Sonderzahlungen im Konzernverbund keine Trinkgelder
Leitsatz
Freiwillige Sonderzahlungen an Arbeitnehmer eines konzernverbundenen Unternehmens sind keine steuerfreien Trinkgelder i.S. des § 3 Nr. 51 EStG.
Gesetze: EStG § 3 Nr. 51
Instanzenzug: (Parallelverfahren in EFG 2005, 852) (Verfahrensverlauf), ,
Gründe
I.
Streitig ist, ob eine Sonderzahlung der Konzernmutter an Arbeitnehmer der Konzerntochter steuerfreies Trinkgeld nach § 3 Nr. 51 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte im Streitjahr als Arbeitnehmer der X GmbH (GmbH) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Y Holding AG (AG) hielt 90,01 % der Anteile der GmbH. Diese Anteile veräußerte die AG im Jahr 2002. Die GmbH informierte im März 2002 ihre Arbeitnehmer über den bevorstehenden Anteilsverkauf und teilte ihnen mit, die AG werde als Dank und Anerkennung jedem Mitarbeiter, der am und am Tag des Anteilsverkaufs in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis zur GmbH stehe, zwei zusätzliche Monatsgehälter zahlen. Die Sonderzahlung sollte nach Vertragsvollzug mit dem nächsten Monatsgehalt nach Steuerabzug ausgezahlt werden. Im Mai 2002 unterrichtete die GmbH ihre Mitarbeiter darüber, dass der Anteilsverkauf vollzogen worden sei und die Anerkennungsprämie der AG mit der Gehaltsabrechnung des Monats Juni 2002 gezahlt werde. Der Kläger erhielt eine Anerkennungsprämie in Höhe von 9 322 € brutto. Die GmbH behielt Lohnsteuer ein. Im streitigen Einkommensteuerbescheid für 2002 behandelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) die Sonderzahlung als steuerpflichtigen Arbeitslohn.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 852 in einem Parallelfall veröffentlichten Gründen ab und ließ die Revision zu.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 3 Nr. 51 EStG. Zu Unrecht habe die Vorentscheidung das Tatbestandsmerkmal des „Dritten” verneint. Entgegen der Rechtsauffassung des FG sei mit der in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassung davon auszugehen, dass Dritter jeder sein könne, der nach zivilrechtlicher Wertung nicht Arbeitnehmer oder Arbeitgeber sei. Dritter in diesem Sinne sei jeder, mit dem der Leistende keinen Arbeitsvertrag geschlossen habe. Arbeitgeber sei derjenige, dem der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung schulde, unter dessen Leitung er tätig werde oder dessen Weisungen er zu befolgen habe. Bei konzernrechtlichen Strukturen bestünden diese Ansprüche nur im Verhältnis zur Konzerntochter. Nur gegenüber diesem Unternehmen habe der Arbeitnehmer Ansprüche auf Zahlung des Arbeitslohns, Lohnfortzahlung oder Urlaubsgeld.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und im Einkommenssteuerbescheid 2002 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 9 322 € steuerfrei zu belassen und die Einkommensteuer dementsprechend herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat die Sonderzahlung zu Recht als einkommensteuerbaren, nicht nach § 3 Nr. 51 EStG steuerfreien Arbeitslohn qualifiziert, weil die streitige Zahlung kein „Trinkgeld” im Sinne der vorgenannten Norm ist.
1. Zum Arbeitslohn gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören nach ständiger Rechtsprechung alle Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Arbeitslohn ist jeder mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumte geldwerte Vorteil, der durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist. Arbeitslohn kann auch bei der Zuwendung eines Dritten anzunehmen sein, wenn diese ein Entgelt „für” eine Leistung bildet, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses für seinen Arbeitgeber erbringt, erbracht hat oder erbringen soll. Voraussetzung ist, dass sie sich für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit für den Arbeitgeber darstellt und im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht (, BFHE 207, 230, BStBl II 2004, 1076, m.w.N.; zu Trinkgeldzahlungen vgl. , BFHE 169, 432, BStBl II 1993, 117, und vom VI R 23/94, BFHE 184, 474, BStBl II 1999, 323). Danach bezog der Kläger auch in Höhe der Sonderzuwendung Arbeitslohn, was zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit ist.
2. Steuerfrei sind nach § 3 Nr. 51 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung ohne betragsmäßige Begrenzung Trinkgelder, die anlässlich einer Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer von Dritten freiwillig und ohne dass ein Rechtsgrund auf sie besteht, zusätzlich zu dem Betrag gegeben werden, der für diese Arbeitsleistung zu zahlen ist.
a) Dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend ist Trinkgeld i.S. des § 3 Nr. 51 EStG eine dem dienstleistenden Arbeitnehmer vom Kunden oder Gast gewährte zusätzliche Vergütung (Küttner/ Griese, Personalbuch 2007, Strichwort Trinkgeld, Rz 1). Es handelt sich um eine freiwillige und typischerweise persönliche Zuwendung an den Bedachten als eine Art honorierende Anerkennung seiner dem Leistenden gegenüber erwiesenen Mühewaltung in der Form eines kleineren Geldgeschenks (, BFHE 77, 433, BStBl 1963, 479; Kruse, Steuer und Wirtschaft 2001, 366; Bowitz, Deutsche Steuer-Zeitung 1995, 553; Blümich/Erhard, § 3 EStG Rz 956; von Beckerarth, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 51 Rz B 51/51; Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, § 3 Nr. 51 EStG Rz 7). Zum Begriff des Trinkgelds gehört es demnach, dass in einem nicht unbedingt rechtlichen, jedenfalls aber tatsächlichen Sinne Geldfluss und honorierte Leistung korrespondierend einander gegenüberstehen, weil die durch die Zuwendung „belohnte” Dienstleistung dem Leistenden unmittelbar zugute kommt. Faktisch steht der Trinkgeldempfänger damit in einer doppelten Leistungsbeziehung und erhält korrespondierend dazu auch doppeltes Entgelt, nämlich das Arbeitsentgelt seitens seines Arbeitgebers und das Trinkgeld seitens des Kunden.
Die bei einer Trinkgeldzahlung typischerweise vorzufindende strukturell doppelte Leistungsbeziehung wird insbesondere mit der Neuregelung der Steuerbefreiung für Trinkgelder durch das Gesetz zur Freistellung von Arbeitnehmertrinkgeldern (Gesetz vom , BGBl I 2002, 3111) anschaulich. Die damit in § 3 Nr. 51 EStG eingefügten tatbestandlichen Präzisierungen „anlässlich einer Arbeitsleistung” und „zusätzlich zu dem Betrag ..., der für diese Arbeitsleistung zu zahlen ist” setzen die dem Arbeitgeber erbrachte Arbeitsleistung gleichsam als Hauptleistung voraus und sehen das Trinkgeld als Entgelt für eine anlässlich dieser Arbeit offenbar zusätzlich erbrachte Leistung an. Der Gesetzgeber sah sich zu dieser tatbestandlichen Präzisierung insbesondere angesichts der rückwirkend ab eingeführten betragsmäßig unbegrenzten Steuerfreiheit veranlasst, um zu vermeiden, dass reguläre Lohnleistungen durch „Trinkgelder” ersetzt werden können (vgl. BTDrucks 14/9428, 1, 5). Zugleich sah er in diesen Formulierungen auch das geeignete Mittel, klar zwischen Arbeitsentgelt und Trinkgeld abzugrenzen (vgl. BTDrucks 14/9428, 1, 6).
b) Nach diesem Maßstab ist die dem Kläger von der Konzernmuttergesellschaft geleistete und durch seine Arbeitgeberin ausbezahlte Sonderzahlung in Höhe von zwei Monatsgehältern kein steuerfreies Trinkgeld. Denn die zwischen der Arbeitgeberin des Klägers und deren Konzernmuttergesellschaft bestehende Rechts-und Leistungsbeziehung war kein Rechtsverhältnis, das durch ein gast- oder kundenähnliches Dienstleistungs- und Hauptvertragsverhältnis zu charakterisieren wäre und zu dessen Erfüllung sich die Arbeitgeberin ihres Arbeitnehmers bedient hätte. Deshalb war der Kläger als Arbeitnehmer in Erfüllung seines Arbeitsvertrages auch nicht anlässlich einer Arbeitsleistung i.S. des § 3 Nr. 51 EStG für seine Arbeitgeberin und zugleich gegenüber der Konzernmuttergesellschaft in einer Weise tätig, die deren Sonderzahlung zu einer Art honorierenden Anerkennung seiner —des Klägers— Mühewaltung machen könnte.
c) Angesichts dessen konnte im Streitfall dahinstehen, ob bei konzernrechtlichen Strukturen das Tatbestandsmerkmal „Dritter” überhaupt erfüllt sein könnte, ob nach der Neuregelung der Begriff „Trinkgeld” noch eine persönliche Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Dritten voraussetzt (vgl. Senatsbeschluss vom VI B 40/05, BFH/NV 2005, 2190), ob aus dem allgemeinen Sprachgebrauch für die Steuerfreiheit von Trinkgeldern weitere insbesondere betragsmäßige relative und absolute Grenzen folgen, mit deren Überschreiten Zuwendungen nicht mehr die Bezeichnung Trinkgeld im Sinne eines „kleinen” Geldgeschenkes rechtfertigen und welche weiteren Grenzen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes und das daraus folgende Gebot der steuerlichen Lastengleichheit den Steuerbefreiungen von Trinkgeldern setzen (vgl. Senatsurteil vom VI R 43/95, BFHE 188, 65, BStBl II 1999, 361; , BStBl II 1999, 502).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2007 II Seite 712
BB 2007 S. 1486 Nr. 27
BBK-Kurznachricht Nr. 16/2007 S. 855
BFH/NV 2007 S. 1580 Nr. 8
BStBl II 2007 S. 712 Nr. 15
DB 2007 S. 1508 Nr. 27
DStR 2007 S. 1119 Nr. 26
DStRE 2007 S. 865 Nr. 13
DStZ 2007 S. 477 Nr. 15
EStB 2007 S. 280 Nr. 8
FR 2007 S. 976 Nr. 20
GStB 2007 S. 30 Nr. 8
HFR 2007 S. 738 Nr. 8
KÖSDI 2007 S. 15612 Nr. 7
NWB-Eilnachricht Nr. 26/2007 S. 2179
SJ 2007 S. 8 Nr. 18
StB 2007 S. 282 Nr. 8
StBp. 2007 S. 253 Nr. 8
StuB-Bilanzreport Nr. 13/2007 S. 517
VAAAC-47811