Leitsatz
Tritt bei Umwandlungen kraft Gesetzes ein Eigentumsübergang an Grundstücken ein, liegt ein Erwerbsvorgang gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG vor, der mit der Eintragung der Umwandlung ins Handelsregister verwirklicht ist. Der Umwandlungsvertrag sowie die erforderlichen Zustimmungsbeschlüsse ergeben weder einzeln noch zusammen einen früheren Zeitpunkt der Verwirklichung.
Gesetze: GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 3GrEStG § 23 Abs. 4UmwG § 123 Abs. 3
Instanzenzug: (EFG 2003, 877) (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Die Stadt schloss am mit der Stadtwerke GmbH (GmbH), die später auf die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) verschmolzen wurde, einen Ausgliederungs- und Übernahmevertrag, mit dem sie das zu ihrem Bäderbetrieb gehörende Vermögen gegen Gewährung eines Geschäftsanteils im Nennwert von 6 364 500 DM auf die GmbH übertrug. Zu dem übertragenen Vermögen gehörte Grundbesitz. Der Ausgliederung hatten die Stadtverordnetenversammlung im Juli/November und die Gesellschafterversammlung der GmbH am zugestimmt. Die Eintragung ins Handelsregister des Sitzes der GmbH erfolgte im Juni 1997.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) nahm an, durch die Eintragung ins Handelsregister sei bezüglich des übertragenen Grundbesitzes zeitgleich mit der Entstehung der Grunderwerbsteuer ein Erwerbsvorgang gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) i.S. des § 23 Abs. 4 des Gesetzes verwirklicht worden, ermittelte die Gegenleistung anteilig nach der sog. Boruttau'schen Formel mit 5 274 535 DM und setzte die Grunderwerbsteuer durch Bescheid vom nach einem Steuersatz von 3,5 v.H. auf 184 608 DM fest.
Einspruch und Klage, mit denen die GmbH geltend gemacht hatte, der Erwerbsvorgang sei bereits mit Abschluss des Vertrages am i.S. des § 23 Abs. 4 GrEStG verwirklicht worden und daher noch der Steuersatz von 2 v.H. anzuwenden, blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 877 veröffentlichten Urteil aus, zwar seien dem Erwerbsvorgang Rechtsgeschäfte in Gestalt des Vertrages über die Ausgliederung sowie der Zustimmungsbeschlüsse vorausgegangen; diese seien jedoch nicht auf eine Eigentumsverschaffung durch Auflassung und Eintragung im Grundbuch gerichtet gewesen, sondern auf eine Umorganisation des Bäderbetriebes.
Mit der Revision rügt die Klägerin eine fehlerhafte Anwendung des § 23 Abs. 4 GrEStG. Zur Begründung trägt sie vor, nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei ein Erwerbsvorgang dann verwirklicht, wenn das auf einen Erwerbsvorgang abzielende Wollen in rechtsgeschäftliche Erklärungen umgesetzt worden sei, wenn also die Beteiligten im Verhältnis untereinander gebunden seien. Eine derartige rechtsgeschäftlich bewirkte Bindung werde aber auch durch den Abschluss eines Ausgliederungs- und Übernahmevertrages in Verbindung mit den beiderseitigen Zustimmungsbeschlüssen herbeigeführt. Aufgrund dieser Rechtsgeschäfte seien die Vertragspartner nämlich verpflichtet, dafür zu sorgen, dass der ausgegliederte Vermögensteil auf den übernehmenden Rechtsträger übergeht.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Grunderwerbsteuerbescheid vom sowie die Einspruchsentscheidung vom dahin zu ändern, dass die Grunderwerbsteuer auf (105 490 DM) 53 936 € herabgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.
Es trägt vor, es sei widersprüchlich, bei einem Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG, der dadurch gekennzeichnet sei, dass dem Eigentumsübergang kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen sei, auf die Bindungswirkung des jeweiligen Umwandlungsvertrages abzustellen. Wer dies tue, müsse statt eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG einen solchen nach der Nr. 1 der Vorschrift annehmen.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid ist zwar insoweit rechtens, als ihm die Annahme zugrunde liegt, der besteuerte Erwerbsvorgang sei erst mit der Eintragung der Spaltung ins Handelsregister des Sitzes der GmbH verwirklicht worden; er ist jedoch insoweit rechtswidrig, als die Steuer anteilig nach dem Nennwert des erhaltenen Geschäftsanteils anstatt nach den Grundstückswerten gemäß § 138 Abs. 2 oder 3 des Bewertungsgesetzes (BewG) bemessen worden ist.
1. Nach § 23 Abs. 4 GrEStG sind die Vorschriften des § 8 Abs. 2 und des § 11 Abs. 1 des Gesetzes i.d.F. des Jahressteuergesetzes (JStG 1997) vom (BGBl I, 2049) über die Bemessung der Steuer nach den Werten i.S. des § 138 Abs. 2 oder 3 BewG sowie über den Steuersatz erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem verwirklicht worden sind.
a) Für Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, die dadurch gekennzeichnet sind, dass nicht der Eigentumsübergang der Steuer unterliegt, sondern bereits die rechtsgeschäftliche Begründung eines Anspruchs auf Übereignung, hat der BFH ausgesprochen, dass ein Erwerbsvorgang dann i.S. des § 23 GrEStG verwirklicht worden ist, wenn das auf einen Erwerbsvorgang abzielende Wollen in rechtsgeschäftliche Erklärungen umgesetzt worden ist, wenn also die Vertragspartner im Verhältnis zueinander gebunden sind, und zwar unabhängig davon, ob dieser Rechtsvorgang bereits die Entstehung der Steuer auslöst oder nicht (Urteil vom II R 136/84, BFHE 147, 538, BStBl II 1987, 35). Er ist dabei von der Unterscheidung zwischen dem Erwerbsvorgang einerseits und dem Erwerb als dem auf Seiten des Erwerbers eintretenden Erfolg des Erwerbsvorgangs, wie er in den Befreiungsvorschriften der §§ 3 und 4 GrEStG angesprochen ist, andererseits ausgegangen.
b) Diese ausdrücklich für Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG geltende Aussage ist vielfach auch auf solche Erwerbsvorgänge bezogen worden, die nicht in einer rechtsgeschäftlichen Begründung von grunderwerbsteuerrechtlich relevanten (Übertragungs-)Ansprüchen bestehen, sondern am Ende eines durch Rechtsgeschäft eingeleiteten Prozesses kraft Gesetzes eintreten. Die Aussage ist damit auf Sachverhalte erstreckt worden, bei denen es im Rahmen von Umwandlungen kraft Gesetzes entweder wie im Streitfall zum Eigentumswechsel an Grundstücken —und damit zu Erwerbsvorgängen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG— oder zu einer neuen grunderwerbsteuerrechtlichen Zuordnung gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2 und 4 GrEStG gekommen ist (so Erlass des Finanzministeriums Baden-Württemberg vom S 4430/8, Steuererlasse in Karteiform —StEK—, Grunderwerbsteuergesetz 1983, § 23 Nr. 9; Erlass des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom S 4430-48-V A 2, Der Betrieb —DB— 1997, 201, 203; Schuck in Deutsches Steuerrecht —DStR— 1996, 1965; Gottwald in Betriebs-Berater —BB— 2000, 69, 77; Hörger/Mentel/Schulz in DStR 1999, 565, 574; Weilbach, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, Stand Dezember 2003, § 23 Anm. 12). Dem kann jedoch nicht gefolgt werden (vgl. auch Verfügungen der , DStR 1997, 744, und der , StEK, Grunderwerbsteuergesetz 1983, § 23 Nr. 12, sowie Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 8. Aufl. 2004, § 23 Anm. 2; Viskorf in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 15. Aufl. 2002, § 23 Anm. 47 a, und Sigloch in Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1983, 1817, 1821).
c) Die Tatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 4 GrEStG weisen nicht den für Abs. 1 Nr. 1 der Vorschrift eigentümlichen Unterschied zwischen dem Erwerbsvorgang und dem Erwerb als dessen Erfolg auf. Soweit bei Umwandlungen der Eintragung der Verschmelzung, Spaltung oder Vermögensübertragung ins Handelsregister des Sitzes des übernehmenden (§§ 20, 171 des Umwandlungsgesetzes —UmwG—) oder übertragenden (§§ 131, 176 Abs. 3 UmwG) Rechtsträgers entsprechende Umwandlungsverträge und Zustimmungsbeschlüsse vorauszugehen haben (§§ 17, 125, 176 Abs. 1 UmwG), stellen diese Rechtsgeschäfte nicht einen vom Erwerb zu trennenden und ihm vorausgehenden Erwerbsvorgang dar, sondern gehen bereits dem Erwerbsvorgang voraus, der überdies mit dem Erwerb zwingend zusammenfällt. Zwar tritt mit Billigung des Umwandlungsvertrages durch sämtliche zu beteiligenden Anteilsinhaber —Beachtung der vorgeschriebenen Form unterstellt— eine Bindung dergestalt ein, dass die Anteilsinhaber untereinander gebunden und die Leitungsorgane der beteiligten Rechtsträger angewiesen sind, die Umwandlung durchzuführen (Schmitt/Hörtnagl/Stratz, Umwandlungsgesetz, Umwandlungssteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl. 2001, § 13 UmwG Anm. 7); dabei handelt es sich aber um einzelne Schritte des (aus mehreren Teilakten bestehenden) Umwandlungsverfahrens, die auch in ihrer Gesamtheit noch keinen Grunderwerbsteuertatbestand berühren. Die einzelnen Schritte sind zwar jeder für sich rechtsgeschäftlicher Natur, jedoch weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit Rechtsgeschäfte des in § 1 Abs. 1 bis 3 GrEStG angesprochenen Inhalts. Erst recht wäre noch kein Grunderwerbsteuertatbestand berührt, wenn der Umwandlungsvertrag zulässigerweise (§ 7 UmwG) unter einer aufschiebenden Bedingung stünde.
d) Das Tatbestandsmerkmal des Verwirklichens i.S. des § 23 Abs. 4 GrEStG lässt sich somit im Auslegungswege nicht auf Umwandlungen erstrecken, die bereits bis zur Eintragungsreife gediehen sind. Für eine entsprechende Anwendung des § 23 Abs. 4 GrEStG bieten insbesondere diejenigen Rechtsträgerwechsel kraft Gesetzes, die wie im Streitfall mit Eintragung in ein öffentliches Register eintreten, keine Anhaltspunkte. Sie zeichnen sich durch die für eine Übergangsregelung vorteilhafte Eigenschaft aus, zeitlich genau bestimmbar zu sein. Es verstieße daher gegen den Zweck einer Übergangsregelung, die ohne großen Aufwand die Ermittlung des anzuwendenden Rechts ermöglichen soll, diesen Vorteil aufzugeben, um sich ggf. mit der Wirksamkeit der Mitwirkung einzelner Anteilsinhaber an den Zustimmungsbeschlüssen zu befassen.
2. Gemäß diesen Grundsätzen ist der Erwerbsvorgang im Streitfall erst mit Eintragung der Ausgliederung des Bäderbetriebes ins Handelsregister des Sitzes der GmbH im Juni 1997 verwirklicht worden. Mit der Eintragung wurden gemäß § 171 UmwG die Rechtswirkungen der Ausgliederung nach § 131 UmwG ausgelöst, zu denen gemäß Abs. 1 Nr. 1 der Vorschrift der Übergang des ausgegliederten Teils des Vermögens der Stadt als Gesamtheit auf die GmbH gehörte. Der Übergang war mit einem Eigentumswechsel bezüglich des in diesem Teilvermögen enthaltenen Grundbesitzes —und damit mit einem Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG— verbunden. Die Verwirklichung des Erwerbsvorgangs im Juni 1997 führt gemäß § 23 Abs. 4 GrEStG zur Maßgeblichkeit des § 8 Abs. 2 und § 11 Abs. 1 GrEStG i.d.F. des JStG 1997. Das bedeutet zum einen die Anwendung des auf 3,5 v.H. erhöhten Steuersatzes gemäß § 11 Abs. 1 GrEStG und zum anderen gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG die Bemessung der Steuer nach den Grundstückswerten i.S. des § 138 Abs. 2 oder 3 BewG. Da das FG die Maßgeblichkeit der Grundstückswerte für die Bemessungsgrundlage verkannt hat und stattdessen vom anteiligen Wert des erhaltenen Geschäftsanteils an der GmbH ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben.
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Dem FG ist Gelegenheit zu geben, die gesonderte Feststellung der Grundstückswerte nachzuholen. Zu diesem Zweck ist die Sache an das FG zurückzuverweisen; dieses wird das Verfahren gemäß § 74 FGO aussetzen müssen, um dem FA die Feststellung der Grundstückswerte zu ermöglichen (vgl. dazu BFH-Entscheidungen vom II B 176/03, BFHE 203, 507, BStBl II 2004, 204, unter II.3.b, sowie vom VIII R 29/71, BFHE 118, 135, BStBl II 1976, 396, 398).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2006 II Seite 137
BB 2006 S. 85 Nr. 2
BFH/NV 2006 S. 204 Nr. 1
BStBl II 2006 S. 137 Nr. 4
DB 2006 S. 29 Nr. 1
DStRE 2006 S. 113 Nr. 2
DStZ 2006 S. 8 Nr. 1
HFR 2006 S. 177 Nr. 2
INF 2006 S. 88 Nr. 3
KÖSDI 2006 S. 14938 Nr. 1
NWB-Eilnachricht Nr. 50/2005 S. 4245
SJ 2006 S. 8 Nr. 2
StB 2006 S. 5 Nr. 1
StBW 2005 S. 7 Nr. 25
StuB-Bilanzreport Nr. 24/2005 S. 1065
UVR 2006 S. 201 Nr. 7
KAAAB-71707