Zu § 4 Nr. 25 UStG
4.25.1. Leistungen im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe
(1) 1Die Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 25 Satz 1 UStG umfasst die Leistungen der Jugendhilfe nach § 2 Abs. 2 SGB VIII und die Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII. 2Unter § 2 Abs. 2 SGB VIII fallen folgende Leistungen:
Angebote der Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit und des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes (§§ 11 bis 14 SGB VIII);
Angebote zur Förderung der Erziehung in der Familie (§§ 16 bis 21 SGB VIII);
Angebote zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege (§§ 22 bis 25 SGB VIII);
Hilfe zur Erziehung und ergänzende Leistungen (§§ 27 bis 35, 36, 37, 39, 40 SGB VIII);
Hilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche und ergänzende Leistungen (§§ 35a bis 37, 39, 40 SGB VIII);
Hilfe für junge Volljährige und Nachbetreuung (§ 41 SGB VIII).
3Mit Wirkung vom 1. 11. 2015 wurde der Inobhutnahme von ausländischen Kindern und Jugendlichen nach § 42 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII die vorläufige Inobhutnahme von ausländischen Kindern und Jugendlichen nach unbegleiteter Einreise nach § 42a SGB VIII vorgeschaltet. 4Da es sich hierbei ebenfalls um Leistungen der Jugendhilfe handelt, sind diese Leistungen nach § 42a SGB VIII unter den weiteren Voraussetzungen des § 4 Nr. 25 UStG ebenso wie die Leistungen der Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII umsatzsteuerfrei.
Begünstigte Leistungserbringer
(2) 1Die vorgenannten Leistungen sind steuerfrei, wenn sie durch Träger der öffentlichen Jugendhilfe (§ 69 SGB VIII) oder andere Einrichtungen mit sozialem Charakter erbracht werden. 2Der Begriff der „anderen Einrichtung mit sozialem Charakter“ entspricht der Formulierung der maßgeblichen unionsrechtlichen Grundlage (Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe h MwStSystRL). 3Auf der Grundlage der dort eingeräumten Befugnis der Mitgliedstaaten sind insoweit anerkannt:
von der zuständigen Jugendbehörde anerkannte Träger der freien Jugendhilfe (§ 75 Abs. 1 SGB VIII), die Kirchen und Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts;
1bestimmte weitere Einrichtungen soweit sie
1für ihre Leistungen eine im SGB VIII geforderte Erlaubnis besitzen. 2Insoweit handelt es sich um die Erlaubnistatbestände des § 43 SGB VIII (Erlaubnis zur Kindertagespflege), § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII (Erlaubnis zur Vollzeitpflege), § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII (Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung, in der Kinder oder Jugendliche ganztägig oder für einen Teil des Tages betreut werden oder Unterkunft erhalten) und § 54 SGB VIII (Erlaubnis zur Übernahme von Pflegschaften oder Vormundschaften durch rechtsfähige Vereine). 3Eine Betriebserlaubnis, die einer Einrichtung nach § 45 SGB VIII erteilt wurde, gilt auch als Erlaubnis für eine sonstige Wohnform im Sinne des § 48a Abs. 2 SGB VIII, wenn sie in der Erlaubnis ausdrücklich aufgeführt ist. 4Das gilt auch bei einem Wechsel einer sonstigen Wohnform im Sinne des § 48a Abs. 2 SGB VIII, wenn die zuständige Behörde bestätigt hat, dass die Einrichtung ihrer Anzeigepflicht nachgekommen ist und der Unternehmer die für die Tätigkeit notwendige Eignung besitzt. 5Die Ausführungen zur Wirkung der Betriebserlaubnis in den Sätzen 3 und 4 gelten sinngemäß auch für einen Unternehmer, der vom Träger einer Jugendhilfeeinrichtung mit der pädagogischen Leitung dieser Einrichtung beauftragt wurde,
1für ihre Leistungen einer Erlaubnis nach SGB VIII nicht bedürfen. 2Dies sind die in § 44 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII geregelten Fälle der Vollzeitpflege sowie der Betrieb einer Einrichtung nach § 45 SGB VIII, allerdings nur, wenn es sich um eine Jugendfreizeiteinrichtung, eine Jugendausbildungseinrichtung, eine Jugendherberge oder ein Schullandheim im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB VIII oder um ein landesgesetzlich der Schulaufsicht unterstehendes Schülerheim im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB VIII handelt. 3Ausgenommen sind somit die Einrichtungen im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB VIII, die außerhalb der Jugendhilfe liegende Aufgaben für Kinder oder Jugendliche wahrnehmen,
1Leistungen erbringen, die im vorangegangenen Kalenderjahr ganz oder zum überwiegenden Teil von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe (§ 69 SGB VIII), anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe (§ 75 Abs. 1 SGB VIII) oder Kirchen und Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts vergütet wurden. 2Eine Vergütung in diesem Sinne kann nicht nur bei einer unmittelbaren, sondern auch bei einer mittelbaren (durchgeleiteten) Kostentragung vorliegen (vgl. BFH-Urteil vom 22. 6. 2016, V R 46/15, BStBl 2023 II S. 776). 3Das ist dann der Fall, wenn die zuvor genannten Träger und Einrichtungen in Kenntnis der Person des Subunternehmers auf der Grundlage einer expliziten Entscheidung die Kosten für dessen Leistungen übernehmen. 4Vergütet der Kostenträger Leistungen einer Einrichtung, ohne die Kosten für den Subunternehmer ausdrücklich zu übernehmen, so sind die Leistungen des Subunternehmers nicht als von einem Träger der öffentlichen oder freien Jugendhilfe vergütet anzusehen (vgl. BFH-Urteile vom 13. 6. 2018, XI R 20/16, BStBl 2023 II S. 786, und vom 24. 2. 2021, XI R 30/20 (XI R 11/17), BStBl 2023 II S. 792). 5Die Vergütung ist nicht um eine eventuelle Kostenbeteiligung nach §§ 90 ff. SGB VIII, z. B. der Eltern, zu mindern,
1Leistungen der Kindertagespflege erbringen, für die die Einrichtungen nach § 23 Abs. 3 SGB VIII geeignet sind und aufgrund dessen nach § 24 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 SGB VIII vermittelt werden können. 2Da der Befreiungstatbestand insoweit allein darauf abstellt, dass die Einrichtung nach § 23 Abs. 3 SGB VIII als Tagespflegeperson geeignet ist, greift die Steuerbefreiung somit auch in den Fällen, in denen die Leistung „privat“, also ohne Vermittlung durch das Jugendamt, nachgefragt wird,
Adoptionsvermittlungsleistungen nach dem Adoptionsvermittlungsgesetz (AdVermiG) erbringen und hierfür als Adoptionsvermittlungsstellen nach § 4 Abs. 1 AdVermiG anerkannt oder nach § 4 Abs. 2 AdVermiG zugelassen sind.
2Der Begriff „Einrichtungen“ umfasst dabei auch natürliche Personen.
Leistungsberechtigte/-adressaten
(3) 1Das SGB VIII unterscheidet Leistungsberechtigte und Leistungsadressaten. 2Leistungen der Jugendhilfe – namentlich im Eltern-Kind-Verhältnis – sind meist nicht personenorientiert, sondern systemorientiert. 3Sie zielen nicht nur auf die Verhaltensänderung einer bestimmten Person ab, sondern auf die Änderung bzw. Verbesserung des Eltern-Kind-Verhältnisses. 4Deshalb sind leistungsberechtigte Personen
in der Regel die Eltern,
darüber hinaus
Kinder im Rahmen der Förderung in Tageseinrichtungen und in Tagespflege,
Kinder und Jugendliche als Teilnehmer an Veranstaltungen der Jugendarbeit (§ 11 SGB VIII),
Kinder und Jugendliche im Rahmen der Eingliederungshilfe für seelisch Behinderte (§ 35a SGB VIII),
Junge Volljährige im Rahmen von Veranstaltungen der Jugendarbeit (§ 11 SGB VIII) und von Hilfe für junge Volljährige (§ 41 SGB VIII).
5Leistungsadressaten sind bei Hilfen für Eltern regelmäßig auch Kinder und Jugendliche.
(4) 1§ 4 Nr. 25 UStG verzichtet zudem auf eine eigenständige Definition des „Jugendlichen“. 2Umsatzsteuerbefreit können daher auch Leistungen an Personen über 27 Jahren sein, z. B. Angebote der Jugendarbeit (§ 11 SGB VIII), die nach § 11 Abs. 4 SGB VIII in angemessenem Umfang auch Personen einbeziehen, die das 27. Lebensjahr vollendet haben.
(5) bis (9) (weggefallen)
Fundstelle(n):
zur Änderungsdokumentation
XAAAD-54581