BFH Urteil v. - V R 41/04

Nachweis für das Vorliegen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung in sog. Abholfällen; Nachweis des Bestimmungsorts als Gegenstand der Tatsachenwürdigung durch das FG

Leitsatz

1. Nach § 6a UStG 1999 i.V.m. § 17a Abs. 2 UStDV 1999 „soll” die innergemeinschaftliche Lieferung (kumulativ) durch die in Nr. 1 bis 4 der Bestimmung bezeichneten Voraussetzungen nachgewiesen werden.

2. § 17a Abs. 2 UStDV 1999 ist eine Sollvorschrift; dies bedeutet jedoch nur, dass das Fehlen einer der in Abs. 2 aufgeführten Voraussetzungen nicht zwangsläufig zur Versagung der Steuerbefreiung führt und der bezeichnete Nachweis auch durch andere Belege —z.B. durch die auf den Rechnungen ausgewiesene Anschrift des Leistungsempfängers— erbracht werden kann.

3. Die Frage des Nachweises des Bestimmungsorts (§ 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV 1999) ist Gegenstand der Tatsachenwürdigung durch das FG.

Gesetze: UStG 1999 § 6aUStDV 1999 § 17a

Instanzenzug: (EFG 2004, 1802) (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH; ihr Unternehmenszweck ist u.a. das „Recycling” von Altpapier. Sie berechnet die Umsatzsteuer nach vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999UStG 1999—).

Die Klägerin schloss mit einem österreichischen Papierhändler, der Firma H. (H) in Österreich, telefonisch Verträge über den Verkauf von Altpapier, das H im Dezember 2000 mittels eigener LKW in der deutschen Niederlassung der Klägerin in K abholte und —unstreitig— nach Österreich brachte. Die Klägerin erstellte über die Verkäufe an H Rechnungen über insgesamt 62 977 DM, in denen deren österreichische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer genannt und keine Umsatzsteuer ausgewiesen ist. Die Rechnungen enthielten keinen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Umsätze als innergemeinschaftliche Lieferungen.

Die Klägerin erklärte diese Umsätze in ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung für Januar 2001 sowie unter Angabe der zutreffenden Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der H in ihrer zusammenfassenden Meldung nach § 18a Abs. 4 UStG 1999 als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Das damals für die Besteuerung der Klägerin zuständige Finanzamt (FA I) folgte zunächst dieser Voranmeldung.

Aufgrund einer Außenprüfung bei der Klägerin vertrat die Prüferin die Auffassung, die Klägerin habe die Ausfuhr der Ware nach Österreich nicht nachgewiesen. In der Buchführung lagen zunächst nur die Ausgangsrechnungen sowie an die Adresse der H in Österreich adressierte Lieferscheine vor; der Endbestimmungsort der Ware ergab sich daraus nicht. Die Klägerin bat daraufhin H mit Telefax vom unter Auflistung der Rechnungs- und Lieferschein-Nummern, Daten, Warenbezeichnungen und Gewichtsangaben der Warenbewegungen um Angabe des „Verbringungsortes” und des „Empfangslandes”. Mit Telefax vom sandte H das Anschreiben der Klägerin mit dem Zusatz folgenden Textes zurück: „Wir bestätigen hiermit verbindlich, dass wir die nebenstehend aufgeführten ...-Ladungen bei der…(Klägerin) übernommen haben, aus Deutschland ausgeführt und nach Österreich verbracht haben.” Ausweislich des vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommenen, in den Akten des FG abgehefteten Telefaxes vom betrifft diese Bestätigung Lieferungen lt. Lieferscheinen aus der Zeit zwischen 6. und . Weitere Bestätigungen hat das FG nicht festgestellt.

Das FA I hielt diese Bestätigung für unzureichend, weil der „Endbestimmungsort” nicht genannt sei; dies sei bis zur mündlichen Verhandlung vor dem FG nachholbar; es fehle deshalb auch der Buchnachweis der Ausfuhr ins Gemeinschaftsgebiet. Dieser sei nicht mehr nachholbar; die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit als innergemeinschaftliche Lieferung seien nicht erfüllt. Das FA I erfasste deshalb im geänderten Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Januar 2001 diese Umsätze mit dem Netto-Betrag von 54 291 DM und dem Regelsteuersatz.

Den hiergegen erhobenen Einspruch, mit dem die Klägerin u.a. geltend machte, ihr Abnehmer habe als Zwischenhändler ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse daran, den endgültigen Bestimmungsort nicht anzugeben, um den Endabnehmer nicht preisgeben zu müssen, wies der zwischenzeitlich für die Besteuerung der Klägerin zuständig gewordene Beklagte und Revisionskläger (das FA) unter Hinweis auf das (BFHE 199, 80, BStBl II 2003, 616) als unbegründet zurück. Zur Begründung führte das FA aus, sowohl § 17a Abs. 2 Nr. 2 als auch § 17c Abs. 2 Nr. 9 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999 (UStDV 1999) verlangten die Angabe des Bestimmungsortes im übrigen Gemeinschaftsgebiet.

Gegenstand des anschließenden Klageverfahrens war der Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 2001.

Das FG, dessen Urteil in „Entscheidungen der Finanzgerichte” 2004, 1802 abgedruckt ist, gab der Klage statt. Es schloss sich der Auffassung der Klägerin an, in Abholfällen genüge, weil es sich bei § 17a Abs. 2 UStDV 1999 nur um eine Sollvorschrift handele, für den Belegnachweis die Absichtserklärung des Abholers über das Verbringen des Gegenstandes ins übrige Gemeinschaftsgebiet (§ 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV 1999) sowie das Doppel der entsprechenden Rechnungen (§ 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV 1999) und damit die Angabe des Bestimmungslandes; weder die fehlende Angabe des Bestimmungsortes noch der fehlende Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung in den Rechnungen stehe der Steuerbefreiung entgegen.

Die Klägerin habe den Belegnachweis geführt durch die Beibringung der nachgereichten schriftlichen Versicherung der Firma H vom , die sowohl die Ausfuhrversicherung wie auch die Bestätigung des Abnehmers über den Erhalt der Ware enthalte, sowie mit den dem FA bereits während der Umsatzsteuer-Sonderprüfung vorgelegten Rechnungsdoppel und der verwendeten Lieferscheine mit der Adresse des Käufers. Einer Benennung des endgültigen Bestimmungsortes der Warenlieferung im übrigen Gemeinschaftsgebiet (Lieferadresse mit Namen, Ortsangabe und Straßenbezeichnung nebst Hausnummer) —wie dies das FA fordere— bedürfe es jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden nicht.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.

Es trägt hierzu im Wesentlichen vor, § 17a Abs. 2 UStDV 1999 verlange in Abholfällen für den Belegnachweis zusätzlich die Versicherung des Abnehmers, den Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern. Entgegen der Auffassung des FG dürfe weder auf die Angabe des Bestimmungsortes (vgl. § 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV 1999) noch auf die Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten (§ 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV 1999) verzichtet werden. Beide Vorschriften hätten den Zweck, Warenströme zwischen den Mitgliedstaaten leicht und eindeutig zu verfolgen. Mit diesem Zweck sei nicht vereinbar, wenn die Finanzverwaltung der Mitgliedstaaten —wie vom FG— darauf verwiesen würde, zur Verfolgung des exakten Warenweges könnten beim jeweiligen Abnehmer Außenprüfungen durchgeführt werden. Gleiches gelte für den Buchnachweis. Auch dürfe die erforderliche Versicherung des Abnehmers i.S. des § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV 1999 nicht rückwirkend vorgelegt werden.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.

Die Klägerin hat zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung am vor dem erkennenden Senat eine Bestätigung der H vom vorgelegt. Unter Hinweis darauf trägt sie vor, die Bestätigung betreffe die in den Lieferscheinen bezeichneten Lieferungen. Im Übrigen vertritt sie die Auffassung, die Benennung des Bestimmungsortes sei nicht erforderlich; vielmehr genüge es, wenn —wie hier— das Bestimmungsland bezeichnet worden sei; denn § 17a Abs. 2 UStDV 1999 sei eine Sollvorschrift und die Steuerbefreiung als innergemeinschaftliche Lieferung setze nach § 6a UStG 1999 u.a. nur voraus, dass der Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet versendet oder befördert werde. Auch könne der Belegnachweis nachgeholt werden.

II.

Die Revision führt aus anderen als den geltend gemachten Gründen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Die Feststellungen des FG sind widersprüchlich, soweit sie den Zeitpunkt der Lieferung betreffen. Dieser ist für die Entscheidung über die Revision des FA entscheidungserheblich: Sind die streitigen Lieferungen bereits im Dezember 2000 erfolgt, hätte die Revision des FA keinen Erfolg, weil die Lieferungen —ungeachtet der Frage, ob die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung als innergemeinschaftliche Lieferung vorliegen oder nicht— jedenfalls nicht im Umsatzsteuerbescheid für 2001 hätten erfasst werden dürfen (1.). Sind die streitigen Lieferungen dagegen erst im Jahr 2001 ausgeführt worden, hätte die Revision des FA Erfolg, denn dann fehlt es am Belegnachweis für die innergemeinschaftliche Lieferung (2.).

1. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG 1999 entsteht die Steuer —Steuerbarkeit und Steuerpflicht vorausgesetzt— für Lieferungen und sonstige Leistungen bei der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 Satz 1 UStG 1999) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind.

a) Die Regelung entspricht Art. 10 Abs. 1 und 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage —Richtlinie 77/388/EWG— (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— 1977 Nr. L 145/1). Diese Vorschrift lautet —soweit hier von Bedeutung— wörtlich:

Abs. 1: „Im Sinne der Richtlinie gilt als

a) Steuertatbestand: der Tatbestand, durch den die gesetzlichen Voraussetzungen für den Steueranspruch verwirklicht werden;

b) Steueranspruch: der Anspruch, den der Fiskus nach dem Gesetz gegenüber dem Steuerschuldner von einem bestimmten Zeitpunkt ab auf die Zahlung der Steuer geltend machen kann.”

Abs. 2 Satz 1: „Der Steuertatbestand und der Steueranspruch treten zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung des Gegenstandes oder die Dienstleistung bewirkt wird.”

b) Lieferungen eines Unternehmers sind nach § 3 Abs. 1 UStG 1999 —in Übereinstimmung mit Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG— Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Die Verschaffung der Verfügungsmacht ist zwar in der Regel mit dem bürgerlich-rechtlichen Eigentumsübergang auf den Leistungsempfänger verbunden (vgl. , BFHE 211, 50, m.w.N.; vom V R 4/98, BFHE 188, 456, BStBl II 1999, 628, unter II.1.b). Jedoch bezieht sich der Begriff der Lieferung nicht auf die Eigentumsübertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Formen, sondern umfasst jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer (vgl. Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften —EuGH— vom Rs. C-25/03, HE, BFH/NV Beilage 2005, 196, Umsatzsteuer-Rundschau —UR— 2005, 324 Rz 64 ff., m.w.N.; BFH-Urteil in BFHE 211, 50).

Ausgeführt i.S. des § 13 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 UStG 1999 ist eine Lieferung deshalb regelmäßig u.a. dann, wenn der Unternehmer den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über den Gegenstand zu verfügen. Unerheblich für den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer ist deshalb, wann die Rechnung ausgestellt worden ist. Davon zu unterscheiden ist die Frage, wann die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung als innergemeinschaftliche Lieferung erfüllt sind; diese setzt voraus, dass die Ware den Herkunftsstaat tatsächlich verlassen hat und in einen anderen Mitgliedstaat gelangt ist (vgl. Schlussanträge der Generalanwältin vom in der Rs. C-409/04, Teleos plc u.a., Rz 45 und 50).

c) Aus den Feststellungen des FG geht nicht eindeutig hervor, ob die streitigen Lieferungen im Dezember 2000 oder erst im Jahr 2001 ausgeführt worden sind.

Das FG stellt im Tatbestand fest, der Abnehmer, die Firma H, habe die aufgrund der telefonisch abgeschlossenen Verträge verkauften Waren (Altpapier) im Dezember 2000 mittels eigener LKW in der deutschen Niederlassung der Klägerin abgeholt und anschließend nach Österreich verbracht. Diese Feststellung wird bestätigt durch den Inhalt der —durch Erwähnung im Tatbestand ebenfalls i.S. des § 118 Abs. 2 FGO festgestellten (, BFHE 147, 521, BStBl II 1987, 75)— Bestätigung vom der H, die jeweils mit Lieferschein-Nummern einzeln aufgeführten Lieferungen seien von H in der Zeit zwischen 6. und von H übernommen und nach Österreich verbracht worden. Die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Bestätigung hat einen anderen Inhalt als diejenige, die sich in den Akten des FG befindet und auf die das FG Bezug genommen hat. Ein Vortrag neuer Tatsachen kann im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden (vgl. , BFH/NV 2005, 1309, m.w.Nachw.).

aa) Handelt es sich bei den in der Bestätigung vom aufgeführten Lieferungen um die zwischen den Beteiligten streitigen Lieferungen, hätte der Abnehmer, H, bereits im Dezember 2000 —im Zeitpunkt der Abholung— die Verfügungsmacht über die verkauften Waren erhalten. Dieser Beurteilung stünde nicht entgegen, wenn sich die Klägerin —was das FG nicht festgestellt hat— das Eigentum an den Waren bis zur endgültigen Bezahlung vorbehalten hätte; denn auch eine Lieferung unter Eigentumsvorbehalt erfüllt den Tatbestand des § 3 Abs. 1 UStG 1999 (, BFH/NV 1995, 74; vom V B 38/98, BFH/NV 1999, 680). Diese Beurteilung, dass beim Eigentumsvorbehalt der Sicherungscharakter im Vordergrund steht und die Beteiligten —einen vereinbarungsgemäßen Ablauf unterstellt— wirtschaftlich von einer endgültigen Übertragung der Verfügungsmacht ausgehen, steht im Einklang mit Art. 5 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG, wonach als Lieferung auch die Übergabe eines Gegenstandes aufgrund eines Vertrages gilt, der die Vermietung eines Gegenstandes während eines bestimmten Zeitraums oder den Ratenverkauf eines Gegenstandes vorsieht, mit der Klausel, dass das Eigentum spätestens mit Zahlung der letzten Rate erworben wird.

Selbst wenn deshalb —worauf das FA seine Revision stützt— die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 6a UStG 1999 nicht vorlägen, dürften diese Lieferungen jedenfalls nicht im Umsatzsteuerbescheid für 2001 erfasst werden, mit der Folge, dass die Revision des FA zurückzuweisen wäre.

bb) Gleichwohl ist nicht auszuschließen, dass es sich bei den streitigen Lieferungen um solche des Jahres 2001 handeln könnte, denn das FG nimmt gleichzeitig Bezug auf die von der Klägerin zum Nachweis der Lieferung vorgelegten, in den Akten befindlichen Lieferscheine; diese betreffen Lieferungen ab dem . Auch stimmen die in der Bestätigung vom aufgezählten Lieferschein-Nummern nicht mit denen der erwähnten Lieferscheine überein.

2. Handelte es sich bei den zwischen den Beteiligten umstrittenen Lieferungen um die in den Lieferscheinen erwähnten Lieferungen, hätte die Revision des FA Erfolg. Denn dann hätte das FA diese zu Recht im Umsatzsteuerbescheid für 2001 erfasst, weil die Klägerin schon den für die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1 UStG 1999 nach § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV 1999 erforderlichen Nachweis über den Transport der gelieferten Gegenstände in das übrige Gemeinschaftsgebiet nicht erbracht hat.

a) Eine —gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG 1999 steuerfreie— innergemeinschaftliche Lieferung ist nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG 1999 u.a. dann gegeben, wenn

  • der Unternehmer oder sein Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,

  • der Abnehmer ein Unternehmer ist, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat und

  • der Erwerb des Gegenstands der Lieferung beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt.

b) Nach § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG 1999 müssen die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG 1999 vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat (§ 6a Abs. 3 Satz 2 UStG 1999). Dazu ist in § 17a Abs. 1 UStDV 1999 u.a. geregelt worden, dass bei innergemeinschaftlichen Lieferungen der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung durch Belege nachweisen muss, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat; dies muss sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben (sog. Belegnachweis). Nach § 17a Abs. 2 UStDV 1999 soll in den Fällen, in denen der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, der Unternehmer den Nachweis hierüber wie folgt führen:

1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),

2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,

3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten

sowie

4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern.

Dies widerspricht nicht den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben. Nach Art. 28c Teil A erster Satz der Richtlinie 77/388/EWG) ist die Festlegung der Bedingungen für die Gewährung der Steuerbefreiung von innergemeinschaftlichen Lieferungen in die Kompetenz der Mitgliedstaaten gestellt (BFH-Urteil in BFHE 199, 80, BStBl II 2003, 616). Nach der vorbezeichneten Bestimmung befreien die Mitgliedstaaten u.a. die innergemeinschaftliche Lieferung (Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG) „unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsbestimmungen…unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen”.

Diesen Ansprüchen genügen § 6a Abs. 3 Satz 1 und 2 UStG 1999, § 17a Abs. 2 UStDV 1999 (vgl. BFH in BFHE 199, 80, BStBl II 2003, 616).

Entgegen der Auffassung des FG sollen die in Abs. 2 genannten Voraussetzungen —wie sich aus dem Wortlaut ergibt— kumulativ vorliegen. Zwar ist § 17a Abs. 2 UStDV 1999 eine Sollvorschrift; dies bedeutet jedoch nur, dass das Fehlen einer der in Abs. 2 aufgeführten Voraussetzungen nicht zwangsläufig zur Versagung der Steuerbefreiung führt und der bezeichnete Nachweis auch durch andere Belege erbracht werden kann (, BFH/NV 2007, 634). Für die Annahme des FG, in Beförderungsfällen sei der Nachweis nur durch die in Nr. 1 und Nr. 4 bezeichneten Belege zu erfüllen, gibt es keinen Anhaltspunkt (Urteil in BFH/NV 2007, 634).

c) Solange der Belegnachweis nicht geführt ist, kann eine innergemeinschaftliche Lieferung grundsätzlich nicht als steuerfrei behandelt werden (, BFHE 213, 148, BStBl II 2006, 634; vom V B 159/96, BFH/NV 1997, 629).

Im Streitfall fehlt es aufgrund der widersprüchlichen Feststellungen des FG an der Bestätigung des Abnehmers über den Transport der in den vom FG erwähnten Lieferscheinen genannten Lieferungen, denn die bisher vorliegende, vom FG i.S. des § 118 Abs. 2 FGO festgestellte Bestätigung vom bezieht sich nur auf die dort genannten Lieferungen vom Dezember 2000. Der Senat kann deshalb im Streitfall offenlassen, unter welchen Voraussetzungen trotz —grundsätzlich möglicher (hierzu folgend unter 3.)— nachträglicher Erfüllung der Voraussetzungen des § 17a Abs. 2 UStDV 1999 die Steuerbefreiung versagt werden kann, obwohl zweifelsfrei feststeht, dass der Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat gelangt ist (vgl. hierzu Schlussanträge der Generalanwältin vom in der Rs. C-146/05, Albert Collee, Rz 39 ff.).

3. Wegen der widersprüchlichen Feststellungen des FG, die eine abschließende Entscheidung des erkennenden Senats nicht erlauben, kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen, damit das FG die fehlenden Tatsachenfeststellungen nachholen kann.

Das FG wird dabei Folgendes zu berücksichtigen haben:

a) Entgegen der Auffassung des FA scheidet die Steuerbefreiung als innergemeinschaftliche Lieferung nicht schon deshalb aus, weil die Klägerin die Versicherung des Abnehmers nach § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV im Zeitpunkt der Abholung nicht erbracht hat. Das Fehlen dieser Voraussetzung führt zwar grundsätzlich zur Versagung der Steuerfreiheit nach § 6a UStG 1999.

Hat ein Unternehmer aber innergemeinschaftliche Lieferungen i.S. des § 6a Abs. 1 UStG 1999 zweifelsfrei tatsächlichausgeführt, kann der nach § 17a UStDV 1999 erforderliche Belegnachweis bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem FG nachgeholt werden (BFH-Urteil in BFHE 213, 148, BStBl II 2006, 634, m.w.Nachw.; , BFHE 208, 502, BStBl II 2005, 537, Vorlagebeschluss zur Rs. C-146/05, Albert Collee; vgl. auch die Schlussanträge der Generalanwältin vom in der Rs. C-146/05).

Das gilt auch für die Versicherung des Abnehmers nach § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV 1999. Wenn der Unternehmer die tatsächliche Durchführung der innergemeinschaftlichen Lieferung nachgewiesen hat, kann er —ungeachtet dessen, dass die Versicherung nach Nr. 4 bereits bei Abholung schriftlich erklärt werden muss— die Abholung und Verbringung in das übrige Gemeinschaftsgebiet nachträglich bestätigen.

Entgegen der Auffassung des FA ergibt sich aus dem Senatsurteil vom V R 1/04 (BFH/NV 2005, 81) nichts anderes, denn dort ging es allein um die Frage, ob der Unternehmer sich auf § 6a Abs. 4 UStG 1999 berufen kann, wenn Zweifel daran bestehen, ob ein Gegenstand tatsächlich über die Grenze in einen anderen Mitgliedstaat gelangt ist. Für diesen Fall hat der Senat entschieden, dass die Frage, ob der Unternehmer die Unrichtigkeit der Angabe des Abnehmers auch bei Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte, sich erst dann stellt, wenn der Unternehmer seinen Nachweispflichten nach §§ 17a ff. UStDV 1999 vollständig nachgekommen ist (zu den hohen Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Lieferers in Abholfällen vgl. Schlussanträge der Generalanwältin vom in der Rs. C-409/04, Teleos plc u.a., Rz 75 ff.).

b) Wie unter 1. c, bb ausgeführt, kann der Nachweis des Bestimmungsortes auch durch andere Belege erbracht werden; im Urteil in BFH/NV 2007, 634 hat der erkennende Senat z.B. die Würdigung des FG, dass dieser Nachweis durch die auf den Rechnungen ausgewiesene zutreffende Anschrift des Leistungsempfängers erbracht sei, nicht beanstandet.

c) Die Ausstellung einer Rechnung, die den Anforderungen des § 14a Abs. 1 Satz 1 UStG 1999 genügt, also —anders als zunächst im Streitfall— einen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung nach § 6a UStG 1999 enthält, ist nach dem Wortlaut des § 17a Abs. 2 UStDV 1999 („soll”) keine zwingende Voraussetzung für die Steuerfreiheit der Lieferung nach § 6a UStG 1999 (BFH-Urteil in BFHE 213, 148, BStBl II 2006, 634).

Fundstelle(n):
BB 2007 S. 2047 Nr. 38
BB 2007 S. 930 Nr. 17
BBK-Kurznachricht Nr. 10/2007 S. 525
DB 2007 S. 1009 Nr. 18
DStR 2007 S. 754 Nr. 17
DStRE 2007 S. 659 Nr. 10
DStZ 2007 S. 328 Nr. 11
HFR 2007 S. 685 Nr. 7
INF 2007 S. 369 Nr. 10
KÖSDI 2007 S. 15545 Nr. 5
NWB-Eilnachricht Nr. 16/2007 S. 1290
SJ 2007 S. 6 Nr. 11
StB 2007 S. 164 Nr. 5
StuB-Bilanzreport Nr. 9/2007 S. 362
UR 2007 S. 339 Nr. 9
UStB 2007 S. 155 Nr. 6
UVR 2007 S. 165 Nr. 6
CAAAC-42139