Amtshilfeübereinkommen Protokoll zur Änderung des Übereinkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen
Protokoll zur Änderung des Übereinkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen
Präambel

Die Mitgliedstaaten des Europarats und die Mitgliedstaaten der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die dieses Protokoll unterzeichnen –

in der Erwägung, dass das am 25. Januar 1988 in Straßburg beschlossene Übereinkommen über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen (im Folgenden als „Übereinkommen“ bezeichnet) geschlossen wurde, bevor man sich auf den international anerkannten Standard für den Informationsaustausch in Steuersachen geeinigt hat;

in der Erwägung, dass seit Abschluss des Übereinkommens ein neues Umfeld für die Zusammenarbeit entstanden ist;

in der Erwägung, dass es wünschenswert ist, eine mehrseitige Übereinkunft verfügbar zu machen, um einer möglichst großen Anzahl von Staaten die Nutzung der Vorteile des neuen Umfelds für die Zusammenarbeit und gleichzeitig die Umsetzung der höchsten internationalen Standards für die Zusammenarbeit im Steuerbereich zu gestatten –

haben Folgendes vereinbart:

Artikel I

(1) Der siebte Beweggrund der Präambel des Übereinkommens wird gestrichen und durch folgenden Wortlaut ersetzt:

„in der Überzeugung demzufolge, dass die Staaten Maßnahmen ergreifen oder Informationen erteilen sollen, wobei der Notwendigkeit, die Vertraulichkeit der Informationen zu wahren, Rechnung zu tragen ist und die völkerrechtlichen Übereinkünfte zum Schutz der Privatsphäre und des Verkehrs personenbezogener Daten zu berücksichtigen sind;“

(2) Nach dem siebten Beweggrund der Präambel des Übereinkommens wird folgender Wortlaut eingefügt:

„in der Erwägung, dass ein neues Umfeld für die Zusammenarbeit entstanden ist und dass es wünschenswert ist, eine mehrseitige Übereinkunft verfügbar zu machen, um einer möglichst großen Anzahl von Staaten die Nutzung der Vorteile des neuen Umfelds für die Zusammenarbeit und gleichzeitig die Umsetzung der höchsten internationalen Standards für die Zusammenarbeit im Steuerbereich zu gestatten;“

Artikel II

Artikel 4 des Übereinkommens wird gestrichen und durch folgenden Wortlaut ersetzt:

„Artikel 4
Allgemeine Bestimmung

(1) Die Vertragsparteien tauschen alle Informationen aus, insbesondere wie in diesem Abschnitt vorgesehen, die für die Anwendung beziehungsweise Durchsetzung ihres innerstaatlichen Rechts betreffend die unter dieses Übereinkommen fallenden Steuern voraussichtlich erheblich sind.

(2) [Gestrichen]

(3) Jede Vertragspartei kann durch eine an einen der Verwahrer gerichtete Erklärung anzeigen, dass ihre Behörden in Übereinstimmung mit ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften die betroffene ansässige Person oder den betroffenen Staatsangehörigen unterrichten können, bevor sie nach den Artikeln 5 und 7 Informationen über sie beziehungsweise ihn übermitteln.“

Artikel III

(1) In Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe b des Übereinkommens wird das Wort „und“ durch das Wort „oder“ ersetzt.

(2) In Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe f des Übereinkommens wird die Bezugnahme „des Artikels 19“ durch die Bezugnahme „des Artikels 21 Absatz 2 Buchstabe g“ ersetzt.

Artikel IV

Artikel 19 des Übereinkommens wird gestrichen.

Artikel V

Artikel 21 des Übereinkommens wird gestrichen und durch folgenden Wortlaut ersetzt:

„Artikel 21
Schutz der Person und Grenzen der Verpflichtung zur Leistung von Amtshilfe

(1) Dieses Übereinkommen berührt nicht die Rechte und Sicherheiten, die Personen durch das Recht oder die Verwaltungspraxis des ersuchten Staates gewährt werden.

(2) Mit Ausnahme des Artikels 14 ist dieses Übereinkommen nicht so auszulegen, als verpflichte es den ersuchten Staat,

  1. Maßnahmen durchzuführen, die von seinem eigenen Recht oder seiner eigenen Verwaltungspraxis oder dem Recht oder der Verwaltungspraxis des ersuchenden Staates abweichen;

  2. Maßnahmen durchzuführen, die der öffentlichen Ordnung (ordre public) widersprächen;

  3. Informationen zu erteilen, die nach seinem eigenen Recht oder seiner eigenen Verwaltungspraxis oder nach dem Recht des ersuchenden Staates oder dessen Verwaltungspraxis nicht beschafft werden können;

  4. Informationen zu erteilen, die ein Handels-, Industrie-, Gewerbe- oder Berufsgeheimnis oder ein Geschäftsverfahren preisgeben würden oder deren Preisgabe der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspräche;

  5. Amtshilfe zu leisten, wenn und soweit nach seiner Auffassung die Besteuerung im ersuchenden Staat im Widerspruch zu allgemein anerkannten Besteuerungsgrundsätzen, zu einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung oder zu einem anderen Abkommen, das der ersuchte Staat mit dem ersuchenden Staat geschlossen hat, steht;

  6. für die Zwecke der Anwendung beziehungsweise Durchsetzung einer Bestimmung des Steuerrechts des ersuchenden Staates oder der Erfüllung einer damit zusammenhängenden Verpflichtung Amtshilfe zu leisten, die einen Staatsangehörigen des ersuchten Staates gegenüber einem Staatsangehörigen des ersuchenden Staates, der sich in der gleichen Situation befindet, benachteiligt;

  7. Amtshilfe zu leisten, wenn der ersuchende Staat nicht alle angemessenen und nach seinem Recht oder seiner Verwaltungspraxis zur Verfügung stehenden Maßnahmen ausgeschöpft hat, es sei denn, das Zurückgreifen auf diese Maßnahmen würde unverhältnismäßig große Schwierigkeiten mit sich bringen;

  8. Amtshilfe bei der Beitreibung in den Fällen zu leisten, in denen der Verwaltungsaufwand für diesen Staat in einem eindeutigen Missverhältnis zu dem Nutzen steht, den der ersuchende Staat dadurch erlangt.

(3) Ersucht der ersuchende Staat nach diesem Übereinkommen um Informationen, so nutzt der ersuchte Staat die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Beschaffung der erbetenen Informationen, selbst wenn der ersuchte Staat diese Informationen für seine eigenen steuerlichen Zwecke nicht benötigt. Die im vorstehenden Satz enthaltene Verpflichtung unterliegt den in dem Übereinkommen enthaltenen Beschränkungen, jedoch sind diese Beschränkungen, insbesondere diejenigen der Absätze 1 und 2, in keinem Fall so auszulegen, dass ein ersuchter Staat die Erteilung von Informationen nur deshalb ablehnen kann, weil er kein innerstaatliches Interesse an diesen Informationen hat.

(4) Die Bestimmungen dieses Übereinkommens, insbesondere diejenigen der Absätze 1 und 2, sind in keinem Fall so auszulegen, dass ein ersuchter Staat die Erteilung von Informationen nur deshalb ablehnen kann, weil sich die Informationen bei einer Bank, einem sonstigen Finanzinstitut, einem Bevollmächtigten, Vertreter oder Treuhänder befinden oder sich auf Eigentumsanteile an einer Person beziehen.“

Artikel VI

Artikel 22 Absätze 1 und 2 werden gestrichen und durch folgenden Wortlaut ersetzt:

„(1) Alle Informationen, die eine Vertragspartei nach diesem Übereinkommen erhalten hat, sind ebenso geheim zu halten und zu schützen wie die Informationen, die sie nach ihrem innerstaatlichen Recht erhalten hat; soweit dies für die Sicherstellung des erforderlichen Schutzniveaus der personenbezogenen Daten notwendig ist, sind die Informationen ferner nach den Schutzbestimmungen geheim zu halten und zu schützen, die von der erteilenden Vertragspartei als nach ihrem innerstaatlichen Recht erforderlich bezeichnet werden können.

(2) Diese Informationen dürfen in jedem Fall nur den Personen oder Behörden (einschließlich der Gerichte und Verwaltungs- oder Aufsichtsbehörden) zugänglich gemacht werden, die mit der Festsetzung, Erhebung oder Beitreibung, der Vollstreckung oder Strafverfolgung oder der Entscheidung über Rechtsmittel hinsichtlich der Steuern dieser Vertragspartei oder mit der Aufsicht darüber befasst sind. Nur die genannten Personen oder Behörden dürfen die Informationen verwenden, und zwar nur für diese Zwecke. Sie dürfen sie jedoch ungeachtet des Absatzes 1 in einem öffentlichen Gerichtsverfahren oder in einer Gerichtsentscheidung im Zusammenhang mit diesen Steuern offenlegen.“

Artikel VII

Artikel 27 Absatz 2 des Übereinkommens wird gestrichen und durch folgenden Wortlaut ersetzt:

„(2) Ungeachtet des Absatzes 1 können die Vertragsparteien, die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind, in ihren gegenseitigen Beziehungen die durch das Übereinkommen vorgesehenen Möglichkeiten der Amtshilfe insoweit anwenden, als diese eine umfassendere Zusammenarbeit gestatten als die Möglichkeiten, die durch die anzuwendenden Regeln der Europäischen Union geboten werden.“

Artikel VIII

(1) Dem Artikel 28 des Übereinkommens werden die folgenden neuen Absätze angefügt:

„(4) Jeder Mitgliedstaat des Europarats beziehungsweise jeder Mitgliedstaat der OECD, der nach dem Inkrafttreten des am 27. Mai 2010 zur Unterzeichnung aufgelegten Protokolls zur Änderung des Übereinkommens (im Folgenden als „Protokoll von 2010“ bezeichnet) Vertragspartei des Übereinkommens wird, ist Vertragspartei des Übereinkommens in der durch das genannte Protokoll geänderten Fassung, sofern er nicht in einer an einen der Verwahrer gerichteten schriftlichen Mitteilung eine andere Absicht bekundet.

(5) Nach Inkrafttreten des Protokolls von 2010 kann jeder Staat, der nicht Mitglied des Europarats oder der OECD ist, darum ersuchen, zur Unterzeichnung und Ratifikation dieses Übereinkommens in der durch das Protokoll von 2010 geänderten Fassung eingeladen zu werden. Jedes diesbezügliche Ersuchen ist an einen der Verwahrer zu richten, der es an die Vertragsparteien weiterleitet. Der Verwahrer unterrichtet zudem das Ministerkomitee des Europarats und den Rat der OECD. Die Entscheidung, ersuchende Staaten einzuladen, Vertragsparteien des Übereinkommens zu werden, wird einvernehmlich von den Vertragsparteien des Übereinkommens durch das Koordinierungsgremium getroffen. Für jeden Staat, der das Übereinkommen in der durch das Protokoll von 2010 geänderten Fassung in Übereinstimmung mit diesem Absatz ratifiziert, tritt es am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Hinterlegung der Ratifikationsurkunde bei einem der Verwahrer folgt.

(6) Dieses Übereinkommen in der durch das Protokoll von 2010 geänderten Fassung gilt für die Amtshilfe im Zusammenhang mit Besteuerungszeiträumen, die am oder nach dem 1. Januar des Jahres beginnen, das auf das Jahr folgt, in dem das Übereinkommen in der durch das Protokoll von 2010 geänderten Fassung für eine Vertragspartei in Kraft getreten ist, oder, wenn es keinen Besteuerungszeitraum gibt, für die Amtshilfe im Zusammenhang mit Steuerverbindlichkeiten, die am oder nach dem 1. Januar des Jahres entstehen, das auf das Jahr folgt, in dem das Übereinkommen in der durch das Protokoll von 2010 geänderten Fassung für eine Vertragspartei in Kraft getreten ist. Zwei oder mehr Vertragsparteien können in gegenseitigem Einvernehmen vereinbaren, dass das Übereinkommen in der durch das Protokoll von 2010 geänderten Fassung für die Amtshilfe im Zusammenhang mit früheren Besteuerungszeiträumen oder Steuerverbindlichkeiten gilt.

(7) Ungeachtet des Absatzes 6 gilt dieses Übereinkommen in der durch das Protokoll von 2010 geänderten Fassung für Steuersachen im Zusammenhang mit vorsätzlichem Verhalten, das nach dem Strafrecht der ersuchenden Vertragspartei der strafrechtlichen Verfolgung unterliegt, und zwar ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens für eine Vertragspartei im Zusammenhang mit früheren Besteuerungszeiträumen oder Steuerverbindlichkeiten.“

(2) Nach Artikel 30 Absatz 1 Buchstabe e des Übereinkommens wird der folgende neue Buchstabe angefügt:

f)

„Artikel 28 Absatz 7 ausschließlich auf Amtshilfe im Zusammenhang mit Besteuerungszeiträumen anzuwenden, die am oder nach dem 1. Januar des dritten Jahres vor dem Jahr beginnen, in dem das Übereinkommen in der durch das Protokoll von 2010 geänderten Fassung für eine Vertragspartei in Kraft getreten ist, oder, wenn es keinen Besteuerungszeitraum gibt, auf Amtshilfe im Zusammenhang mit Steuerverbindlichkeiten, die am oder nach dem 1. Januar des dritten Jahres entstehen, das dem Jahr vorangeht, in dem das Übereinkommen in der durch das Protokoll von 2010 geänderten Fassung für eine Vertragspartei in Kraft getreten ist.“

(3) In Artikel 32 Absatz 1 des Übereinkommens werden nach den Worten „Mitgliedstaaten der OECD“ die Worte „und jeder Vertragspartei dieses Übereinkommens“ eingefügt.

Artikel IX [1]

(1) Dieses Protokoll liegt für die Unterzeichner des Übereinkommens zur Unterzeichnung auf. Es bedarf der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung. Ein Unterzeichner darf dieses Protokoll nur ratifizieren, annehmen oder genehmigen, wenn er zuvor oder gleichzeitig das Übereinkommen ratifiziert, angenommen oder genehmigt hat. Die Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden werden bei einem der Verwahrer hinterlegt.

(2) Dieses Protokoll tritt am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach dem Tag folgt, an dem fünf Vertragsparteien des Übereinkommens nach Absatz 1 ihre Zustimmung ausgedrückt haben, durch das Protokoll gebunden zu sein.

(3) Für jede Vertragspartei des Übereinkommens, die später ihre Zustimmung ausdrückt, durch dieses Protokoll gebunden zu sein, tritt es am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde folgt.

Artikel X

(1) Der Verwahrer, dem eine Handlung, Notifikation oder Mitteilung zur Kenntnis gebracht worden ist, notifiziert den Mitgliedstaaten des Europarats, den Mitgliedstaaten der OECD und jeder Vertragspartei des Übereinkommens in der durch dieses Protokoll geänderten Fassung

  1. jede Unterzeichnung;

  2. jede Hinterlegung einer Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde;

  3. jeden Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Protokolls nach Artikel IX;

  4. jede andere Handlung, Notifikation oder Mitteilung im Zusammenhang mit diesem Protokoll.

(2) Der Verwahrer, bei dem nach Absatz 1 eine Mitteilung eingeht oder der nach Absatz 1 eine Notifikation vornimmt, unterrichtet den anderen Verwahrer hiervon.

(3) Die Verwahrer übermitteln den Mitgliedstaaten des Europarats und den Mitgliedstaaten der OECD eine beglaubigte Abschrift dieses Protokolls.

(4) Bei Inkrafttreten dieses Protokolls nach Artikel IX erstellt einer der Verwahrer den Wortlaut des Übereinkommens in der durch dieses Protokoll geänderten Fassung und übermittelt eine beglaubigte Abschrift an alle Vertragsparteien des Übereinkommens in der durch das Protokoll geänderten Fassung.

Fundstelle(n):
zur Änderungsdokumentation
KAAAF-08317

1Das Protokoll wurde in Paris am 27. Mai 2010 in englischer und französischer Sprache ausgefertigt, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist. Eine Urschrift ist im Archiv des Europarats und die andere im Archiv der OECD hinterlegt.