EuGH-Vorlage zur Abgrenzung von Restaurationsleistungen (Dienstleistungen) und Lieferungen von Nahrungsmitteln; Umsätze eines Partyservice-Unternehmens
Leitsatz
Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist der Begriff „Nahrungsmittel” in Anhang H Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG dahin auszulegen, dass darunter nur Nahrungsmittel „zum Mitnehmen” fallen, wie sie typischerweise im Lebensmittelhandel verkauft werden, oder fallen darunter auch Speisen oder Mahlzeiten, die —durch Kochen, Braten, Backen oder auf sonstige Weise— zum sofortigen Verzehr zubereitet worden sind?
2. Falls „Nahrungsmittel” im Sinne des Anhangs H Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG auch Speisen oder Mahlzeiten zum sofortigen Verzehr sind:
Ist der Vorgang der Zubereitung der Speisen oder Mahlzeiten als Dienstleistungselement zu berücksichtigen, wenn zu entscheiden ist, ob die einheitliche Leistung eines Partyservice-Unternehmens (Überlassung von verzehrfertigen Speisen oder Mahlzeiten sowie deren Transport und gegebenenfalls Überlassung von Besteck und Geschirr und/oder von Stehtischen sowie das Abholen der zur Nutzung überlassenen Gegenstände) als steuerbegünstigte Lieferung von Nahrungsmitteln (Anhang H Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG) oder als nicht steuerbegünstigte Dienstleistung (Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG) zu qualifizieren ist?
3. Falls die Frage zu 2 verneint wird:
Ist es mit Art. 2 Nr. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG vereinbar, bei der Qualifizierung der einheitlichen Leistung eines Partyservice-Unternehmens entweder als Warenlieferung oder als Dienstleistung eigener Art typisierend allein auf die Anzahl der Elemente mit Dienstleistungscharakter (zwei oder mehr) gegenüber dem Lieferungsanteil abzustellen oder sind die Elemente mit Dienstleistungscharakter unabhängig von ihrer Zahl zwingend —und bejahendenfalls nach welchen Merkmalen— zu gewichten?
Gesetze: UStG 1999 § 3 Abs. 1 und 9UStG 1999 § 12 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, Nrn. 28, 31, 32UStG 1999 33 der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1Richtlinie 77/388/EWG Art. 5 Abs. 1Richtlinie 77/388/EWG Art. 6 Abs. 1 Satz 1Richtlinie 77/388/EWG Art. 12 Abs. 3 Buchst. a, Anhang H Kategorie 1
Instanzenzug: ,
Gründe
I. Sachverhalt
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine KG, betrieb eine Fleischerei sowie einen Partyservice. Die beim Partyservice bestellten Speisen lieferte sie in verschlossenen Warmhalteschalen aus, wobei sie je nach Kundenwunsch auch Geschirr und Besteck, Partytische (Stehtische) sowie Personal zur Verfügung stellte.
Die Klägerin unterwarf in ihren Rechnungen die Entgelte für die Überlassung von Geschirr, Besteck, Stehtischen und Personal dem Regelsteuersatz und die Entgelte für die Speisen dem ermäßigten Steuersatz. Dementsprechend ging sie in ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr vor.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, dass die Essenslieferungen, soweit sie mit der Beistellung von Geschirr und Besteck, Stehtischen oder Personal verbunden waren, dem Regelsteuersatz unterlägen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) folgte der Ansicht des Prüfers und erließ unter dem einen entsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2000.
Im Einspruchsverfahren erzielten die Beteiligten Einvernehmen darüber, dass die Entgelte für die Essenslieferungen in den Fällen dem Regelsteuersatz zu unterwerfen seien, in denen die Klägerin auch Bedienungspersonal gestellt hatte.
Einspruch und Klage gegen den Änderungsbescheid blieben ohne Erfolg. Das Urteil ist veröffentlicht in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2009, 33.
Mit ihrer Revision macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, die Überlassung von Geschirr und Besteck sei eine Nebenleistung zur Essenslieferung, die es nicht rechtfertige, die gesamte Leistung als Dienstleistung zu qualifizieren. Für die Tätigkeit eines Partyservice sei typisch, dass der Kunde seine Gäste in den heimischen Räumlichkeiten bewirten wolle, sodass die Leistung nicht mit einem Restaurationsumsatz vergleichbar sei.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Umsatzsteuerbescheid 2000 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer um 1.814,80 DM (= 927,89 €) herabgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Der Senat legt dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) die im Leitsatz bezeichneten Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts vor und setzt das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH aus.
1. Die maßgeblichen Vorschriften und Bestimmungen
a) Nationales Recht
Nach § 12 Abs. 1 des im Streitfall anzuwendenden Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) beträgt die Steuer für jeden steuerpflichtigen Umsatz 16 % der Bemessungsgrundlage.
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7 % u.a. für die Lieferungen der in der Anlage des Gesetzes bezeichneten Gegenstände, darunter z.B. Zubereitungen von Fleisch, Fischen usw. (Nr. 28), aus Getreide, Mehl, Stärke oder Milch sowie Backwaren (Nr. 31), Zubereitungen von Gemüse, Früchten usw. (Nr. 32) oder „Verschiedene Lebensmittelzubereitungen” (Nr. 33).
§ 3 Abs. 1 UStG bestimmt:
„Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).”
§ 3 Abs. 9 Satz 1 UStG lautet:
„Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind.”
b) Gemeinschaftsrecht
Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) lautet:
„Der Mehrwertsteuer unterliegen:
1. Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt;
...”
Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG regelt:
„Als Lieferung eines Gegenstands gilt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.”
Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 77/388/EWG bestimmt:
„Als Dienstleistung gilt jede Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstands im Sinne des Artikels 5 ist.”
Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG sieht vor:
„Der Normalsatz der Mehrwertsteuer wird von jedem Mitgliedstaat als ein Prozentsatz der Besteuerungsgrundlage festgelegt, der für Lieferungen von Gegenständen und für Dienstleistungen gleich ist. ...
Die Mitgliedstaaten können außerdem einen oder zwei ermäßigte Sätze anwenden. Diese ermäßigten Sätze werden als ein Prozentsatz der Besteuerungsgrundlage festgelegt, der nicht niedriger als 5 % sein darf, und sind nur auf Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen der in Anhang H genannten Kategorien anwendbar.
...”
Anhang H („Verzeichnis der Gegenstände und Dienstleistungen, auf die ermäßigte MWSt.-Sätze angewandt werden können”) der Richtlinie 77/388/EWG nennt als Kategorie 1 u.a. „Nahrungs- und Futtermittel” sowie „üblicherweise für die Zubereitung von Nahrungs- und Futtermitteln verwendete Zutaten”.
2. Rechtliche Würdigung
a) Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich in seiner bisherigen Rechtsprechung zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der Umsätze eines Partyservice-Unternehmens auf die Rechtsprechung des EuGH zu Restaurationsumsätzen gestützt.
Der EuGH hat sich in dem den Leistungsort betreffenden Urteil vom Rs. C-231/94 —Faaborg-Gelting Linien— (Slg. 1996, I-2395, BStBl II 1998, 282) mit der Besteuerung von Restaurationsumsätzen in Form der Abgabe von Mahlzeiten zum Verzehr an Bord von Fährschiffen befasst. Er hat darin ausgeführt, ob bestimmte Umsätze Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen seien, richte sich nach ihrem Wesen. Die Abgabe von Speisen und Getränken zum sofortigen Verzehr sei das Ergebnis einer Reihe von Dienstleistungen vom Zubereiten bis zum Darreichen der Speisen. Möglicherweise nur sachverhaltsbezogen hat er ausgeführt, dabei werde dem Gast zugleich eine organisatorische Gesamtheit zur Verfügung gestellt, die sowohl einen Speisesaal mit Nebenräumen als auch das Mobiliar und das Geschirr umfasse. Gegebenenfalls würden Kellner das Gedeck auflegen, den Gast beraten, die angebotenen Speisen oder Getränke erläutern, diese auftragen und schließlich nach dem Verzehr die Tische abräumen. Ein solcher Restaurationsumsatz sei durch eine Reihe von Vorgängen gekennzeichnet, von denen nur ein Teil in der Lieferung von Nahrungsmitteln bestehe, während die Dienstleistungen bei weitem überwögen. Ein solcher Umsatz sei daher als Dienstleistung i.S. von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG zu betrachten. Etwas Anderes gelte hingegen, wenn sich der Umsatz auf Nahrungsmittel „zum Mitnehmen” beziehe und daneben keine Dienstleistungen erbracht würden, die den Verzehr an Ort und Stelle in einem geeigneten Rahmen ansprechend gestalten sollten.
Das —Hermann— (Slg. 2005, I-2025, BFH/NV Beilage 2005, 210) betrifft eine kommunale Steuer, die auf die entgeltliche Abgabe alkoholhaltiger Getränke zum unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit erhoben worden ist. Entscheidungserheblich war, ob es sich bei der umstrittenen Steuer um eine solche auf verbrauchsteuerpflichtige Waren oder auf Dienstleistungen handelt. Der EuGH ist unter Hinweis auf das Urteil Faaborg-Gelting Linien in Slg. 1996, I-2395, BStBl II 1998, 282 davon ausgegangen, dass für die Qualifizierung des Umsatzes das überwiegende Element zu berücksichtigen sei. Da die Vermarktung eines Gegenstands immer mit einer minimalen Dienstleistung verbunden sei, könnten bei der Beurteilung des Dienstleistungsanteils an der Gesamtheit eines komplexen Geschäfts, zu dem auch die Lieferung eines Gegenstands gehöre, nur die Dienstleistungen berücksichtigt werden, die sich von denen unterschieden, die notwendig mit der Vermarktung eines Gegenstands verbunden seien. Bei der Abgabe alkoholhaltiger Getränke im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit überwögen die Dienstleistungen.
Der V. Senat des BFH hat unter Berufung auf diese Rechtsprechung in einem Urteil vom V R 55/06 (BFHE 223, 539, BFH/NV 2009, 673) die Leistungen eines Partyservice-Unternehmens dann, wenn zusätzlich zur Abgabe der zubereiteten Speisen Geschirr und Besteck überlassen und anschließend gereinigt wurden, als einheitliche Leistung und nicht als mehrere selbständige Hauptleistungen behandelt und als Dienstleistung qualifiziert. Der XI. Senat des BFH hat sich dieser Rechtsprechung in einem Urteil vom XI R 3/08 (BFH/NV 2009, 1469) angeschlossen.
Der BFH hat dabei den Vorgang der Zubereitung der Speisen oder Mahlzeiten zu einem —vom jeweiligen Kunden— bestimmten Zeitpunkt als ein wesentliches Dienstleistungselement berücksichtigt. Er hat dafür auf das Urteil Faaborg-Gelting Linien in Slg. 1996, I-2395, BStBl II 1998, 282 verwiesen, wonach „die Abgabe von Speisen und Getränken zum sofortigen Verzehr das Ergebnis einer Reihe von Dienstleistungen vom Zubereiten bis zum Darreichen der Speisen” (Randnr. 13) sei. Dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die Zubereitung von Mahlzeiten als Herstellungsvorgang im Rahmen einer Dienstleistung und nicht als einen Vorgang beurteile, der zur Lieferung von Nahrungsmitteln gehöre, folge auch daraus, dass in Anhang H Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG u.a. Nahrungsmittel und die für die Zubereitung von Nahrungsmitteln verwendeten Zutaten aufgeführt seien, nicht aber die Zubereitung selbst.
Dieses Verständnis, wonach die Zubereitung zum sofortigen Verzehr als Dienstleistungselement zu berücksichtigen sei, werde auch durch eine aufgrund der Erweiterung der Gemeinschaft veranlasste Übergangsregelung bestätigt. Art. 129 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) erlaube Slowenien die Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes für die Zubereitung von Mahlzeiten.
Dem entspreche die nationale Regelung in § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG in Verbindung mit der Anlage zu diesem Gesetz. Letztere verweise auf den Gemeinsamen Zolltarif der Europäischen Gemeinschaft, dem die Kombinierte Nomenklatur des Harmonisierten Systems zur Bezeichnung und Codierung der Waren zu Grunde liege. Lebensmittelzubereitung im zolltariflichen Sinne sei nur die Vermischung und Vermengung einzelner Bestandteile, nicht aber die verzehrfertige Zubereitung im Sinne eines Kochens, Bratens oder Backens zu einem bestimmten Zeitpunkt.
Der erkennende Senat hält es unter Berücksichtigung der Einwände der Klägerin und der in der Literatur geäußerten Kritik nicht mehr mit der erforderlichen Sicherheit für zweifelsfrei, ob die dargestellte Rechtsprechung den Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts entspricht.
b) Zu den einzelnen Vorlagefragen
aa) Zu Frage 1
(1) Diese Frage ist entscheidungserheblich, weil die Klage abzuweisen wäre, wenn zum sofortigen Verzehr zubereitete Speisen oder Mahlzeiten keine „Nahrungsmittel” im Sinne des Anhangs H Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG wären. Denn dieses Verständnis der Grundlage müsste auch bei der Auslegung des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG in Verbindung mit der Anlage zum Gesetz mit der Folge berücksichtigt werden, dass die Entgelte dafür nicht dem ermäßigten Steuersatz unterlägen.
(2) Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ist eine Begünstigung, sodass es nach dem Zweck der Bestimmung nicht zwingend erscheint, als Nahrungsmittel im Sinne des Anhangs H Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG auch Speisen oder Mahlzeiten anzusehen, die zum sofortigen Verzehr zu einem bestimmten Zeitpunkt zubereitet worden sind. Auch die Slowenien in Art. 129 Abs. 1 der MwStSystRL erteilte Erlaubnis, für die Zubereitung von Mahlzeiten einen ermäßigten Steuersatz anzuwenden, kann möglicherweise so verstanden werden, dass zum sofortigen Verzehr zubereitete Mahlzeiten nicht nach Anhang H Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG begünstigt sind.
Gleiches gilt, soweit in Erwägungsgrund 3 der Richtlinie 2009/47/EG des Rates vom zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG in Bezug auf ermäßigte Mehrwertsteuersätze (Amtsblatt der Europäischen Union —ABlEU— Nr. L 116/18) und in Art. 55 und 57 der MwStSystRL in der Fassung der Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG bezüglich des Ortes der Dienstleistung (ABlEU Nr. L 44/11) mit Wirkung ab dem die „Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen” genannt werden. Der Begriff „Verpflegungsdienstleistungen” ist in diesen Richtlinien nicht definiert. Es können damit möglicherweise Speisen oder Mahlzeiten gemeint sein, die zum sofortigen Verzehr zubereitet worden sind und außerhalb von Restaurants überlassen werden.
bb) Zu Frage 2
(1) Der Senat geht davon aus, dass ein Partyservice-Unternehmen oder ein Catering-Unternehmen seinen Abnehmern gegenüber eine einheitliche Leistung (Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG) und nicht mehrere selbständige Hauptleistungen erbringt, und zwar unabhängig davon, ob der Abnehmer außer den Speisen nur eine oder mehrere der fakultativ angebotenen zusätzlichen Leistungen (z.B. Besteck, Geschirr, Stehtische oder Personal) in Anspruch nimmt.
Dabei kann es nach Auffassung des Senats auch keinen Unterschied machen, ob der Unternehmer nur eine Rechnung erteilt, in der er für jede Leistung den für sie geltenden Steuersatz anwendet oder ob er zwei Rechnungen erteilt und in der einen die Speisen zum ermäßigten Steuersatz und in der anderen die übrigen Leistungen zum Regelsteuersatz aufführt (vgl. zur Bedeutung von getrennten Rechnungen aber —RLRE Tellmer Property—, BFH/NV 2009, 1368, Randnr. 23).
Die Frage zu 2 ist nur entscheidungserheblich, wenn der EuGH die Rechtsauffassung des Senats teilt, dass die Klägerin eine einheitliche Leistung (Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG) erbringt. Denn anderenfalls wäre die Sache spruchreif in dem Sinne, dass —entsprechend der Vorgehensweise der Klägerin bei der Rechnungserteilung und in ihrer Umsatzsteuererklärung— für jede Leistung der für sie geltende Steuersatz anzuwenden und der Klage stattzugeben wäre.
Ist von einer einheitlichen Leistung auszugehen, dann wäre die Klage abzuweisen, wenn die Frage zu 2 bejaht wird.
Denn wenn der Vorgang der Zubereitung als Dienstleistungselement zu berücksichtigen ist, wäre nach Auffassung des Senats dabei —jedenfalls schon aus Praktikabilitätsgründen— nicht nach dem konkreten Arbeitsaufwand zu differenzieren, den die Herstellung der jeweiligen Speise erfordert hat. Vielmehr wäre das in der Zubereitung liegende Dienstleistungselement typisierend als so gewichtig anzusehen, dass schon das Hinzutreten einer nicht nur unwesentlichen Nebenleistung, wie z.B. das Überlassen von Besteck oder auch das Abholen der zur Nutzung überlassenen Behältnisse, für die Annahme ausreichen würde, der Umsatz werde durch seine Dienstleistungselemente geprägt.
(2) Der Senat hält es für klärungsbedürftig, ob es dem Gemeinschaftsrecht entspricht, bei der Qualifizierung der einheitlichen Leistung eines Partyservice-Unternehmens den Vorgang der Zubereitung der Speisen aus verschiedenen Nahrungsmitteln zu einem neuen „Gegenstand” (Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG; § 3 Abs. 1 UStG) als ein Dienstleistungselement zu berücksichtigen.
Zwar kann sich die Auffassung, der Vorgang der Zubereitung sei im Rahmen der Gesamtwürdigung als Dienstleistungselement zu berücksichtigen, auf den Wortlaut der Randnr. 13 des EuGH-Urteils Faaborg-Gelting Linien in Slg. 1996, I-2395, BStBl II 1998, 282 stützen. Es erscheint jedoch nicht zweifelsfrei, ob die Aussagen in diesem Urteil, das zu einem Restaurationsumsatz ergangen ist, losgelöst von dem konkreten Sachverhalt zu verstehen und auf die Leistungen eines Partyservice-Unternehmens oder eines Catering-Unternehmens übertragbar sind, bei dem die Bewirtung der Gäste nicht durch den leistenden Unternehmer, sondern den Leistungsempfänger erfolgt.
Wenn die verzehrfertig zubereiteten Speisen oder Mahlzeiten „Gegenstände” sind, an denen dem Kunden mit der Auslieferung die Verfügungsmacht verschafft wird (Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG), dann erscheint es jedenfalls nicht zwingend, diese Gegenstände dann, wenn eine oder mehrere Leistungen mit Dienstleistungscharakter hinzukommen, wieder in die Elemente aufzuteilen, die in ihre Herstellung —untrennbar— eingegangen sind.
Nach dem EuGH-Urteil Hermann in Slg. 2005, I-2025, BFH/NV Beilage 2005, 210 (Randnr. 22) sind im Rahmen der Qualifizierung einer einheitlichen Leistung solche Dienstleitungen, die mit der Vermarktung des Gegenstands notwendig verbunden sind, nicht als Dienstleistungselemente zu berücksichtigen. Dies wirft die Frage auf, ob und gegebenenfalls weshalb es gerechtfertigt ist, eine notwendig und untrennbar in die Herstellung des Gegenstands eingegangene Dienstleistung als Dienstleistungselement „wieder aufleben” zu lassen.
cc) zu Frage 3
Nach der oben zitierten Rechtsprechung des EuGH ist für die Qualifizierung einer einheitlichen Leistung, die sowohl Liefer- als auch Dienstleistungselemente enthält, auf ihr Wesen oder das überwiegende Element abzustellen.
Wie der Sachverhalt des Streitfalles zeigt, sind bei einem Partyservice-Unternehmen oder bei einem Catering-Unternehmen aufgrund der individuellen Kundenwünsche verschiedene Leistungskombinationen des Unternehmers denkbar. Würde man bei der Qualifizierung der komplexen einheitlichen Leistung typisierend allein auf die Anzahl der Elemente mit Dienstleistungscharakter abstellen, wäre dies zwar praktisch handhabbar und würde zu vorhersehbaren Ergebnissen führen. Diese Ergebnisse wären aber nicht immer einleuchtend. Würde z.B. zusätzlich zum Transport der Speisen zum Kunden entweder nur ein Stehtisch überlassen oder würden die zur Nutzung überlassenen Behältnisse wieder abgeholt, lägen bereits zwei Dienstleistungen vor.
Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Leistungen von Partyservice-Unternehmen betrifft eine Vielzahl von Unternehmern, sodass praxistaugliche Kriterien herausgearbeitet werden müssen, um zu vorhersehbaren Ergebnissen bei der Qualifizierung dieser Leistungen zu gelangen und Rechtssicherheit für die betroffenen Unternehmer zu gewährleisten.
Der Senat hält es in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung der Beteiligten bei den Leistungen eines Partyservice-Unternehmens für eine praxistaugliche Abgrenzung, die einheitliche Leistung immer dann als Dienstleistung zu qualifizieren, wenn Bedienungspersonal überlassen wird. In einem solchen Fall kann die Personalüberlassung als prägend angesehen werden.
Bei den übrigen der in Betracht kommenden Dienstleistungen neigt der Senat dazu, diese insbesondere dann nicht als prägend oder dominierend anzusehen, wenn die Summe ihrer tatsächlichen Kosten weit hinter den tatsächlichen Kosten für die verzehrfertig zubereiteten Speisen zurückbleibt. Er berücksichtigt dabei einerseits, dass es sich bei den einzelnen Dienstleistungen bei isolierter Betrachtung jeweils nur um eine Nebenleistung der Speisenlieferung handelt. Er ist ferner der Auffassung, dass bei der Bedeutung eines Leistungselements im Rahmen einer Gesamtleistung aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers auch die anteilig darauf entfallenden tatsächlichen Kosten eine Rolle spielen.
Fraglich könnte sein, ob diese Betrachtungsweise mit der Rechtsprechung des EuGH vereinbar ist. Nach dem —Levob Verzekeringen und OV Bank— (Slg. 2005, I-9433, BFH/NV Beilage 2006, 38, Randnr. 28) können bei der Bestimmung der dominierenden Bestandteile einer komplexen Leistung u.a. auch die auf sie entfallenden Kosten relevant sein. Nach dem —Aktiebolaget NN— (Slg. 2007, I-2697, Randnr. 37) darf jedoch bei der Qualifizierung eines komplexen Umsatzes den Kosten allein keine ausschlaggebende Bedeutung zukommen.
Im Streitfall belaufen sich in den umstrittenen Rechnungen die Preise für die Dienstleistungen, die in der Regel gesondert berechnet worden sind, überwiegend auf deutlich weniger und nur selten auf mehr als 20 % der für die Speisen in Rechnung gestellten Preise. Danach dürften die tatsächlichen Kosten der Nebenleistungen in Form der Überlassung von Besteck, Geschirr oder Stehtischen jedenfalls unter 30 % der Kosten für die verzehrfertig zubereiteten Speisen liegen. Sie bleiben damit weit hinter den Kosten für die Speisen zurück.
Die Frage 3 ist für die Entscheidung des Streitfalles erheblich. Der Klage wäre stattzugeben, wenn die Kosten der Nebenleistungen in die Qualifizierung der komplexen Leistungen einbezogen würden. Sie wäre —jedenfalls im Wesentlichen— abzuweisen, wenn es allein auf die Anzahl der Leistungen mit Dienstleistungscharakter ankäme.
3. Rechtsgrundlage für die Anrufung des EuGH ist Art. 234 Satz 3 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft. Die Aussetzung des Verfahrens beruht auf § 121 Satz 1 i.V.m. § 74 der Finanzgerichtsordnung.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2010 II Seite 364
BFH/NV 2010 S. 123 Nr. 1
BFH/PR 2010 S. 64 Nr. 2
BStBl II 2010 S. 364 Nr. 6
DB 2010 S. 34 Nr. 1
DStR 2009 S. 2531 Nr. 49
DStRE 2009 S. 1528 Nr. 24
HFR 2010 S. 149 Nr. 2
RIW 2010 S. 332 Nr. 5
StB 2010 S. 6 Nr. 1
StC 2010 S. 9 Nr. 2
UR 2010 S. 61 Nr. 2
JAAAD-33134