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InfoCenter - Stand: 14.08.2019

Grenzgänger

Bodo Ebber

Dieser Beitrag wird nicht mehr aktualisiert und entspricht möglicherweise nicht dem aktuellen Rechtsstand.

I. Definition der Grenzgänger

[i]

Unter Grenzpendlern versteht man Steuerpflichtige, die i.d.R. im Grenzbereich eines Staates arbeiten und grundsätzlich täglich zu ihrem Wohnsitz im Grenzbereich des anderen Staates zurückkehren.

Bestehen nach den zwischen den beteiligten Staaten anzuwendenden Vorschriften eines Abkommens zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen (DBA) gegenüber den allgemeinen Regeln des DBA besondere Regeln für unselbständig tätige Grenzpendler (Arbeitnehmer (AN), so nennt man den insoweit angesprochenen Personenkreis Grenzgänger.

Für diesen Personenkreis, bei dem es sich sowohl um in Deutschland (Steuerinländer) als auch im Ausland ansässige AN (Steuerausländer) handeln kann, enthalten die DBA mit Frankreich, Österreich und der Schweiz Sonderregeln für die Einkünfte aus unselbständiger Arbeit. Danach steht das Besteuerungsrecht an diesen Einkünften regelmäßig dem Ansässigkeitsstaat (und nicht – oder nur begrenzt – dem Tätigkeitsstaat) des AN zu.

Darüber hinaus gewährt das deutsche Einkommensteuerrecht einpendelnden Steuerausländern unter bestimmten Voraussetzungen für ihre in Deutschland steuerpflichtigen Einkünfte die gleichen Vergünstigungen wie Steuerinländern. Inhaltlich ist diese Gleichstellung geprägt durch das EuGH-Urteil im Fall Schumacker.

Einige steuerliche Vergünstigungen (Splittingtarif, Realsplitting) werden allerdings nach dem Wortlaut des Gesetzes nur gewährt, wenn der Empfänger/der Ehegatte von bestimmten Leistungen seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt innerhalb der EU / des EWR hat. Soweit hierdurch auch Grenzpendler bzw. -gänger aus der Schweiz mit deutscher Staatsangehörigkeit von steuerlichen Vergünstigungen ausgeschlossen werden, verstößt die Regelung gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 15 DBA-Schweiz. Die Finanzverwaltung gewährt die Vergünstigungen des § 1a EStG daher unter bestimmten Voraussetzungen auch Grenzpendlern bzw. -gängern aus der Schweiz.

Umgekehrt sieht auch das Recht anderer EU-Staaten entsprechende Gleichstellungen vor (z.B. die Niederlande.: https://www.belastingdienst.nl

II. Auslandstätigkeit von Steuerinländern

1. Einkommensteuerpflicht von Grenzpendlern aus Deutschland

Die Aufnahme einer Auslandstätigkeit als Grenzpendler lässt die unbeschränkte deutsche Einkommensteuerpflicht gem. § 1 Abs. 1 EStG unberührt, weil

  • sowohl ein Wohnsitz in Deutschland beibehalten wird

  • als auch der gewöhnliche Aufenthalt in Deutschland unverändert vorliegt.

Der Besteuerung im Rahmen der unbeschränkten deutschen Einkommensteuerpflicht unterliegt grundsätzlich das jeweils erzielte Welteinkommen.

2. Doppelbesteuerungsabkommen

Deutschland vermeidet durch DBA mit seinen Nachbarstaaten eine doppelte Besteuerung des Grenzgängerlohns.

Bei den DBA mit den (unmittelbaren) Nachbarstaaten ist zu unterscheiden:

  • Nachbarstaaten ohne besondere Grenzgängerregel im DBA mit Deutschland sind

    • Dänemark

    • Polen

    • Tschechische Republik (Fortgeltung des DBA-Tschechoslowakei)

    • Italien

    • Belgien

    • Luxemburg

    • Niederlande

    Im Verhältnis zu diesen Staaten steht das Besteuerungsrecht am Grenzpendlerlohn dem jeweiligen ausländischen Tätigkeitsstaat zu, weil der Arbeitgeber dort ansässig ist.

    Der ausländische Tätigkeitsstaat besteuert den Grenzpendlerlohn grundsätzlich in einer der deutschen beschränkten Einkommensteuerpflicht vergleichbaren Weise.

    EU-Mitgliedstaaten gewähren jedoch – unter der Voraussetzung, dass mindestens 90 v.H. des Gesamteinkommens im Tätigkeitsstaat erzielt werden – eine Gleichstellung mit den jeweiligen Steuerinländern (siehe dazu z.B. https://www.belastingdienst.nl

    Deutschland (= Ansässigkeitsstaat) stellt den durch die Auslandstätigkeit erzielten Grenzpendlerlohn unter Progressionsvorbehalt steuerfrei.

  • Nachbarstaaten mit besonderer Grenzgängerregel im DBA mit Deutschland sind

    • Österreich

    • Frankreich

    • Schweiz

    Voraussetzung für die Anwendung der Grenzgängerregel ist für die DBA mit Österreich und Frankreich, dass die Tätigkeit innerhalb bestimmter Grenzzonen ausgeübt wird. Diese betragen für

  • Österreich: 30 km diesseits (Wohnsitz) und 30 km jenseits der Grenze (Arbeitsplatz)

  • Frankreich: 20 km diesseits (Wohnsitz) und 20 km jenseits der Grenze (Arbeitsplatz). Die betroffenen Orte sind in der deutsch-französischen Konsultationsvereinbarungsverordnung aufgelistet.

    Darüber hinaus muss der Grenzgänger grundsätzlich täglich zu seinem Wohnsitz zurückkehren. Unschädlich für die Anwendung der Grenzgängerregel ist

  • für die DBA mit Österreich und Frankreich, wenn an nicht mehr als 45 Tagen keine Rückkehr zum Wohnsitz stattfindet oder der Arbeitnehmer außerhalb der Grenzzone für den Arbeitgeber tätig ist

  • für das DBA mit der Schweiz, wenn an nicht mehr als 60 Tagen keine Rückkehr zum Wohnsitz stattfindet.

Diese Tage werden als „Nichtrückkehrtage” bezeichnet.

Zur Anwendung der 45-Tage-Regelung im DBA mit Frankreich ist eine umfangreiche Verständigungsvereinbarung mit Frankreich getroffen worden. In einer Verständigungsvereinbarung mit Österreich sind zur Anwendung der 45-Tage-Regelung besondere Regelungen u.a. für Berufskraftfahrer getroffen worden.

Zur Anwendung der 60-Tage-Regelung im DBA mit der Schweiz haben Deutschland und die Schweiz in einer Konsultationsvereinbarung näher Stellung genommen. Des Weiteren hat sich der BFH in mehreren Urteilen mit der Auslegung befasst.

Abweichend zum Einführungsschreiben zur Neuregelung der Grenzgängerbesteuerung mit der Schweiz hat der BFH in einem Urteil vom die Berechnung der Nichtrückkehrtage näher konkretisiert und damit an eine Entscheidung vom angeknüpft. Danach zählen eintägige Dienstreisen in Drittstaaten (weder Schweiz noch Deutschland) nicht zu den Nichtrückkehrtagen. Ebenso stellen die reinen Rückreisetage von mehrtägigen Dienstreisen in Drittstaaten keine Nichtrückkehrtage dar. Tritt der Arbeitnehmer dagegen die Rückreise an, ohne an demselben Tag am Wohnsitz anzukommen, ist ein Nichtrückkehrtag anzunehmen.

Am wurde allerdings die Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft (KonsVerCHEV) erlassen, welche nach Auffassung der Finanzverwaltung auf alle Fälle ab dem Besteuerungszeitraum 2010 anzuwenden ist. Danach sollen eintägige Geschäftsreisen in Drittstaaten stets zu den Nichtrückkehrtagen zählen.

Zu berücksichtigen ist allerdings, dass der BFH Konsultationsvereinbarungen nur dann zur Auslegung eines DBA heranzieht, wenn sie dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Regelung eines DBA nicht widersprechen. Dies ist aber bei der entsprechenden Regelung der Konsultationsvereinbarung der Fall. Dies gilt auch dann, wenn die Konsultationsvereinbarung auf der Grundlage von § 2 Abs. 2 AO als Rechtsverordnung erlassen worden ist, da derartige Rechtsverordnungen nach Auffassung des I. Senats des BFH mangels hinreichender Bestimmtheit des § 2 Abs. 2 AO nichtig sind.

Für das DBA-Frankreich – und konkret für einen in Frankreich wohnenden, in Deutschland mit seinen Arbeitseinkünften beschränkt Steuerpflichtigen – hat der BFH dagegen im Streitfall I R 84/08 angenommen, dass Dienstreisetage auch bei einer Rückkehr an den Wohnsitz in die Berechnung der Nichtrückkehrtage einzubeziehen sind, wenn der Steuerpflichtige ganztägig außerhalb der im Abkommen festgelegten Grenzzone gearbeitet hat. Keine Nichtrückkehrtage sind Krankheitstage während einer mehrtägigen Dienstreise. Dienstreisetage, die auf Wochenenden oder Feiertage entfallen, gehören demgegenüber nach beiden DBA regelmäßig nicht zu den Nichtrückkehrtagen. Um einen Nichtrückkehrtag handelt es sich auch, wenn der Arbeitnehmer während der Dienstreise infolge höherer Gewalt daran gehindert ist, seine Arbeitsleistung zu erbringen; im Streitfall I R 84/08 war dies eine „Taifunwarnung”.

Ausführlich zu weiteren Fallgestaltungen der Grenzgängerregelung im DBA Frankreich siehe

Informationen für Grenzpendler zwischen Deutschland und Frankreich auch zu arbeitsrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Fragen: http://www.frontalierslorraine.eu

Im Verhältnis zu den Staaten mit Grenzgängerregelung steht das Besteuerungsrecht am Grenzgängerlohn Deutschland (= Ansässigkeitsstaat des AN) zu.

Die Schweiz (= Tätigkeitsstaat) erhebt eine zusätzliche Quellensteuer von 4,5 v.H. auf die Bruttoarbeitsvergütungen der Grenzgänger. Deutschland (= Ansässigkeitsstaat) vermeidet insoweit eine Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung.

3. Lohnsteuerabzug/Veranlagung

Da keine Lohnsteuerabzugsverpflichtung des ausländischen Arbeitgebers (AG) besteht, erfolgt die Besteuerung in Deutschland durch

  • Festsetzung von Vorauszahlungen und

  • Veranlagung.

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