Die Ermittlung der privaten Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs nach der Pauschalierungsregelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 und 3 EStG verstößt nicht gegen das Grundgesetz
Leitsatz
Die Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Sätze 2 und 3 EStG, wonach die private Nutzung eines betrieblichen Kfz für jeden Kalendermonat mit 1 v. H. des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung (zuzüglich Sonderausstattungen einschließlich Umsatzsteuer) anzusetzen ist, wenn nicht u. a. das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen wird (sog. Ein-Prozent-Regelung), verstößt nicht gegen das GG, sondern hält sich im Gestaltungsspielraum des Steuergesetzgebers bei Typisierungen.
Gesetze: GG Art. 3 Abs. 1EStG §§ 4 Abs. 4, 6 Abs. 1 Nr. 4 Sätze 2 und 3, 12 Nr. 1 Satz 2AO 1977 § 162
Instanzenzug: FG Münster (EFG 1999, 110) (Verfahrensverlauf), ,
Tatbestand
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt ein Fuhr- und Lohnunternehmen und bezieht hieraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb; er ermittelt den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. In seiner Bilanz zum wies der Kläger ein von ihm auch privat genutztes Kfz vom Typ Mercedes-Benz 250 D als Anlagevermögen aus. Der Kläger hatte das am erstmals zugelassene Kfz am gebraucht mit einer Laufleistung von ca. 10 000 Kilometern (km) zum Preis von 44 385,97 DM zuzüglich 14 v. H. Umsatzsteuer, gesamt 50 600 DM gekauft. Der Listenpreis für ein Neufahrzeug gleicher Art und Ausstattung belief sich auf 52 383 DM (einschließlich Umsatzsteuer). Wie in den Vorjahren erreichte die Gesamtfahrleistung des Kfz im Kalenderjahr 1996 (Streitjahr) ca. 15 000 km. Hiervon entfielen nach Angaben des Klägers ca. 2 200 km auf Privatfahrten. Der Kläger führte kein Fahrtenbuch i. S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i. d. F. des Jahressteuergesetzes (JStG) 1996.
Die vom Kläger für das Streitjahr erklärten Einkünfte aus Gewerbebetrieb beliefen sich auf . . . DM. Den privaten Nutzungswert des Kfz setzte der Kläger mit 2 998 DM an, was rund 50 v. H. der von ihm ermittelten Gesamtkosten des Kfz im Streitjahr in Höhe von 5 998 DM entsprach.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom entsprechend § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG den Nutzungswert des Kfz mit 6 240 DM (1 v. H. von 52 000 DM x 12 Monate) an und erhöhte den erklärten Gewinn um 3 555 DM auf . . . DM. Entsprechend setzte das FA im Gewerbesteuermessbescheid für das Streitjahr vom einen höheren Gewerbeertrag fest.
Der Einspruch des Klägers blieb im Ergebnis ohne Erfolg. Zwar ging das FA mit dem Kläger davon aus, dass in den angegriffenen Bescheiden zu Unrecht die sog. Kostendeckelung auf den Betrag der im Streitjahr insgesamt angefallenen Kfz-Kosten unberücksichtigt geblieben war, jedoch sei mangels steuerlicher Auswirkung von einer Änderung der Bescheide abzusehen.
Die hiergegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 110 veröffentlichten Urteil die Ansicht, dass das FA im Streitfall die private Nutzung des betrieblichen Kfz zutreffend nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG bewertet habe. Entgegen der Auffassung des Klägers könne die steuerlich zu erfassende Nutzungsentnahme nach der geltenden gesetzlichen Regelung nicht auf 50 v. H. der tatsächlichen Gesamtausgaben begrenzt werden. Auch sei die Neuregelung zur ertragsteuerlichen Erfassung der privaten Kfz-Nutzung in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG formell und materiell verfassungsgemäß.
Mit der vom FG im Urteil zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verfassungswidrigkeit des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG. Der Gesetzgeber habe im Rahmen der Gestaltungsfreiheit bei der typisierenden Erfassung von betrieblich bzw. privat veranlassten Aufwendungen im Rahmen der Nutzung betrieblicher Kfz durch eine willkürlich festgelegte gesetzliche Methode zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage den ihm zustehenden Ermessensspielraum in unzulässiger Weise überschritten. Die Gesetzesänderung führe regelmäßig zu einer rechnerischen Überbesteuerung, sofern die tatsächlichen Betriebsausgaben den pauschalierten Wert der Nutzungsbesteuerung unterschritten. Durch die von der Finanzverwaltung eingeführte sog. Kostendeckelung werde die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Norm nicht geheilt. Er, der Kläger, habe in einem rechtskräftig vom FG entschiedenen Klageverfahren betreffend Umsatzsteuer den Anteil seiner Privatnutzung im Streitjahr mit 14 v. H. der Gesamtnutzung ohne Vorlage eines Fahrtenbuches nachgewiesen. Es sei mit dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nicht vereinbar, wenn der Steuerpflichtige sich zur Festsetzung einer seiner Leistung entsprechenden Ertragsteuer der Auflage eines Fahrtenbuches gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG unterziehen müsse. Die in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG verankerte Gesetzesbestimmung habe Sanktionscharakter und sei in einer Vielzahl von Fällen - insbesondere bei Steuerpflichtigen, die aus beruflichen Gründen täglich eine Vielzahl von Betriebsfahrten durchführen müssten - schon wegen des damit verbundenen zeitlichen Aufwands nicht zumutbar. Gleichwohl habe der Gesetzgeber billigend in Kauf genommen, dass sich Steuerpflichtige, die ihr Einkommen ohne eine erhöhte Kilometerleistung nicht erzielen könnten, der Sanktionsnorm des Fahrtenbuches zur ausreichenden Wahrung ihrer Steuerrechtsinteressen unterziehen müssten.
Der Kläger beantragt, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und das FA anzuweisen, den Gewinn des Streitjahres aus Gewerbebetrieb unter Berücksichtigung einer Beschränkung des Teilwertes der Entnahme der privaten Kfz-Nutzung mit 50 v. H. der entstandenen Kosten auf . . . DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Gründe
II.
Die Revision ist unbegründet; sie ist deshalb nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
Die private Nutzungsentnahme des vom Kläger betrieblich und privat genutzten Kfz ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG zutreffend ermittelt worden. Zwar kann abweichend von dieser sog. Ein-Prozent-Regelung nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG die private Nutzung mit den auf die Privatfahrten entfallenden Aufwendungen angesetzt werden wenn die für das Kfz insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden. Da der Kläger im Streitjahr jedoch kein Fahrtenbuch geführt hat, ist die Ein-Prozent-Regelung zu Recht angewendet worden. Diese Regelung ist entgegen der Auffassung des Klägers verfassungsgemäß.
1. Nach Satz 2 i. V. m. Satz 3 des § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG ist wenn kein Fahrtenbuch geführt worden ist, die private Nutzung eines Kfz für jeden Kalendermonat mit 1 v. H. des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen. Dies ist im Streitfall geschehen. Für die vom Kläger begehrte Begrenzung des privaten Nutzungsanteils auf 50 v. H. der tatsächlich entstandenen Kosten fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage.
2. Bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des Ansatzes der Nutzungsentnahme des Kfz mit 1 v. H. des Listenpreises ist zu berücksichtigen, dass diese Regelung der Abgrenzung der Aufwendungen des Klägers für die private Lebensführung von den Betriebsausgaben bei der Nutzung des Kfz dient. Nach der Regelung in § 4 Abs. 4 EStG sind Betriebsausgaben die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind. Nicht betrieblich, d. h. privat veranlasste Aufwendungen stellen keine Betriebsausgaben dar und dürfen den Gewinn nicht beeinflussen. Der Steuerpflichtige trägt die objektive Beweislast (Feststellungslast) für eine von ihm behauptete betriebliche Veranlassung getätigter Aufwendungen (, BFHE 119, 164, BStBl II 1976, 562). Ist bei Ermittlung von als Betriebsausgaben geltend gemachten Kosten zudem eine Abgrenzung betrieblicher Aufwendungen von privaten Aufwendungen erforderlich, trifft den Steuerpflichtigen eine gegenüber der Regelung in § 90 der Abgabenordnung (AO 1977) erhöhte Mitwirkungspflicht bei der Bestimmung des betrieblichen Aufwandsanteils (, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, 828).
Anhand vom Steuerpflichtigen darzulegender objektiver Tatsachen muss demnach feststehen, dass geltend gemachte Aufwendungen in tatsächlichem oder wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer konkreten Gewinnerzielungsabsicht angefallen sind und eine ggf. vorliegende private Mitveranlassung unbedeutend ist (, BFHE 173, 327, BStBl II 1994, 350; vom X R 146/94, BFH/NV 1998, 961). Ferner sind auf Verlangen entsprechende Nachweise bzw. Unterlagen vorzulegen (BFH-Beschluss in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, 828).
Von diesem Ausgangspunkt her ist es gerechtfertigt, zum Nachweis des betrieblichen Anteils an der Nutzung des Kfz die Führung eines Fahrtenbuchs zu verlangen. Eine andere Nachprüfung dieses Nutzungsanteils durch die Finanzbehörden ist wegen des engen Zusammenhangs mit der Sphäre der privaten Lebensführung kaum oder gar nicht möglich.
3. Der Senat kann offen lassen, ob der Gesetzgeber überhaupt verpflichtet wäre, den Abzug von Betriebsausgaben für das Kfz zuzulassen, wenn der betriebliche Nutzungsanteil nicht durch ein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch nachgewiesen wird, oder ob er gemäß dem Aufteilungs- und Abzugsverbot gemischt veranlasster Aufwendungen in § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG den Abzug ganz ausschließen könnte. Jedenfalls darf der Gesetzgeber in solchen Fällen typisierende oder pauschalierende Regelungen für den Betriebsausgabenabzug treffen. Dies ist in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG geschehen. Der typisierende Ansatz der privaten Nutzungsentnahme des Kfz mit 1 v. H. des Listenpreises bedeutet, dass nur noch die darüber hinausgehenden Aufwendungen für das Kfz als Betriebsausgaben berücksichtigt werden dürfen. Eine Zweckmäßigkeitsprüfung dieser Typisierung ist dem Gericht verwehrt (vgl. , BVerfGE 81, 108, 119).
Typisierende Regelungen zur Ordnung von Massenerscheinungen sind im Bereich der Steuergesetzgebung häufig anzutreffen; Steuergesetze müssen typisieren, d. h. geringfügige oder in besonders gelagerten Fällen auftretende Ungleichheiten in Kauf nehmen, um praktikabel zu sein. Andererseits dient die Typisierung dazu, komplizierte Lebenssachverhalte übersichtlicher und verständlicher zu gestalten, um den steuerlichen Belastungsgrund zu verdeutlichen und in das Bewusstsein zu rücken. Zudem gelingt es, durch Typisierung die Verwirklichung des Steueranspruchs verfahrensrechtlich zu erleichtern und die für den Staat verfügbaren personellen und finanziellen Mittel zu berücksichtigen (vgl. , BVerfGE 13, 331, 341; vom 1 BvR 320/57, 1 BvR 70/63, BVerfGE 21, 12, 27; , BVerfGE 96, 1, 6). Um die genannten Ziele der Praktikabilität und der Steuervereinfachung zu erreichen, darf der Gesetzgeber sich - innerhalb eines weiten Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums - typisierender, generalisierender und pauschalierender Regelungen bedienen; er ist insbesondere nicht gehalten, allen Besonderheiten des Einzelfalles durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 96, 1, 6; , Der Betrieb - DB - 1999, 2610, 2612, Finanz-Rundschau - FR - 2000, 48, 52).
Im Rahmen dieses Gestaltungsspielraums sind steuerrechtliche Regelungen nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) so auszugestalten, dass die Gleichheit im Belastungserfolg für alle Steuerpflichtigen hergestellt werden kann. Der Gleichheitssatz fordert allerdings nicht eine immer mehr individualisierende und spezialisierende Gesetzgebung, die letztlich die Gleichmäßigkeit des Gesetzesvollzugs gefährdet, sondern die Regelung eines allgemein verständlichen und möglichst unausweichlichen Belastungsgrundes. Deshalb darf der Gesetzgeber einen steuererheblichen Vorgang um der materiellen Gleichheit willen im typischen Lebensvorgang erfassen und individuell gestaltbare Besonderheiten unberücksichtigt lassen (BVerfG in BVerfGE 96, 1; in DB 1999, 2610, 2612, FR 2000, 48, 52).
Nutzt daher der Gesetzgeber den ihm im Steuerrecht für Typisierungen zur Verfügung stehenden Spielraum und schafft er - wie im Streitfall - eine typisierend-pauschalierende Regelung zur Erfassung der für ihn ansonsten kaum zuverlässig zu ermittelnden betrieblichen bzw. privaten Kfz-Nutzung, so ist dies dem Grunde nach verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
4. Die in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG erfolgte Typisierung begegnet auch der Höhe nach keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Gesetzgeber hat damit nicht seinen ihm im Steuerrecht für Typisierungen zur Verfügung stehenden Gestaltungsspielraum überschritten.
a) Obwohl dem Gesetzgeber bei Typisierungen von Verfassungs wegen ein weiter Spielraum zur Verfügung steht, sind auch ihm gewisse Grenzen gesetzt. Diese sind jedoch erst dann erreicht, wenn die mit der Typisierung einhergehenden Vorteile nicht mehr im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen (BVerfG-Urteile in BVerfGE 13, 331, 341; in BVerfGE 21, 12, 27; BVerfG-Beschlüsse vom 1 BvL 20, 26/84 und 4/86, BVerfGE 82, 60, 95 ff.; vom 1 BvR 829/89, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1992, 424).
Für Typisierungen, die vom Steuerpflichtigen nicht durch die Erbringung von Nachweisen widerlegt werden können, hat es das BVerfG allerdings als wesentlich angesehen, dass davon nur eine kleine Zahl von betroffenen Steuerpflichtigen benachteiligt wird, weil sie einen für sie günstigeren Sachverhalt als den in der Typisierung unterstellten verwirklicht haben und dass dieser Verstoß gegen den Gleichheitssatz im Einzelfall nicht sehr intensiv ist (grundlegend Urteil des BVerfG in BVerfGE 21, 12, 27; vgl. ferner u. a. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 82, 60, 95 ff., und in HFR 1992, 424). Soweit ersichtlich ist, beziehen sich diese Einschränkungen aber nur auf unwiderlegbare Typisierungen. Im Übrigen nimmt das BVerfG selbst bei einer unwiderlegbaren gesetzlichen Typisierung in einzelnen Fällen oder Fallgruppen Härten in Kauf, die aufgrund ihres Gewichts nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG in Übereinstimmung zu bringen sind, wenn der Gesetzgeber den Maßstab für den Regelfall sachgerecht gewählt hat und die Möglichkeit des Steuererlasses (Billigkeitserlass) zur Milderung solcher Härten besteht (BVerfG in HFR 1992, 424, m. w. N.). Die Grenzen der Typisierung durch den Gesetzgeber weiten sich daher aus, wenn die Einzelfallgerechtigkeit gegen die Typisierung durchgesetzt werden kann.
Bei der sog. Ein-Prozent-Regelung handelt es sich nicht um eine unwiderlegbare Typisierung, sondern der Steuerpflichtige kann der Anwendung der typisierenden Regelung durch den Nachweis des tatsächlichen Sachverhalts entgehen. Hier kann es nicht darauf ankommen, ob sich die Typisierung nur für eine kleine Zahl von Steuerpflichtigen nachteilig auswirkt; denn der Steuerpflichtige muss die Typisierung nicht gegen sich gelten lassen, wenn er den tatsächlichen Sachverhalt nachweist. So hat das BVerfG z. B. zum Arbeitnehmer-Pauschbetrag nach § 9 a Satz 1 Nr. 1 EStG entschieden, dass es verfassungsgemäß ist, nur einen Mindestaufwand zu typisieren, wenn der Nachweis höherer Kosten ausdrücklich zugelassen wird (BVerfG in BVerfGE 96, 1, 9). Die Typisierung eines Mindestaufwandes kann sich an einer verhältnismäßig kleinen Zahl von Steuerpflichtigen orientieren (wie z. B. deutlich der bis 1989 geltende Werbungskosten-Pauschbetrag von 564 DM), während der größte Teil der betroffenen Steuerpflichtigen höhere Aufwendungen hat und diese Aufwendungen nachweisen muss, wenn sie steuerlich berücksichtigt werden sollen. Denn der Bürger hat von Verfassungs wegen kein Recht darauf, dass ihm eine Regelung mit den für ihn günstigsten Möglichkeiten (im Streitfall: keine Fahrtenbuchführung und eine dem jeweiligen Einzelfall angepasste Abgrenzung der Betriebsausgaben von den Aufwendungen für die private Kfz-Nutzung) zur Auswahl angeboten wird (vgl. auch , BVerfGE 84, 348, 361). Bei einer widerlegbaren Typisierung steht es dem Gesetzgeber vielmehr frei, die günstigen Auswirkungen des typisierten Betrages auf eine kleine Gruppe zu beschränken oder sie für eine große Gruppe von Steuerpflichtigen vorzusehen.
b) Nach diesen Maßstäben hält sich die Typisierungsregelung in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers.
aa) Im Rahmen dieser Regelung hatte der Gesetzgeber divergierende Sachverhalte zu berücksichtigen. Hierzu zählen z. B. die Nutzung neuer oder gebrauchter bzw. teurer oder preiswerter Kfz, der unterschiedliche Umfang der betrieblichen bzw. privaten Nutzung, die unterschiedliche Nutzungsdauer von betrieblichen Kfz, die divergierenden Möglichkeiten der Absetzung für Abnutzung (AfA) und die unterschiedliche Höhe von Umsatzsteuersätzen.
Der Gesetzgeber hat mit der Listenpreisregelung in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG offensichtlich eine Formel für die Ermittlung des privaten Nutzungsanteils bei betrieblichen Kfz gewählt, die vordringlich diejenigen Fälle ins Auge fasst, bei denen der Listenpreis des betrieblich genutzten Kfz sowie der Anteil der privaten Nutzung hoch sind. In diesen Fällen führt die Anwendung des Satzes 2 auch zu der Ermittlung eines zutreffenden, den tatsächlichen Aufwendungen entsprechenden Privatanteils. Ob diese Fallgruppe innerhalb der Gesamtzahl der Steuerpflichtigen, die ein betriebliches Fahrzeug auch privat nutzen, verhältnismäßig groß oder klein ist, ist nach obigen Ausführungen nicht entscheidend.
bb) Im Übrigen kommt es entgegen im Schrifttum vertretener Auffassungen (vgl. Schneider, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1996, 93; Böhlk-Lankes, Betriebs-Berater - BB - 1997, 1122) auch nicht darauf an, ob bei isolierter Betrachtung eines einzelnen Veranlagungszeitraums der pauschale Wert der Nutzungsentnahme nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG die für das genutzte Kfz insgesamt tatsächlich entstandenen Aufwendungen übersteigt. Die Finanzverwaltung hat hierzu die Regelung getroffen, dass dann der Nutzungswert höchstens mit dem Betrag der Gesamtkosten des Kfz anzusetzen ist (, BStBl I 1997, 562 Tz. 13). Der Senat kann offen lassen, ob diese sog. Deckelungsregelung verfassungsrechtlich geboten ist. Sie führt jedenfalls dazu, dass in einem solchen Veranlagungszeitraum allenfalls keine Betriebsausgaben für das Kfz mehr berücksichtigt werden können, obwohl das Fahrzeug neben der privaten Nutzung auch betrieblich genutzt worden ist. Diese Folge liegt in der Natur der typisierenden Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG, wonach für den gesamten Zeitraum der Nutzung ein fester Entnahmewert für jeden Kalendermonat anzusetzen ist. Demgegenüber schwanken die tatsächlich anfallenden Betriebsausgaben naturgemäß über den gesamten Zeitraum der Kfz-Nutzung, bedingt durch ggf. abnehmende AfA-Beträge und andere, zufalls-, alters- oder verschleißbedingte Kostenfaktoren (Unfallschäden, Preissteigerungen bei Wartung und Kraftstoffen einschließlich hierauf entfallender Abgaben, Preisschwankungen bei Pflicht- und Kaskoversicherungen usw.). Deshalb müssen der feste Entnahmewert und die variierenden, als Betriebsausgaben anzusetzenden Kosten nicht notwendig zu jedem beliebigen Zeitpunkt in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Dies schließt auch die Möglichkeit ein, dass in bestimmten, im Rahmen der Abschnittsbesteuerung isoliert zu betrachtenden Zeiträumen der Entnahmewert die variierenden Kosten übersteigt. Auch im Streitfall erreichte (und überstieg) der anzusetzende Entnahmewert nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG insbesondere deshalb die als Betriebsausgaben geltend gemachten Kosten, weil der Steuerpflichtige zu Beginn des Streitjahres bereits über 80 v. H. der AfA des betrieblich genutzten Kfz in Anspruch genommen hatte.
Maßgebend für die Sachgerechtigkeit der Typisierung sind nicht solche besonders gelagerten Sachverhalte in einzelnen Veranlagungszeiträumen. Die Typisierung muss in den Fällen, auf die sie vornehmlich abzielt (hier offenbar: hoher Listenpreis des Kfz und hoher Anteil der privaten Nutzung), lediglich über den gesamten Zeitraum der Nutzung gesehen zu der Ermittlung eines zutreffenden, den tatsächlichen Aufwendungen entsprechenden Privatanteils führen. Denn, wie oben (unter 3.) dargelegt worden ist, braucht der Gesetzgeber bei Typisierungen nicht allen Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung zu tragen und immer mehr individualisierende und spezialisierende Regelungen zu treffen. Über den gesamten Zeitraum der Nutzung des Kfz gesehen entspricht die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG - jedenfalls im Zusammenhang mit der Deckelungsregelung der Finanzverwaltung - den Anforderungen an eine sachgerechte Typisierung.
cc) Dies gilt auch insoweit, als § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG zur Ermittlung des privaten Nutzungsanteils nicht auf die tatsächlichen Anschaffungskosten des Kfz, sondern auf den Listenpreis abstellt. Der Ansatz des Listenpreises statt der Anschaffungskosten entspricht dem Erfordernis, die Entnahme des Steuerpflichtigen für die private Lebensführung nach dem dem Steuerpflichtigen zukommenden Nutzungsvorteil zu bemessen. Hierfür stellt der Listenpreis einen geeigneten Maßstab dar (vgl. , BFHE 168, 194, BStBl II 1992, 700, zum Ansatz des Listenpreises bei der Überlassung eines Kfz durch den Arbeitgeber).
Die Regelung ist ferner in sich folgerichtig und daher nicht willkürlich, indem sie die Nutzungsentnahme bei einem gebraucht gekauften betrieblichen Kfz ebenfalls mit dem Listenpreis bei der Erstzulassung pauschaliert. Der Nutzer eines gebraucht gekauften betrieblichen Kfz wird hier nicht anders behandelt als der Nutzer eines als Neuwagen gekauften betrieblichen Fahrzeugs im Verlauf der Nutzungszeit nach dem Kauf. Bei Letzterem wird dem pauschalierten Betrag für die Nutzungsentnahme ebenfalls nicht der im Verlauf der Zeit durch die (betriebliche und private) Nutzung gesunkene tatsächliche Wert (Preis im Falle des Verkaufs) des Kfz, sondern weiterhin der Listenpreis bei der Erstzulassung zugrunde gelegt.
c) Alle vorstehenden Erwägungen zur Sachgerechtigkeit der Typisierung in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG stehen, wie ausgeführt worden ist, vor dem Hintergrund, dass es sich um eine widerlegbare Typisierung handelt. Nach Satz 3 des § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG ist der Nachweis eines gegenüber der Typisierung geringeren Privatanteils an den Aufwendungen für das Kfz und damit höherer Betriebsausgaben durch Vorlage der Belege über die insgesamt für das Kfz entstandenen Aufwendungen und ein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch zu führen. Der Gesetzgeber verlangt mit dem Nachweis durch ein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch nichts Unmögliches oder Unzumutbares vom Steuerpflichtigen. Die sog. Ein-Prozent-Regelung kommt daher auch nicht einer unwiderlegbaren Typisierung gleich, für die strengere verfassungsrechtliche Maßstäbe gelten würden.
In dem Nachweiserfordernis durch ein Fahrtenbuch konkretisiert sich die oben (unter 2.) dargelegte erhöhte Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen bei der Ermittlung des betrieblichen Aufwandsanteils für das auch privat genutzte betriebliche Kfz. Der Kläger trägt nichts dafür vor, wie anders als durch ein Fahrtenbuch dieser in engem Zusammenhang mit der privaten Lebensführung stehende betriebliche Aufwandsanteil durch die Finanzbehörden zuverlässig nachprüfbar sein sollte. Solche Nachprüfungsmöglichkeiten sind auch nicht ersichtlich.
Der BFH hat daher seit seiner Entscheidung vom IV 297/60 (HFR 1963, 330) in ständiger Rechtsprechung die Führung eines Fahrtenbuchs als einen geeigneten Nachweis angesehen, um die Schätzung des privaten Nutzungsanteils an einem betrieblichen Kfz zu vermeiden (vgl. u. a. , BFHE 115, 313, BStBl II 1975, 478; Urteil des erkennenden Senats vom III R 267/84, BFH/NV 1989, 300). § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG verlangt also nichts Neues, sondern etwas, was bisher schon in der Rechtsprechung für zumutbar gehalten worden ist.
Allerdings wurde der private Nutzungsanteil an dem betrieblichen Kfz vor der Neuregelung durch § 6 Abs. 1 Nr. 4 Sätze 2 und 3 EStG dem jeweiligen Einzelfall angenähert geschätzt. Diese Schätzung war aber in vielen Fällen sehr fragwürdig. Sie beruhte auf § 162 AO 1977. Durch die Neuregelung in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Sätze 2 und 3 EStG ist die Schätzung nach § 162 AO 1977 jedenfalls in der Regel ausgeschlossen worden. Auch dies liegt im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Dieser ist nicht gehindert, Schätzungsverbote zu erlassen und stets Nachweise für die Verwirklichung eines bestimmten steuerbegünstigenden Tatbestandes zu verlangen (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 162 AO 1977 Tz. 71).
5. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, welche Anforderungen an ein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch i. S. von § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG regelmäßig zu stellen sind und ob es Einzelfälle oder einzelne Fallgruppen gibt, in denen geringere Anforderungen als im Regelfall gestellt werden müssen. Nicht Gegenstand des Verfahrens ist ferner die Frage, welche Folgerungen die Finanzbehörden zu ziehen haben, wenn das vorgelegte Fahrtenbuch nicht ordnungsgemäß ist, die Fehler aber z. B. geringfügig sind oder nur Teile des Fahrtenbuchs betreffen. Diese Fragen stellen sich im Streitfall nicht, weil der Kläger überhaupt kein Fahrtenbuch vorgelegt hat. Ebenso kann es im Streitfall nicht darum gehen, ob durch die großzügige Anerkennung von Aufzeichnungen elektronischer Fahrtenbücher seitens der Verwaltung Erleichterungen für diejenigen Steuerpflichtigen geschaffen werden könnten, die zur Wahrung ihrer steuerlichen Belange gehalten sind, ein Fahrtenbuch zu führen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BStBl 2000 II Seite 273
BB 2000 S. 1074 Nr. 21
BB 2000 S. 970 Nr. 19
BFH/NV 2000 S. 910 Nr. 7
DB 2000 S. 1004 Nr. 20
DStR 2000 S. 765 Nr. 18
DStRE 2000 S. 510 Nr. 10
FR 2000 S. 614 Nr. 11
INF 2000 S. 441 Nr. 14
MAAAA-88638