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Verschmelzung
I. Definition der Verschmelzung
Als Verschmelzung bezeichnet das Gesetz die Übertragung des gesamten Vermögens eines oder mehrerer Rechtsträger auf einen anderen Rechtsträger. Sie kann im Wege der Aufnahme durch einen bereits bestehenden oder im Wege der Neugründung auf einen neu zu gründenden Rechtsträger erfolgen. Dabei geht das Vermögen unter Auflösung – aber ohne Abwicklung des übertragenden Rechtsträgers – auf den übernehmenden Rechtsträger gegen Gewährung von Gesellschaftsanteilen an die Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers über. Verschmelzungen können sowohl aufwärts (= Tochtergesellschaft auf Muttergesellschaft), abwärts (= Muttergesellschaft auf Tochtergesellschaft, sog. "down-stream-merger") als auch seitwärts (= Verschmelzung auf Schwestergesellschaft oder auf gesellschaftlich bislang nicht verbundene Gesellschaft, sog. "side-step-merger) erfolgen.
Handelsrechtlich kann
eine Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft bzw. ihren Alleingesellschafter,
eine Kapitalgesellschaft auf eine andere Kapitalgesellschaft,
eine Personengesellschaft auf eine Kapitalgesellschaft sowie
eine Personengesellschaft auf eine andere Personengesellschaft
verschmolzen werden.
Nach den Regelungen des Umwandlungsrechts können nur Rechtsträger mit Sitz im Inland umgewandelt werden. Die herrschende Meinung geht davon aus, dass der Gesetzgeber mit dieser Regelung die grenzüberschreitende Verschmelzung nicht für unzulässig erklären wollte, sie allerdings auch nicht geregelt oder geklärt hat. Der Rat der EU hat am die Richtlinie über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften - Personenhandelsgesellschaften werden von der Richtlinie nicht erfasst - aus verschiedenen Mitgliedstaaten (Richtlinie 2005/56/EG;Verschmelzungsrichtlinie) verabschiedet, die am in Kraft getreten ist und von den Mitgliedstaaten innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umzusetzen ist. Sie soll insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen – in Deutschland in der Rechtsform der GmbH, der AG und der KGaA - grenzüberschreitende Umwandlungen ermöglichen.
Die Bundesrepublik Deutschland hat diese Richtlinie mittlerweile in den §§ 122a – 122l UmwG sowie im Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung (MgVG) in nationales Recht umgesetzt.
Nach den durch das SEStEG vorgenommenen Rechtsänderungen wird der Anwendungsbereich des UmwStG in Abkehr von der vormaligen Gesetzeslage, nach der es nur auf Umwandlungsvorgänge zwischen unbeschränkt steuerpflichtigen Rechtsträgern Anwendung fand , nunmehr auf Gesellschaften und natürliche Personen ausgedehnt, die in der EU oder im EWR ansässig sind.
Grenzüberschreitende und Auslandsumwandlungen werden von den Vorschriften des UmwStG nunmehr erfasst, wenn die entsprechenden Vorgänge ihrem Wesen nach in Bezug auf die beteiligten Rechtsträger und die durch den Umwandlungsvorgang eintretenden Rechtsfolgen einer im inländischen UmwStG geregelten Umwandlungsart entsprechen. Das UmwStG enthält hier als lex specialis neben den Regelungen des KStG und des EStG spezielle Entstrickungsregelungen, die immer dann eine Abwicklung der Vorgänge zum gemeinen Wert vorsehen, wenn das inländische Besteuerungsrecht durch die Umwandlung entfällt oder eingeschränkt wird.
Gehrmann, Umwandlungsteuerrecht, infoCenter
Kusch, Verschmelzung, Grundlagen
Klein/Müller/Lieber, Änderung der Unternehmensform, 11. Aufl. 2017, NWB
Junge, Lehrbuch Umwandlungssteuerrecht, 4. Aufl. 2017, NWB
Weber, Fallsammlung Umwandlungssteuerrecht, 6. Aufl. 2017, NWB
Ettinger/Schmitz, Umstrukturierungen im Bereich mittelständischer Unternehmen, 4. Aufl. 2018, NWB
Eisgruber, Umwandlungsteuergesetz Kommentar, 2. Aufl. 2018, NWB
II. Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft
Während die Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf eine bestehende Personengesellschaft zivilrechtlich im Wege der Aufnahme erfolgt, setzt die Verschmelzung zur Neugründung einer Personengesellschaft voraus, dass eine Kapitalgesellschaft zusammen mit einer anderen Kapital- oder Personengesellschaft auf eine neu zu gründende Personengesellschaft verschmolzen wird. Das Umwandlungssteuergesetz behandelt beide Fälle als Vermögensübertragung von einer Körperschaft auf eine Personengesellschaft.
Hinsichtlich der steuerlichen Konsequenzen ist zwischen der Ebene der übertragenden Kapitalgesellschaft und derjenigen der übernehmenden Personengesellschaft bzw. der ihrer Gesellschafter zu unterscheiden.
1. Behandlung bei der übertragenden Kapitalgesellschaft
Nach der gesetzlichen Konzeption sind in der steuerlichen Übertragungsbilanz die übergehenden Wirtschaftsgüter grundsätzlich mit ihrem gemeinen Wert anzusetzen. Werden die durch die Verschmelzung oder im Wege des Formwechsels übergehenden Wirtschaftsgüter jedoch Betriebsvermögen der Übernehmerin , besteht insoweit ein inländisches Besteuerungsrecht. Werden nur Gesellschaftsrechte als Gegenleistung für die Übertragung gewährt , können sie auf Antrag mit dem Buch- oder einem Zwischenwert angesetzt werden, so dass Inlandsumwandlungen regelmäßig ohne Gewinnrealisierung zum Buchwert vorgenommen werden können.Eine Bindung an die Wertansätze in der Handelsbilanz besteht insoweit nicht.
Ein etwaiger Übertragungsgewinn unterliegt grds. als laufender Gewinn der Körperschaft- und Gewerbesteuer.
2. Behandlung bei der übernehmenden Personengesellschaft
Die übernehmende Personengesellschaft hat die auf sie übergegangenen Wirtschaftsgüter mit dem in der steuerlichen Schlussbilanz der Kapitalgesellschaft enthaltenen Wert in ihre Bilanz zu übernehmen.
Sie tritt hinsichtlich
der Absetzungen für Abnutzung,
der erhöhten Absetzungen,
der Sonderabschreibungen,
der Inanspruchnahme von steuerlichen Bewertungsfreiheiten oder eines Bewertungsabschlags,
der steuerfreien Rücklagen
in die Rechtsstellung der übertragenden Kapitalgesellschaft ein.
Ein ggf. vorhandener körperschaft- oder gewerbesteuerlicher Verlustvortrag, ein Zinsvortrag sowie ein EBITDA-Vortrag bei der übertragenden Kapitalgesellschaft geht jedoch nicht auf die Personengesellschaft über.
a) Steuerliche Rückwirkung
Das Einkommen der an einer Umwandlung beteiligten Rechtsträger ist so zu ermitteln, als sei das Vermögen der übertragenden Kapitalgesellschaft mit Ablauf des Stichtags der Bilanz, die dem Vermögensübergang zugrunde liegt (steuerlicher Übertragungsstichtag), auf die übernehmende Personengesellschaft übergegangen. Abweichend vom handelsrechtlichen Umwandlungsstichtag als dem Zeitpunkt, von dem an die Handlungen des übertragenden als für Rechnung des übernehmenden Rechtsträgers vorgenommen gelten, ist der steuerliche Übertragungsstichtag zwingend der Tag, auf den der übertragende Rechtsträger die Schlussbilanz aufzustellen hat .
Die Verschmelzung darf nur dann im Handelsregister eingetragen werden, wenn die Schlussbilanz auf einen höchstens 8 Monate vor der Anmeldung liegenden Stichtag aufgestellt worden ist.
Durch das Corona-Steuerhilfegesetz war u.a. dieser Rückwirkungszeitraum für Umwandlungen, für die die Anmeldung zur Eintragung ins Handelsregister oder der Abschluss des Einbringungsvertrages vor dem erfolgt war, von 8 auf 12 Monate verlängert worden (§ 27 Abs. 15 UmwStG). Nach der Verordnung zur Verlängerung von Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie vom (BGBl 2020 I S. 2258) kann auch in 2021 einer Verschmelzung eine Schlussbilanz zugrundegelegt werden, die auf einen 12 Monate vor der Anmeldung der Verschmelzung zum Handelsregister liegenden Stichtag aufgestellt wurde.
b) Ermittlung des Übernahmegewinns
Auf der Ebene der Personengesellschaft wird ein Übernahmegewinn bzw. –verlust als Unterschiedsbetrag zwischen dem Wert, mit dem die übergegangenen Wirtschaftsgüter zu übernehmen sind, abzüglich der Kosten für den Vermögensübergang und dem Buchwert der Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft ermittelt. Bei der übernehmenden Personengesellschaft ist auch der bei der übertragenden Kapitalgesellschaft aktivierte Anspruch auf die ratierliche Auszahlung des KSt-Guthabens bzw. eine etwaige Verbindlichkeit aus einem KSt-Erhöhungsbetrag als Bestandteil des Übernahmegewinns bzw. -verlusts zu erfassen. Ein Übernahmegewinn vermindert sich – bzw. ein Übernahmeverlust erhöht sich – um die Bezüge, die nach § 7 UmwStG zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören. Hierzu rechnen die offenen Rücklagen der übertragenden Kapitalgesellschaft.
Ein Übernahmeergebnis ist nur für Anteile zu ermitteln, die am steuerlichen Übertragungsstichtag zum Betriebsvermögen – einschließlich einem Sonderbetriebsvermögen – der übernehmenden Personengesellschaft gehören. Das Übernahmeergebnis ist auf der Ebene der Personengesellschaft – gesellschafterbezogen – zum Ablauf des Übertragungsstichtags zu ermitteln und wird im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung festgestellt.
Anteilseigner, die die Anteile an der Überträgerin im Privatvermögen halten, nehmen an der Ermittlung des Übernahmegewinns oder –verlustes nicht teil. Sie haben jedoch den auf sie entfallenden Anteil an den offenen Rücklagen der Überträgerin als Kapitalertrag zu versteuern (vgl. hierzu unten 2.5).
Die steuerliche Zuordnung der durch die Verschmelzung entstehenden Kosten des übertragenden wie des übernehmenden Rechtsträgers richtet sich nach dem objektiven Veranlassungszusammenhang. Nach Verwaltungsauffassung sind objektbezogene Kosten der Verschmelzung – wie z.B. die Grunderwerbsteuer – beim übernehmenden Rechtsträger als Anschaffungsnebenkosten aktivierungspflichtig.
c) Steuerliche Behandlung des Übernahmeergebnisses
Soweit der Übernahmegewinn auf Anteile Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse als Mitunternehmer der übernehmenden Personengesellschaft entfällt, bleibt er in der Regel zu 95% steuerfrei. Bei natürlichen Personen als Mitunternehmer der übernehmenden Personengesellschaft greift das Teileinkünfteverfahren, so dass der Übernahmegewinn zu 40% steuerfrei bleibt. Da der Übernahmegewinn nicht der Gewerbesteuer unterliegt, ist er nicht nach § 35 EStG begünstigt. Zur Vermeidung von Missbräuchen wird der Übernahmegewinn allerdings nachträglich gewerbesteuerpflichtig, wenn innerhalb von 5 Jahren nach der Verschmelzung eine Betriebsaufgabe oder Veräußerung des Betriebes erfolgt. Von der Missbrauchsklausel erfasst werden auch die Aufgabe eines Teilbetriebs und die Veräußerung eines Anteils an der übernehmenden Personengesellschaft.
d) Der sog. Übernahmefolgegewinn
Führt die Verschmelzung zu einer Vereinigung von Gläubiger und Schuldner in einer Person, führt diese sog. Konfusion zu einem Übernahmefolgegewinn, wenn die Wertansätze voneinander abweichen. Dies ist z. B. aufgrund einer vorgenommenen Abschreibung auf eine Forderung bei der Personenhandelsgesellschaft bei weiter bestehendem Ausweis der entsprechenden Verbindlichkeit zum Nominalwert bei der Kapitalgesellschaft der Fall. Dieser Übernahmefolgegewinn, der auch der Gewerbesteuer unterliegt, ist in vollem Umfang steuerpflichtig.
Für diesen Übernahmefolgegewinn darf die Personengesellschaft eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage bilden. Diese Rücklage ist in den folgenden 3 Jahren zu mindestens je einem Drittel gewinnerhöhend aufzulösen. Die Vergünstigung entfällt rückwirkend, wenn die übernehmende Personengesellschaft den auf sie übergegangenen Betrieb innerhalb von 5 Jahren nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag in eine Kapitalgesellschaft einbringt oder ohne triftigen Grund veräußert oder aufgibt.
Bei der Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf den Alleingesellschafter entsteht ein Übernahmefolgegewinn durch den Zwang, eine für den Gesellschafter gebildete Pensionsrückstellung aufzulösen. Bei der Verschmelzung auf eine Personengesellschaft kann diese hingegen fortgeführt werden. Zuführungen nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag dürfen den steuerlichen Gewinn allerdings nicht mindern.
Ein Übernahmefolgeverlust ist sofort abzugsfähig.
e) Anteile im Privatvermögen
Zur Ermittlung des Übernahmegewinns gelten Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft im Privatvermögen i.S.d. § 17 EStG als zum steuerlichen Übertragungsstichtag mit ihren Anschaffungskosten in das Betriebsvermögen der Personengesellschaft eingelegt.
Alle anderen Beteiligungen im Privatvermögen sind von der Ermittlung des steuerlichen Übernahmeergebnisses ausgeschlossen. Den Anteilseignern wird im Übrigen der Teil des in der Steuerbilanz ausgewiesenen Eigenkapitals als mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags zugeflossene Einnahmen aus Kapitalvermögen zugerechnet, der ihrem Anteil am Nennkapital entspricht. Das Eigenkapital verringert sich dabei um den Bestand des steuerlichen Einlagekontos, der sich nach Anwendung des § 29 KStG ergibt.
3. Rechtsfolgen der Rückwirkung der Verschmelzung
Zivilrechtlich besteht die übertragende Kapitalgesellschaft in der Zeit zwischen dem steuerlichen Übertragungsstichtag und der Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister fort. Ab dem handelsrechtlichen Umwandlungsstichtag gelten die Handlungen des übertragenden als für Rechnung des übernehmenden Rechtsträgers vorgenommen.
Steuerlich gilt ihr Vermögen als mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags auf die Übernehmerin übergegangen, so dass auf diesen Zeitpunkt für ertragsteuerliche Zwecke ihre persönliche Steuerpflicht endet, während gleichzeitig die des neuen Rechtsträgers beginnt und ihm die Geschäftsvorfälle im Rückwirkungszeitraum steuerlich zugerechnet werden. Von der Rückwirkung nicht erfasst werden Umsatzsteuer, Grunderwerbsteuer und Verbrauchsteuern.
Vergütungen, die Anteilseigner der übertragenden Kapitalgesellschaft für Tätigkeiten im Dienst der Gesellschaft, die Hingabe von Darlehen oder die Überlassung von Wirtschaftsgütern erhalten, sind steuerlich ab dem Übertragungsstichtag in Sondervergütungen umzuqualifizieren, die den Gewinn der Personengesellschaft nicht mindern dürfen.
Scheiden allerdings Gesellschafter der Kapitalgesellschaft aus der übertragenden Körperschaft aus oder veräußern sie einen Teil ihrer Anteile, sind sie steuerlich insoweit im Rückwirkungszeitraum weiterhin als Gesellschafter der übertragenden Körperschaft – und nicht etwa als Mitunternehmer der Personengesellschaft – mit allen steuerlichen Konsequenzen zu behandeln. An diese Anteilseigner im Rückwirkungszeitraum gezahlte Vergütungen sind nach den allgemeinen Vorschriften zu besteuern.
Für den Erwerber von während des Rückwirkungszeitraums angeschafften Anteilen wird eine Anschaffung der Anteile am steuerlichen Übertragungsstichtag fingiert. Er wird mit Eintragung der Umwandlung ins Handelsregister Gesellschafter der übernehmenden Personengesellschaft, so dass für ihn die steuerliche Rückwirkungsfiktion greift.
An im Rückwirkungszeitraum an der Rückwirkungsfiktion teilnehmende Gesellschafter abfließende Gewinnausschüttungen gelten als spätestens mit dem Eintritt der Wirksamkeit der Umwandlung als zugeflossen, so dass die Personengesellschaft als Rechtsnachfolgerin der umgewandelten Kapitalgesellschaft die entsprechende Kapitalertragsteuer einzubehalten, anzumelden, abzuführen und zu bescheinigen hat. Für Ausschüttungen, die an während des Rückwirkungszeitraums ausscheidende Anteilseigner erfolgen, hat die übernehmende Personengesellschaft diese Verpflichtung im Zuflusszeitpunkt zu erfüllen.
Nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag bei der Kapitalgesellschaft noch beschlossene Gewinnausschüttungen an Gesellschafter, die auch Mitunternehmer der übernehmenden Personengesellschaft sind, werden bei der übernehmenden Personengesellschaft als Entnahmen behandelt.