BFH Urteil v. - V R 15/09 BStBl 2011 II S. 142

Keine Änderung des Entgelts aufgrund Abtretung

Leitsatz

1. Tritt ein Unternehmer eine Forderung aus einem Umsatzgeschäft gegen einen unter dem Nennwert der Forderung liegenden Forderungskaufpreis ab, mindert sich hierdurch nicht die Bemessungsgrundlage für die an den Schuldner des Entgelts ausgeführte Leistung.

2. Das Entgelt bestimmt sich nach den Zahlungen der Kunden des Unternehmers an den Forderungserwerber.

Gesetze: UStG 1999 § 10Richtlinie 77/388/EWG Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

1Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb im Streitjahr 2000 ein Fitness-Sportstudio und erbrachte umsatzsteuerpflichtige Leistungen. Die Steuer berechnete er gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) nach vereinnahmten Entgelten. Im Fall des Zahlungsverzugs seiner Kundinnen trat er seine Gegenleistungsansprüche an ein Inkassobüro für 25 % des Forderungsnennwerts ab. Das Ausfallrisiko für die Forderungen ging auf das Inkassobüro über.

2Aufgrund der Abtretung ging der Kläger davon aus, dass er seine Umsätze nur in Höhe des tatsächlich von ihm vereinnahmten Forderungskaufpreises zu versteuern habe. Dem folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) im Anschluss an eine Außenprüfung nicht, sondern ging davon aus, dass der Kläger nach Maßgabe der mit seinen Leistungsempfängern (den Kundinnen des Fitnessstudios) vereinbarten Entgelte zu besteuern sei, weil diese mit der Abtretung als vereinnahmt gelten und nur im Umfang der Uneinbringlichkeit eine Berichtigung möglich sei. Das FA erließ einen entsprechend geänderten Umsatzsteuerjahresbescheid.

3Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) stützte die Klageabweisung darauf, dass sich das Entgelt trotz der Abtretung nach den von den Leistungsempfängern entrichteten Zahlungen bestimme. Ein möglicher Forderungsausfall beim Inkassobüro sei nur im Rahmen der Uneinbringlichkeit nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG beachtlich, wofür der Kläger beweispflichtig sei. Dass der Kläger diesen Nachweis nicht führen könne, gehe zu seinen Lasten.

4Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen und formellen Rechts. Bemessungsgrundlage könne nur sein, was er tatsächlich und letztendlich erhalten habe; dies sei der Kaufpreis für die Forderung, der 25 % des Nennwerts der Forderungen betrage. Das Ausfallrisiko und die Chance einer weitergehenden Beitreibung hätten beim Erwerber der Forderungen gelegen. Durch den Forderungsverkauf sei die gegenseitige Verknüpfung zwischen seiner Leistung und dem von seinen Kundinnen geschuldeten Gegenleistungen aufgelöst worden. Die Kundinnen hätten auf einen eigenen Anspruch des Forderungserwerbers gezahlt. Es mache keinen Unterschied, ob die Kundin nur 25 % an ihn zahle oder der Forderungserwerber. Das FG habe weiter zu Unrecht unterstellt, dass der Forderungserwerber die Forderungen vollständig eingezogen habe. Es sei aufgrund einer Aufstellung zum Stichtag bekannt gewesen, dass der Forderungserwerber die Forderungen nur zu ca. 53 % einziehen konnte. Nach den Verwaltungsregelungen zum Factoring habe er, der Kläger, nur das zu versteuern, was er tatsächlich erlangt habe. Darüber hinaus beruhe das Urteil des FG auf einem Verfahrensfehler, da der nur teilweise Forderungseinzug durch den Forderungserwerber aktenkundig gewesen sei.

5Der Kläger beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid 2000 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer um 16.715,68 DM (8.546,59 €) herabgesetzt wird.

6Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7Maßgeblich sei die vom Leistungsempfänger erbrachte Gegenleistung. Die Leistungsbeziehungen zwischen Kläger und Kundin sowie zwischen Kläger und Forderungserwerber dürften nicht vermischt werden. Die Zahlung des Forderungserwerbers stelle keine Gegenleistung für die vom Kläger erbrachte Leistung dar, vielmehr erbringe der Forderungserwerber eine Leistung an den Kläger. Der Forderungskauf habe keinen Einfluss auf die von den Kundinnen zu erbringenden Gegenleistungen; die Kundinnen seien an den zwischen Kläger und Forderungserwerber getroffenen Vereinbarungen auch nicht beteiligt gewesen. Abschließende Feststellungen zu den Voraussetzungen einer Minderung nach § 17 UStG aufgrund nicht beigetriebener Forderungen gegen die Kundinnen lägen nicht vor. Die Zahlung des Forderungserwerbers sei nicht als Entgelt für die Leistung des Klägers an die Kundinnen anzusehen. Auf die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung des sog. Factoring komme es im Streitfall nicht an.

II.

8Die Revision des Klägers ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Zwar hat das FG zu Recht entschieden, dass es auch bei einer Abtretung des Entgeltanspruchs aus einer umsatzsteuerpflichtigen Leistung für die Bestimmung des Entgelts auf die Zahlungen des Leistungsempfängers und nicht auf den für die Abtretung vereinbarten Forderungskaufpreis ankommt. Das FG hat jedoch keine Feststellungen zu den Zahlungen der Leistungsempfänger getroffen.

91. Tritt ein Unternehmer eine Forderung aus einem Umsatzgeschäft gegen einen unter dem Nennwert der Forderung liegenden Forderungskaufpreis ab, mindert sich hierdurch nicht die Bemessungsgrundlage für die an den Schuldner des Entgelts ausgeführte Leistung (, BFHE 150, 375, BStBl II 1987, 739, Leitsatz).

102. a) Bei dem „Entgelt”, dessen Vereinnahmung bei der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG für den Unternehmer die Steuerschuld begründet, handelt es sich um das Entgelt i.S. von § 10 Abs. 1 UStG. Zum Entgelt gehört gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Diese Vorschriften beruhen auf Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach ist Besteuerungsgrundlage bei Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen…„alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen”.

11Trotz der zwischen § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG und Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG bestehenden Formulierungsunterschiede führen beide Regelungen zum selben Ergebnis, da weder § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG die Berücksichtigung der Sicht des Leistenden verbietet noch Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG eine Berücksichtigung der Aufwendungen des Leistungsempfängers ausschließt (Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften, seit : Gerichtshof der Europäischen Union —EuGH— vom C-34/99, Primback Ltd., Slg. 2001, I-3833, BFH/NV Beilage 2001, 173 Rdnr. 43; , BFHE 196, 376, BStBl II 2003, 210, unter II.3.c).

12Dementsprechend richtet sich die Höhe des Entgelts nach dem zwischen Leistendem und Leistungsempfänger bestehenden Rechtsverhältnis, aus dem sich der für die Steuerbarkeit der Leistung maßgebliche unmittelbare Zusammenhang zwischen der Leistung und dem erhaltenen Gegenwert ergibt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 196, 376, BStBl II 2003, 210, unter II.3.c, und vom V R 36/01, BFH/NV 2003, 667, unter II.2.a; vgl. auch EuGH-Urteil Primback in Slg. 2001, I-3833, BFH/NV Beilage 2001, 173 Rdnr. 25).

13b) Bestimmen sich Höhe und Umfang des Entgelts nach dem zwischen den Parteien des Leistungsaustausches bestehenden Rechtsverhältnis, ist eine Abtretung des dem leistenden Unternehmer zustehenden Entgeltanspruchs an einen Forderungserwerber für die Bestimmung des Entgelts ohne Bedeutung.

14Durch eine Vereinbarung, an der der Leistungsempfänger nicht beteiligt ist, kann das zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger bestehende Rechtsverhältnis nicht geändert werden. Tritt daher der leistende Unternehmer seine Forderung aus dem seiner Leistung zugrunde liegenden Rechtsgeschäft ohne Beteiligung des Leistungsempfängers an einen Forderungserwerber für einen unter dem Nennwert der abgetretenen Forderung liegenden Kaufpreis ab, sind Abtretung und Verkauf der Forderung für die Bestimmung der Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG ohne Bedeutung. Hierdurch wird die erforderliche Übereinstimmung zwischen dem vom Unternehmer zu versteuernden und dem vom Leistungsempfänger aufgewendeten Entgelt gewährleistet (vgl. hierzu z.B. , BFHE 213, 69, BStBl II 2006, 479, unter II.1.).

15c) Der von Wagner in Sölch/Ringleb (UStG, § 10 Rz 173 f.) vertretenen Auffassung, nach der im Falle der Übernahme des Ausfallrisikos durch den Forderungserwerber (sog. echtes Factoring) „das Schicksal der Entgeltsforderung nur noch ein Inkassobüro, nicht aber den Lieferer [berührt]” und eine „Nicht- oder Minderzahlung des Leistungsempfängers an das Inkassounternehmen nicht zur Vorsteuerberichtigung, sondern nur zur Wertberichtigung beim Inkassounternehmer [führt]”, so dass „Besteuerung des Lieferers und Vorsteuerabzug auf Grund der Nennwertveräußerung an das Inkassobüro im neutralen Gleichgewicht [bleiben]”, schließt sich der Senat nicht an (vgl. Schuhmann in Rau/Dürrwächter, UStG, § 10 Rz 65 „Forderungsabtretung"; ebenso Stadie, UStG, Kommentar 2009, § 10 Rz 30).

16Hiergegen spricht bereits, dass weder das nationale Umsatzsteuerrecht noch die Richtlinie 77/388/EWG eine Rechtsgrundlage für eine „Wertberichtigung beim Inkassounternehmer” im Fall einer Abweichung zwischen Forderungskaufpreis und tatsächlicher Zahlung des Leistungsempfängers enthalten. Veräußert der Unternehmer seinen Entgeltanspruch im Rahmen eines Forderungsverkaufs, obliegt es ihm im Übrigen, mit dem Forderungserwerber einen Auskunftsanspruch hinsichtlich des Umfangs der Zahlungen des Leistungsempfängers zu vereinbaren. Ob sich ein derartiger Informationsanspruch bei der Abtretung von Forderungen aus steuerpflichtigen Umsatzgeschäften bereits nach Treu und Glauben (§ 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) aus einer vertraglichen Nebenpflicht des Forderungserwerbers ergibt (vgl. z.B. IVa ZR 179/82, Neue Juristische Wochenschrift 1986, 423, unter II.2.), hat der Senat im Streitfall nicht zu entscheiden.

173. Das Urteil des FG ist gleichwohl aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

18Der Kläger versteuert nach den Feststellungen des FG seine Umsätze gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG i.V.m. § 20 UStG nach vereinnahmten Entgelten, so dass die Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums entsteht, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind.

19Daher sind Feststellungen zum Umfang der von den Leistungsempfängern geleisteten Zahlungen —und damit aufgrund der Forderungsabtretung zu den Zahlungen an den Forderungserwerber— zu treffen. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass das FA B dem beklagten FA mit Schreiben vom mitgeteilt hatte, dass der Forderungserwerber die abgetretenen Forderungen zu ca. 53 % einziehen konnte. Können keine weiteren Feststellungen zum Umfang der Zahlungen der Leistungsempfänger getroffen werden, ist nach § 162 der Abgabenordnung zu schätzen.

20Aufgrund der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG ist schließlich die Frage der Uneinbringlichkeit nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG im Streitfall unerheblich.

214. Auf den geltend gemachten Verfahrensfehler kommt es somit nicht mehr an.

Fundstelle(n):
BStBl 2011 II Seite 142
BB 2010 S. 2205 Nr. 37
BB 2010 S. 2616 Nr. 43
BB 2011 S. 27 Nr. 1
BBK-Kurznachricht Nr. 19/2010 S. 897
BFH/NV 2010 S. 1950 Nr. 10
BFH/PR 2010 S. 487 Nr. 12
BStBl II 2011 S. 142 Nr. 2
DB 2010 S. 1923 Nr. 35
DStR 2010 S. 1782 Nr. 35
DStRE 2010 S. 1153 Nr. 18
DStZ 2010 S. 695 Nr. 19
GStB 2010 S. 42 Nr. 11
HFR 2011 S. 63 Nr. 1
KÖSDI 2010 S. 17146 Nr. 10
StBW 2010 S. 832 Nr. 18
StuB-Bilanzreport Nr. 18/2010 S. 719
UR 2010 S. 741 Nr. 19
UStB 2010 S. 298 Nr. 10
UStB 2012 S. 29 Nr. 1
UVR 2010 S. 326 Nr. 11
WPg 2010 S. 1043 Nr. 20
GAAAD-49284