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NWB-EV Nr. 9 vom Seite 257

Verlustverrechnungsbeschränkungen für Termingeschäfte

Ernsthafte Zweifel an deren Verfassungsmäßigkeit

Markus Morawitz

Bei Hochzeiten heißt es „in guten wie in schlechten Zeiten“, ferner sagt man, dass man gute Freunde erst dann erkennt, wenn sie da sind, wenn es dem anderen mal nicht so gut geht; würde man stattdessen nur „in guten Zeiten“ zu dem anderen stehen, würde dies schnell als ungerecht empfunden sowie als negativ und/oder egoistisch qualifiziert werden. Ebensolche Symmetrie erwartet man aber dann doch auch bei der Besteuerung, indem der Staat an den Gewinnen, aber eben auch an den Verlusten entsprechend partizipiert. Mit Einführung der sog. Abgeltungsteuer im Rahmen der Unternehmensteuerreform wurde auch die Verlustverrechnung für die Schedule „Einkünfte aus Kapitalvermögen“ neu geregelt und in der ab dem Veranlagungszeitraum 2020 geltenden Gesetzesfassung für Termingeschäfte weiter limitiert; neben verschiedenen FG hat der BFH in seinem Beschluss vom (VIII B 113/23 (AdV), NWB XAAAJ-69756) diese extreme Limitierung als verfassungswidrig qualifiziert und die Aussetzung der Vollziehung gewährt.

Kernaussagen
  • Im Rahmen von Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung qualifizierten verschiedene Finanzgerichte sowie der Bundesfinanzhof die Regelungen des § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG als nicht verfassungsgemäß.

  • Die darin enthaltene betragsmäßige Limitierung der Verlustverrechnung auf 20.000 € führt zu einer zeitlichen Streckung der Verlustnutzung und unter Umständen sogar zu Definitiveffekten bei einer Einstellung derartiger Investments, da die aufgelaufenen Verluste dann ungenutzt bleiben bzw. untergehen.

  • Durch die betragsmäßige Limitierung stellt sich die Frage der Verfassungsmäßigkeit noch drängender als bei der bereits beim BVerfG anhängigen Verrechnungsbeschränkung für Aktienveräußerungsverluste nach § 20 Abs. 6 Satz 4 EStG.

I. Verlustverrechnungsbeschränkungen bei Kapitalvermögen

Mit Einführung der Abgeltungsteuer im Rahmen der Unternehmensteuerreform wurde auch die Berücksichtigung von Verlusten für die Schedule der Einkünfte aus Kapitalvermögen neu geregelt: So wurde in § 20 Abs. 6 Satz 1 EStG a. F. mit dem Veranlagungszeitraum 2009 die Verrechnung positiver Einkünfte aus Kapitalvermögen mit Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften eingeführt, um eine Übergangsregelung zu schaffen. Ansonsten wurde in § 20 Abs. 6 Satz 2 EStG a. F. der Ausschluss des sog. vertikalen Verlustausgleichs eingeführt, nach dem Verluste aus Kapitalvermögen nicht mit Einkünften aus den anderen Einkunftsarten verrechnet werden dürfen; auch der Verlustabzug nach § 10d EStG wurde entsprechend ausgeschlossen. Die nicht genutzten und damit verbleibenden Verluste aus Kapitalvermögen wurden nach den Sätzen 3 und 4 i. V. mit § 10d Abs. 4 EStG gesondert festgestellt und konnten dann in den folgenden Veranlagungszeiträumen entsprechend mindernd bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend gemacht werden. Allerdings wurde mit Satz 5 eine weitere Separierung der Verluste vorgenommen: So konnten Verluste aus der Veräußerung von Aktien nur mit Gewinnen aus deren Veräußerung verrechnet werden; hierdurch gab es de facto zwei Verlusttöpfe bei den Einkünften aus Kapitalvermögen. Die thematisierten Verrechnungen waren nach Satz 6 nur möglich, wenn der Steuerpflichtige „eine Bescheinigung im Sinne des § 43a Abs. 3 Satz 4“ vorgelegt hat; damit entsprechende Verluste nicht doppelt genutzt werden können, erfolgte nach § 43a Abs. 3 Satz 4 2. Halbsatz EStG bei der Depotbank etc. dann kein sog. Verlustübertrag mehr.

Mit Art. 2 Nr. 9 Buchst. c) des Gesetzes zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom (BGBl 2014 I S. 1266) wurde ab dem Veranlagungszeitraum 2014 der oben thematisierte Satz 1 zur Nutzung entsprechender Verluste aus den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften abgeschafft und die entsprechenden Verweise wurden angepasst. Mit dem Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen vom (BGBl 2019 I S. 2875) wurden die gesetzlichen Beschränkungen zur Verlustnutzung bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch ausgebaut: S. 258Art. 5 ergänzte den Abs. 6 des § 20 EStG dahingehend, dass Verluste aus Termingeschäften i. S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG nur bis maximal 10.000 € mit Gewinnen aus ebendiesen sowie mit Einkünften in Form von Stillhalterprämien i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG verrechnet werden können. Neben diesem neuen Satz 5 erfolgte noch eine Limitierung der Verlustverrechnung in Satz 6 für Verluste aus Kapitalvermögen durch den Ausfall privater Kapitalforderungen etc.; die maximale Verrechnung derartiger Verluste mit Einkünften aus Kapitalvermögen wurde betragsmäßig ebenfalls auf 10.000 € begrenzt. Mit Art. 1 Nr. 9 Buchst. b) des Jahressteuergesetzes 2020 (JStG 2020) vom (BGBl 2020 I S. 3096) wurden die eben thematisierten betragsmäßigen Grenzen von 10.000 € auf 20.000 € verdoppelt.

Entgegen der allgemeinen Forderung nach Steuervereinfachung zur Effizienzsteigerung existieren damit für die Kapitaleinkünfte tatsächlich vier Verlustverrechnungstöpfe: