber die formellen Hürden im Klageverfahren. Hier ist besonders die kurze Wiedereinsetzungsfrist von zwei Wochen zu beachten (§ 56 Abs. 2 FGO) und darüber hinaus die Verpflichtung, die den Antrag begründenden Tatsachen grundsätzlich innerhalb der Antragsfrist schlüssig vorzutragen.

Hinweis

An diesen Formalien zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheitern häufig die entsprechenden Anträge. Die Rechtsprechung ist nämlich sehr restriktiv und ahndet entsprechende Verstöße mit Abweisung des Wiedereinsetzungsantrags. Hier sollte der Berater besondere Sorgfalt walten lassen und lieber etwas mehr vortragen als zu wenig.

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