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Aufrechnung
Das FA kann mit einer rechtswegfremden Forderung aufrechnen, wenn diese unbestritten oder von der zuständigen Verwaltungsbehörde oder vom zuständigen Gericht rechtskräftig festgestellt worden ist.
I. Definition der Aufrechnung
Unter Aufrechnung versteht man die Verrechnung von sich gegenüberstehenden Zahlungsansprüchen durch einseitige Erklärung eines Beteiligten. Rechtsgrundlage für die Aufrechnung mit und gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ist § 226 AO. § 226 AO ist anwendbar, wenn einer der beteiligten Ansprüche ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis ist; daher ist es zulässig, Steueransprüche gegen privatrechtliche Forderungen aufzurechnen und umgekehrt. Nach § 226 AO finden die Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuchs (§§ 387 bis 396 BGB) sinngemäße Anwendung, sofern nicht § 226 Abs. 2 bis 4 AO abweichende Regelungen enthält.
Voraussetzungen der Aufrechnung sind:
Gleichartigkeit der Forderungen (§ 226 Abs. 1 AO)
Gegenseitigkeit der Forderungen (§ 226 Abs. 1 AO)
Fälligkeit der Forderung des Aufrechnenden (§ 226 Abs. 1 AO), sog. Gegenforderung
Erfüllbarkeit der Forderung des Aufrechnungsgegners (§ 226 Abs. 1 AO), sog. Hauptforderung
Bei Aufrechnung durch den Steuerpflichtigen zusätzlich: Forderung des Steuerpflichtigen muss rechtskräftig oder unbestritten sein (§ 226 Abs. 3 AO)
= sog. Aufrechnungslage
Aufrechnungserklärung (§ 388 BGB)
Die Aufrechnung führt zum Erlöschen der betroffenen Ansprüche, insbesondere auch des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 47 AO).
II. Voraussetzungen der Aufrechnung
1. Gleichartigkeit der Forderungen
Forderungen sind gleichartig, wenn der Gegenstand der Leistung bei beiden Forderungen derselbe ist. Daher kann gegen einen Anspruch auf Zahlung von Geld z.B. nicht mit einem Anspruch auf Herausgabe von Gegenständen oder mit einem in der Vollstreckung gegenständlich beschränkten Haftungsanspruch (z.B. § 74 AO) aufgerechnet werden.
Die Rechtsgrundlage der Forderung muss nicht gleichartig sein. Daher ist es unerheblich, ob der auf Zahlung gerichtete Anspruch privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur ist (so kann der Steuerpflichtige bspw. mit seinem Kaufpreisanspruch aus der Lieferung von Büromaterial gegen den Anspruch auf Einkommensteuernachzahlung aufrechnen).
2. Gegenseitigkeit der Forderungen
Forderungen sind gegenseitig, wenn der Gläubiger der einen Forderung jeweils Schuldner der anderen Forderung ist und umgekehrt. Die Forderungen müssen zwischen denselben Personen bestehen („wechselseitige Identität”).
Auf Seiten der Finanzverwaltung ist Gläubiger/Schuldner grundsätzlich die Körperschaft, der die Ertragshoheit zusteht (Art. 106 GG). Für die Aufrechnung könnten sich hieraus Schwierigkeiten ergeben bei Gemeinschaftssteuern, deren Ertrag mehreren Körperschaften zusteht (z.B. Einkommen- oder Körperschaftsteuer), oder bei Steuern, deren Ertrags- und Verwaltungshoheit auseinanderfallen. Diese Schwierigkeiten werden vermieden durch § 226 Abs. 4 AO, der als Gläubiger/Schuldner auch die Körperschaft fingiert, die den Anspruch verwaltet. Dies sind, je nach Steuerart, der Bund oder das jeweilige Bundesland. § 226 AO ist für die Aufrechnung des Steuerpflichtigen gegen Steueransprüche lex specialis gegenüber § 395 BGB.
3. Fälligkeit der Forderung des Aufrechnenden (sog. Gegenforderung)
Die Forderung des Aufrechnenden muss fällig sein, das heißt, der Aufrechnende muss im Zeitpunkt der Aufrechnung die Zahlung verlangen können. Der Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuerforderungen richtet sich nach den Einzelsteuergesetzen (§ 220 AO), der Zeitpunkt der Fälligkeit von privatrechtlichen Forderungen nach dem BGB (§ 271 BGB).
Mit aufschiebend bedingten oder mit gestundeten Forderungen kann daher nicht aufgerechnet werden, da das Entstehen bzw. die Fälligkeit insoweit hinausgeschoben ist.
Eine Aufrechnung mit verjährten Steuerforderungen ist nicht möglich, da diese Forderungen erloschen sind. Dagegen kann mit verjährten privatrechtlichen Forderungen aufgerechnet werden, wenn die Forderung in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet werden konnte (§ 215 BGB).
Der Steuerpflichtige kann nur mit Forderungen aufrechnen, die rechtskräftig festgestellt sind oder von der (verwaltenden) Behörde nicht bestritten werden.
4. Erfüllbarkeit der Forderung des Aufrechnungsgegners (sog. Hauptforderung)
Die Forderung des Aufrechnungsgegners ist erfüllbar, sobald sie entstanden ist. Nicht erforderlich ist, dass sie vollwirksam und fällig ist. Daher kann z.B. auch gegen anfechtbare oder mit einer Einrede (z.B. der Verjährung, soweit nicht Steueransprüche betroffen sind) behaftete Forderungen aufgerechnet werden.
5. Aufrechnungserklärung
Die Aufrechnung erfolgt durch eine einseitige Erklärung des Aufrechnenden gegenüber dem anderen Teil (§ 388 Abs. 1 BGB).
Die Aufrechnungserklärung ist an keine Form gebunden, sie kann daher schriftlich, mündlich oder durch schlüssiges Handeln abgegeben werden.