BAG Urteil v. - 2 AZR 403/11

Instanzenzug: ArbG Frankfurt Az: 8/9/15 Ca 10053/04 Teilurteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 10 Sa 1580/10 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.

2Die Beklagte ist die - inzwischen aufgelöste - deutsche Tochtergesellschaft der in Athen ansässigen E Bank. Ihr Hauptsitz befand sich in Frankfurt am Main. Filialen unterhielt sie in Berlin, Stuttgart, Düsseldorf, Nürnberg und München. In diesen und am Hauptsitz waren jeweils Betriebsräte oder ein Betriebsobmann gewählt. Diese bildeten einen Gesamtbetriebsrat. Die Beklagte beschäftigte insgesamt 90 Arbeitnehmer, davon nach ihrer Behauptung 38, nach der Behauptung des Klägers 49 Arbeitnehmer in der Hauptniederlassung.

3Der 1976 geborene Kläger war seit 2001 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Er arbeitete als Sachbearbeiter im Bereich „Organisation“ in der Hauptniederlassung in Frankfurt am Main. Sein Aufgabengebiet umfasste ua. die Archivierung, die Registratur, die Expedition, die Materialverwaltung und die Gebäudesicherheit. Er erhielt eine monatliche Bruttovergütung iHv. 2.452,00 Euro.

4Im Juni 2004 beschloss die Beklagte eine Änderung ihrer Organisation. Die Filialen in Berlin und Stuttgart sollten geschlossen, in den anderen Filialen sollte Personal abgebaut werden.

Am schlossen die Beklagte und der Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich mit einer als Anlage beigefügten Liste der Namen von Mitarbeitern, deren Arbeitsverträge gekündigt werden sollten. Auf der Liste befand sich auch der Name des Klägers. Der Interessenausgleich war auf Seite 1 paraphiert und auf Seite 2 unterschrieben. Die Namensliste war ebenfalls paraphiert. In dem Interessenausgleich heißt es:

6Mit Schreiben vom hörte die Beklagte den Betriebsrat der Hauptniederlassung zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung des mit dem Kläger bestehenden Arbeitsverhältnisses an. Mit Schreiben vom stimmte der Betriebsrat der Kündigung zu. Am kündigte die Beklagte die Arbeitsverhältnisse von insgesamt neun in der Hauptniederlassung beschäftigten Arbeitnehmern, darunter das des Klägers.

7Hiergegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage. Er hat die Ansicht vertreten, der Interessenausgleich sei unwirksam. Der Gesamtbetriebsrat sei für dessen Abschluss nicht zuständig gewesen. Das Vorliegen einer Betriebsänderung stehe nicht für alle betroffenen Betriebe fest. Selbst wenn der Gesamtbetriebsrat für den Abschluss des Interessenausgleichs zuständig gewesen sei, gelte dies jedenfalls nicht für die Vereinbarung der Namensliste. Diese sei auch nicht mit ihm verhandelt, sondern sei ihm lediglich zur Unterschrift vorgelegt worden. Dringende betriebliche Erfordernisse lägen nicht vor. Die Ertragssituation der Beklagten sei gut gewesen. Seine - des Klägers - Aufgaben seien nicht weggefallen. Die Beklagte habe ihn ferner auf frei gewordenen Arbeitsplätzen weiterbeschäftigen können. Die Sozialauswahl sei grob fehlerhaft.

Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Belang - beantragt

9Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, der Gesamtbetriebsrat habe bei der Erstellung des Interessenausgleichs einschließlich der Namensliste und des Sozialplans eine aktive Rolle gespielt. Die sozialen Gesichtspunkte für die Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer, seien mit ihm erörtert und gemeinsam festgelegt worden. Der Arbeitsplatz des Klägers sei entfallen. Seine frühere Tätigkeit sei zum Teil auf die Muttergesellschaft übertragen, im Übrigen von einem anderen Arbeitnehmer übernommen worden. Dieser sei 1959 geboren, verheiratet, zwei Kindern gegenüber zum Unterhalt verpflichtet und seit 1992 bei der Beklagten beschäftigt. Mit weiteren Arbeitnehmern sei der Kläger nicht vergleichbar gewesen. Geeignete freie Arbeitsplätze habe es nicht gegeben.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit Urteil vom (- 2 AZR 586/08 -) hat der Senat das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Dieses hat nach Beweisaufnahme über die Behauptung der Beklagten, Interessenausgleich und Namensliste seien bei Unterzeichnung fest miteinander verbunden gewesen, die Klage erneut abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Gründe

11Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigung zu Recht für sozial gerechtfertigt gehalten.

12I. Die Klage ist zulässig. Die Beklagte ist parteifähig (§ 50 ZPO). Die Parteifähigkeit einer GmbH endet weder allein durch deren Auflösung noch durch die Eintragung der Auflösung in das Handelsregister ( - zu B I 1 a der Gründe mwN, AP BGB § 613a Nr. 278 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 5 mwN). Eine aufgelöste juristische Person ist zum Zweck der Schuldentilgung und Vermögensverteilung als fortbestehend zu behandeln ( - WM 1995, 406).

13II. Die Klage ist unbegründet. Die Kündigung ist iSv. § 1 Abs. 2 KSchG durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen.

141. Sind bei einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG zum einen vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist. Zum anderen kann die soziale Auswahl nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden (§ 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG). Die Vermutungsbasis, dh. den Umstand, dass eine Betriebsänderung nach § 111 BetrVG vorlag und für die Kündigung des Arbeitnehmers kausal war und der Arbeitnehmer in einem wirksam zustande gekommenen Interessenausgleich benannt ist, hat der Arbeitgeber substantiiert darzulegen und ggf. zu beweisen ( - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 17 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 15; - 2 AZR 254/06 - AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 65 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 12).

152. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG sind erfüllt.

16a) In der Hauptniederlassung war eine Betriebsänderung geplant.

17aa) Bezugsgröße für die Frage, ob eine Betriebsänderung durch Personalabbau iSv. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG, § 17 Abs. 1 KSchG vorliegt, ist die Anzahl der im einzelnen Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer. Zwar kommt es nach § 111 Satz 1 BetrVG bei der Feststellung, ob der Betriebsrat überhaupt ein Beteiligungsrecht in wirtschaftlichen Angelegenheiten hat, auf die Anzahl der Arbeitnehmer in dem Unternehmen an. Die Unternehmensgröße von mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern ist aber nur Voraussetzung für das Entstehen von Beteiligungsrechten des Betriebsrats. Für das Vorliegen einer Betriebsänderung im Sinne der Norm ist hingegen erforderlich, dass die Skalenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG im jeweiligen Betrieb erzielt werden. Dies gilt auch dann, wenn für den Abschluss des Interessenausgleichs gem. § 50 Abs. 1 BetrVG der Gesamtbetriebsrat zuständig ist ( - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 20 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 21; Fitting 26. Aufl. § 111 Rn. 24).

18bb) Danach plante die Beklagte in der Hauptniederlassung eine Betriebsänderung. Dort waren nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts entweder 38 oder 49 Arbeitnehmer beschäftigt. Die Beklagte beabsichtigte, neun Arbeitnehmer zu entlassen. Ein solcher Personalabbau erfüllt die Voraussetzungen einer Betriebsänderung iSv. § 111 Satz 1 BetrVG iVm. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KSchG, ohne dass es noch auf die beschlossenen Einzelmaßnahmen ankäme (vgl.  - Rn. 14, EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 84; - 2 AZR 254/06 - Rn. 16, AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 65 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 12).

19b) Für den Abschluss des Interessenausgleichs war der Gesamtbetriebsrat zuständig.

20aa) Nach § 50 Abs. 1 iVm. § 111 Satz 1 BetrVG ist eine mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung mit dem Gesamtbetriebsrat zu vereinbaren, wenn sich die geplante Maßnahme auf alle oder doch mehrere Betriebe auswirkt und einer einheitlichen Regelung bedarf ( - BAGE 100, 60). Eine betriebsübergreifende Regelung muss zwingend erforderlich sein. Deren bloße Zweckmäßigkeit kann in den Angelegenheiten der zwingenden Mitbestimmung die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nicht begründen ( - aaO; - 7 ABR 47/97 - AP BetrVG 1972 § 50 Nr. 19 = EzA BetrVG 1972 § 50 Nr. 17). Wird ein geplanter Personalabbau auf der Grundlage eines unternehmenseinheitlichen Konzepts durchgeführt und sind mehrere Betriebe betroffen, so dass das Verteilungsproblem betriebsübergreifend gelöst werden muss, ist gem. § 50 Abs. 1 BetrVG der Gesamtbetriebsrat für den Abschluss des Interessenausgleichs zuständig ( - Rn. 24, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 165 = EzA BetrVG 2001 § 26 Nr. 3; - 2 AZR 304/06 - BAGE 123, 160; Fitting 26. Aufl. § 50 Rn. 59).

21bb) So liegen die Dinge hier. Neben der Hauptniederlassung waren auch die Betriebe Berlin und Stuttgart von einer Betriebsänderung betroffen. Sie sollten stillgelegt werden. Dabei bestand ein betriebsübergreifendes Regelungsbedürfnis. Dem Interessenausgleich lag ein einheitliches, alle Betriebe in den Blick nehmendes Umstrukturierungskonzept zugrunde, das einer Regelung durch die einzelnen Betriebsräte nicht zugänglich war.

22c) Ist der Gesamtbetriebsrat für den Abschluss des Interessenausgleichs zuständig, folgt hieraus seine Zuständigkeit auch für die Vereinbarung der Namensliste. Diese ist Teil des Interessenausgleichs (KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 703f). Ihre Vereinbarung fällt in den Zuständigkeitsbereich des Gremiums, welches für den Abschluss des Interessenausgleichs zuständig ist. Eine nach § 50 Abs. 1 BetrVG begründete originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats erstreckt sich auf die gesamte „Angelegenheit“ im Sinne dieser Bestimmung, nicht nur auf bestimmte Teile oder einen allgemeinen „Rahmen“. Eine einheitliche mitbestimmungspflichtige Angelegenheit kann nicht aufgespalten werden in Regelungsbereiche, die in die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats fallen und solche, für die die örtlichen Betriebsräte zuständig sind. Dies wäre mit den Geboten der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit nicht zu vereinbaren ( - Rn. 35, BAGE 120, 146). Das gilt auch mit Blick auf eine Namensliste in einem Interessenausgleich iSv. § 1 Abs. 5 KSchG, § 111 Satz 1, Satz 3 BetrVG ( - Rn. 24, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 165 = EzA BetrVG 2001 § 26 Nr. 3; ebenso KR/Griebeling aaO; APS/Kiel 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 795; DFL/Kaiser 5. Aufl. § 1 KSchG Rn. 234; ErfK/Oetker 13. Aufl. § 1 KSchG Rn. 360; HWK/Quecke 5. Aufl. § 1 KSchG Rn. 423; Fitting 26. Aufl. § 112a Rn. 57; Ohlendorf/Salamon NZA 2006, 131, 132; Gaul BB 2004, 2686, 2687; aA Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert KSchR 8. Aufl. § 1 KSchG Rn. 715; Fischer BB 2004, 1001, 1003).

23d) Die mit dem Gesamtbetriebsrat vereinbarte Namensliste genügt auch dem Schriftformerfordernis gem. § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG iVm. §§ 125, 126 BGB.

24aa) Nach § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist ein Interessenausgleich über eine geplante Betriebsänderung schriftlich niederzulegen und von Unternehmer und Betriebsrat zu unterschreiben. Auf das gesetzliche Schriftformerfordernis sind die §§ 125, 126 BGB anwendbar. Nach § 126 Abs. 2 iVm. Abs. 1 BGB muss bei einem Vertrag die Unterzeichnung der Parteien eigenhändig durch Namensunterschrift auf derselben Urkunde erfolgen. Da § 1 Abs. 5 KSchG verlangt, dass die zu entlassenden Arbeitnehmer „in einem Interessenausgleich namentlich bezeichnet“ werden, erstreckt sich das Schriftformerfordernis auch auf die Namensliste. Ihm wird ohne Weiteres Genüge getan, wenn diese zwar nicht im Interessenausgleich selbst, sondern in einer Anlage enthalten ist, Interessenausgleich und Namensliste aber eine einheitliche Urkunde bilden (st. Rspr.,  - AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 20 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 21; - 2 AZR 520/05 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 80 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 68). Eine einheitliche Urkunde liegt jedenfalls dann vor, wenn Interessenausgleich und Namensliste von Anfang an körperlich miteinander verbunden waren.

25bb) Das Landesarbeitsgericht hat nach Durchführung der Beweisaufnahme für wahr erachtet, dass Interessenausgleich und Namensliste im Streitfall von Anfang an eine einheitliche Urkunde gebildet haben. Nach seiner Überzeugung bestanden an der Glaubwürdigkeit des Zeugen, der die Heftung nach eigener Aussage seinerzeit selbst durchgeführt hat, keine Zweifel. Die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts ist nicht zu beanstanden. Sie ist weder widersprüchlich noch verstößt sie gegen Denkgesetze. Sie lässt auch keine wesentlichen Gesichtspunkte außer Acht.

26e) Die Namensliste ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht deshalb ganz oder teilweise „unwirksam“ oder verliert insgesamt ihre in § 1 Abs. 5 KSchG vorgesehenen Wirkungen, weil in ihr möglicherweise auch Arbeitnehmer von Betrieben benannt sind, in denen keine Betriebsänderung stattgefunden hat.

27aa) § 1 Abs. 5 KSchG sieht nicht bestimmte „Wirksamkeitsvoraussetzungen“ für eine Namensliste vor. Die Vorschrift definiert vielmehr die Voraussetzungen, unter denen das Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 KSchG vermutet und die gerichtliche Kontrolle der Sozialauswahl eingeschränkt wird.

28bb) Weder Wortlaut noch Sinn und Zweck des § 1 Abs. 5 KSchG gebieten den vollständigen Ausschluss der dort normierten Rechtswirkungen, wenn auf der Namensliste Arbeitnehmer aufgeführt sind, deren Arbeitsverhältnisse gekündigt werden sollen, ohne dass in ihrem Betrieb eine Betriebsänderung vorläge.

29(1) Der Eintritt der Wirkungen des § 1 Abs. 5 Satz 1, Satz 2 KSchG beruht auf der Erwägung des Gesetzgebers, dass von der übereinstimmenden Beurteilung der Betriebsparteien eine hohe Gewähr für die Richtigkeit ihrer Einschätzung ausgeht ( - zu II 2 b der Gründe, BAGE 88, 363; APS/Kiel 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 793). Die mit der Namensliste verbundenen Rechtsfolgen verlangen grundsätzlich danach, dass in ihr ausschließlich Arbeitnehmer bezeichnet sind, deren Arbeitsverhältnisse aus der Sicht der Betriebsparteien aufgrund der fraglichen Betriebsänderung zu kündigen sind (vgl.  - Rn. 37, BAGE 130, 182). Entspricht eine Namensliste dieser Voraussetzung nicht, bietet sie regelmäßig keine geeignete Basis für den Eintritt der Rechtswirkungen nach § 1 Abs. 5 KSchG.

30(2) Treffen die Betriebsparteien - wie hier - bei einer mehrere Betriebe erfassenden Betriebsänderung eine Auswahlentscheidung auch bezogen auf Arbeitnehmer, in deren Betrieb keine Betriebsänderung stattfinden soll, so beeinträchtigt dies die der Namensliste beigemessene Richtigkeitsgewähr nicht. Mangelt es bezogen auf einzelne Betriebe an den Voraussetzungen einer Betriebsänderung, führt dies lediglich dazu, dass die in § 1 Abs. 5 Satz 1, Satz 2 KSchG vorgesehenen Rechtsfolgen für die diesen Betrieben zugehörigen Arbeitnehmer nicht eingreifen. Ihre Nennung in der Namensliste hat dagegen nicht zur Folge, dass die Wirkungen des § 1 Abs. 5 KSchG auch für diejenigen Arbeitnehmer entfielen, die aufgrund einer Betriebsänderung in ihrem Betrieb entlassen werden sollen. Dies folgt insbesondere daraus, dass die Sozialauswahl ohnehin betriebsbezogen durchzuführen ist (st. Rspr.,  - Rn. 46). Die auf der vom Gesamtbetriebsrat erstellten Namensliste aufgeführten Mitarbeiter sind zunächst - soweit nicht schon geschehen - den einzelnen Betrieben zuzuordnen, um die Anzahl der dort weggefallenen Arbeitsplätze und den Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer bestimmen zu können. Dafür wiederum ist es ohne Bedeutung, wenn auf der Liste auch Arbeitnehmer aufgeführt sind, deren Arbeitsverhältnisse zwar aufgrund derselben unternehmerischen Planung gekündigt werden sollen, dies aber, ohne dass dem auch in ihren Betrieben eine Betriebsänderung iSv. § 111 BetrVG zugrunde läge.

31f) Eine „Unwirksamkeit“ der Namensliste ergibt sich auch nicht aus dem vom Kläger behaupteten Umstand, dass die Namensliste dem Gesamtbetriebsrat von der Beklagten vorgegeben und nicht mit ihm verhandelt worden sei. Die Anwendbarkeit des § 1 Abs. 5 KSchG erfordert den formwirksamen Abschluss eines nach § 111 BetrVG gebotenen Interessenausgleichs mit Namensliste aufgrund einer Betriebsänderung. Darauf, ob und wie intensiv der (Gesamt-)Betriebsrat vor der Unterzeichnung über die Namensliste verhandelt hat, kommt es nicht an. Ob der (Gesamt-)Betriebsrat seiner hohen Mitverantwortung tatsächlich gerecht geworden ist, unterliegt nicht der gerichtlichen Kontrolle.

323. Der Kläger hat die Vermutung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG nicht widerlegt.

33a) Liegen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 KSchG vor, wird gem. § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist. Die Vermutungswirkung erstreckt sich auch auf das Nichtvorliegen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit ( - BAGE 88, 363). Der Arbeitnehmer kann diese Vermutung zwar gem. § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 292 ZPO widerlegen. Dazu ist jedoch ein substantiierter Tatsachenvortrag erforderlich, der den gesetzlich vermuteten Umstand nicht nur in Zweifel zieht, sondern ausschließt ( - Rn. 17, EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 84; - 2 AZR 676/08 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20). Der Arbeitnehmer muss darlegen, dass entweder der Arbeitsplatz trotz der Betriebsänderung noch vorhanden ist oder er an anderer Stelle im Betrieb oder Unternehmen weiterbeschäftigt werden kann. Dabei sind nur Arbeitsplätze einzubeziehen, die sowohl frei als auch für ihn geeignet sind ( - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 178 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 161). Als „frei” sind grundsätzlich nur solche Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unbesetzt sind ( - Rn. 24, aaO; - 2 AZR 38/05 - Rn. 22, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 142 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 144). Geeignet sind alle Arbeitsplätze, die unter Berücksichtigung der bisher vom Arbeitnehmer verrichteten Tätigkeiten mit seinem vorherigen Arbeitsplatz im Wesentlichen vergleichbar sind ( - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 65 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 77). Eine ggf. erforderliche angemessene Einarbeitungszeit steht der Einbeziehung des Arbeitsplatzes nicht entgegen ( - aaO).

34b) Dieser Darlegungslast hat der Kläger nicht genügt.

35aa) Die Behauptungen des Klägers, „die Ertragslage sei gut gewesen“ und der - tatsächlich durchgeführten - Umstrukturierung habe kein „konkretes unternehmerisches Konzept“ zugrunde gelegen, vermögen die Vermutungswirkung nicht zu entkräften. Bereits unabhängig von § 1 Abs. 5 KSchG hat eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte Unternehmerentscheidung die Vermutung für sich, dass sie aus sachlichen Gründen erfolgt ist (vgl.  - Rn. 29, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 176 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 159; - 2 AZR 184/86 - zu III 2 c der Gründe, BAGE 55, 262). Diese Vermutung entfällt nur, wenn die Unternehmerentscheidung offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich war ( - aaO; - 2 AZR 607/05 - Rn. 31 mwN, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 130 = EzA KSchG § 2 Nr. 62). Tatsachen, die eine entsprechende Annahme rechtfertigen würden, hat der Kläger nicht substantiiert dargetan.

36bb) Eine Weiterbeschäftigung des Klägers auf seinem bisherigen Arbeitsplatz war nicht möglich, da dieser entfallen ist. Der Kläger hat den Vortrag der Beklagten zur Umverteilung seiner Tätigkeiten nicht substantiiert bestritten. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Arbeitnehmer, der seine Tätigkeiten in der Hauptniederlassung teilweise übernommen hat, diese nicht ohne überobligatorischen Mehraufwand bewältigen könnte (zur unzulässigen Leistungsverdichtung vgl.  - zu II 1 c bb der Gründe, BAGE 92, 61).

37cc) Freie und geeignete andere Arbeitsplätze hat der Kläger nicht aufgezeigt. Soweit er sich auf zwei Arbeitsplätze beruft, die bei Ausspruch der Kündigung wegen des Ablaufs von Befristungen absehbar frei wurden, hat er nicht dargelegt, dass diese für ihn geeignet waren. Die befristet beschäftigten Arbeitnehmer bezogen unstreitig ein Bruttoarbeitsentgelt von ca. 1.500,00 Euro bzw. 1.900,00 Euro. Dies spricht gegen eine Eignung der Stellen für den Kläger als deutlich höher vergütetem Arbeitnehmer. Dieser hat für das Gegenteil keine Anhaltspunkte vorgetragen.

384. Die Kündigung ist nicht wegen einer fehlerhaften Sozialauswahl unwirksam.

39a) Aufgrund der Nennung des Klägers in der Namensliste kann die soziale Auswahl nach § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Dieser Prüfungsmaßstab gilt nicht nur für die Auswahlkriterien und deren relative Gewichtung selbst, sondern auch für die Bildung der auswahlrelevanten Arbeitnehmergruppen (st. Rspr.,  - Rn. 15, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 20 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 21; - 2 AZR 163/07 - Rn. 60, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 18 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 16). Die Sozialauswahl ist grob fehlerhaft, wenn eine evidente, massive Abweichung von den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 KSchG vorliegt und der Interessenausgleich jede soziale Ausgewogenheit vermissen lässt ( - Rn. 32, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17; - 2 AZR 879/06 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 17 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 15). Dabei muss sich die getroffene Auswahl gerade mit Blick auf den klagenden Arbeitnehmer im Ergebnis als grob fehlerhaft erweisen. Nicht entscheidend ist, ob das gewählte Auswahlverfahren als solches Anlass zu Beanstandungen gibt ( - Rn. 19, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 98 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 22; - 2 AZR 473/05 - Rn. 22 f., BAGE 120, 18). Dem entspricht es, dass der gekündigte Arbeitnehmer die soziale Auswahl konkret rügen, dh. geltend machen muss, ein bestimmter mit ihm vergleichbarer Arbeitnehmer sei weniger schutzwürdig als er selbst.

40b) Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger sei lediglich mit einem Arbeitnehmer vergleichbar gewesen. Unter Zugrundelegung von dessen - vom Kläger nicht bestrittenen - Sozialdaten ist die durchgeführte Sozialauswahl nicht zu beanstanden. Der betreffende Arbeitnehmer ist mit Blick auf Alter, Dauer der Betriebszugehörigkeit und Unterhaltsverpflichtungen sozial schutzwürdiger als der Kläger. Weitere aus seiner Sicht vergleichbare Arbeitnehmer hat der Kläger nicht benannt.

415. Die Kündigung ist weder wegen eines Verstoßes gegen § 17 KSchG noch wegen einer fehlerhaften Betriebsratsanhörung unwirksam. Über beide Gesichtspunkte hat der Senat im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits schon mit seinem Urteil vom entschieden.

III. Als unterlegene Partei hat der Kläger gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

Fundstelle(n):
CAAAE-30858