BFH Beschluss v. - I R 30/08

Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH: Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen gemeinschaftsrechtswidrig? Verletzung der Verpflichtung zur Umsetzung von Richtlinienbestimmungen durch Mitgliedstaat

Leitsatz

Dem EuGH werden die folgenden Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Steht Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/49/EG des Rates vom über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten (ABlEU Nr. L 157, 49) —EU-Zins- und Lizenzrichtlinie (ZLR)— einer Regelung entgegen, wonach die von einem Unternehmen eines Mitgliedstaates an ein verbundenes Unternehmen eines anderen Mitgliedstaates gezahlten Darlehenszinsen bei dem erstgenannten Unternehmen der Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer hinzugerechnet werden?

2. Falls die erste Frage bejaht wird: Ist Art. 1 Abs. 10 ZLR dahin auszulegen, dass es den Mitgliedstaaten auch dann freisteht, die Richtlinie nicht anzuwenden, wenn die in Art. 3 Buchst. b ZLR genannten Voraussetzungen für das Vorliegen eines verbundenen Unternehmens zum Zeitpunkt der Zinszahlung noch nicht während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens zwei Jahren erfüllt waren? Können sich die Mitgliedstaaten in diesem Fall gegenüber dem zahlenden Unternehmen unmittelbar auf Art. 1 Abs. 10 ZLR berufen?

Gesetze: GewStG 2002 § 8 Nr. 1EGRL 49/2003 Art. 1 Abs. 1, 10 und 11EGRL 49/2003 Art. 3 Buchst. bEGRL 49/2003 Art. 4 Abs. 1 Buchst. a und dEG Art. 43EG Art. 48

Instanzenzug: (EFG 2008, 968), ,

Gründe

I. Sachverhalt und Streitstand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, deren alleinige Anteilseignerin seit dem die S-B.V. (S) mit Sitz in den Niederlanden ist. S gewährte der Klägerin mit elf weitgehend gleichlautenden Verträgen, die in der Zeit zwischen dem und dem abgeschlossen wurden, Darlehen über insgesamt 5.180.000 € zu einem Zinssatz von 5 %. Die Rückzahlung sollte auf Abruf der S erfolgen. Die Klägerin zahlte im Streitjahr 2004 Zinsen in Höhe von 154.584 € an S.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) rechnete im Gewerbesteuermessbescheid für das Streitjahr unter Berufung auf § 8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG 2002) die Hälfte dieses Zinsbetrags dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzu.

Die hiergegen erhobene Klage wies das , veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2008, 968, ab.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für das Streitjahr in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass der Gewerbesteuermessbetrag unter Berücksichtigung eines Gewerbeertrags vor Verlustabzug in Höhe von 3.187 € und eines verbleibenden Verlustvortrags in Höhe von 5.313 € auf O € festgesetzt wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Rechtslage nach deutschem Steuerrecht

Die Entscheidung über die Revision ist von der Beantwortung der im Leitsatz formulierten Vorlagefragen abhängig. Sofern die erste, nicht aber eine der folgenden Fragen zu bejahen ist, muss das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und der Klage stattgegeben werden. Andernfalls ist die Revision der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen.

1. Besteuerungsgrundlage für die Gewerbesteuer (als einer Gemeindesteuer, vgl. § 1 GewStG 2002) ist nach § 6 GewStG 2002 der Gewerbeertrag. Dieser ist nach § 7 Satz 1 GewStG 2002 definiert als „der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens für den (...) entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 bezeichneten Beträge”. Gemäß § 8 Nr. 1 GewStG 2002 werden dem Gewinn aus Gewerbebetrieb u.a. die Hälfte der Entgelte für Schulden, die der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen, wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind. Zu derartigen Entgelten für sog. Dauerschulden gehören Zinsen für ein Darlehen, dessen tatsächliche Laufzeit mehr als ein Jahr beträgt.

Die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG 2002 führt damit im Ergebnis dazu, dass die Hälfte der Darlehenszinsen bei der Ermittlung des Gewerbeertrags des zahlenden Unternehmens nicht abzugsfähig ist. Diese Regelung dient, wie die Hinzurechnungsvorschriften des § 8 GewStG 2002 insgesamt, der Ermittlung des objektiven, von den Beziehungen des Inhabers zum Betrieb losgelösten Gewerbeertrags. Ihr Zweck liegt in einer weitgehenden gewerbesteuerrechtlichen Gleichstellung von Erträgen aus eigen- und fremdfinanziertem Kapital.

2. Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist die Hinzurechnung der Hälfte der von der Klägerin an S gezahlten Darlehenszinsen im Streitfall —zwischen den Beteiligten unstreitig— nach deutschem Recht zu bejahen. S hat der Klägerin im Zeitraum vom bis zum Darlehen über insgesamt 5.180.000 € zu einem Zinssatz von 5 % gewährt, deren Rückzahlung auf Abruf der S erfolgen sollte. Die tatsächliche Laufzeit der Darlehen betrug nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten mehr als zwölf Monate. Die im Streitjahr an S gezahlten Darlehenszinsen in Höhe von 154.584 € sind als Betriebsausgabe bei der Klägerin abgezogen worden.

III. Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht

Die Revision wäre danach zurückzuweisen. Der vorlegende Senat erachtet die Hinzurechnung der Darlehenszinsen gemäß § 8 Nr. 1 GewStG 2002 aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht jedoch nicht als zweifelsfrei. Die Hinzurechnung könnte gegen Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/49/EG des Rates vom über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 157, 49) —EU-Zins- und Lizenzrichtlinie (ZLR)— verstoßen, dessen Auslegung dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vorbehalten ist (vgl. Art. 234 Abs. 1 Buchst. b des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrages von Nizza zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— 2002 Nr. C 325, 1 —EG—).

1. Nach Art. 1 Abs. 1 ZLR werden in einem Mitgliedstaat angefallene Einkünfte in Form von Zinsen von allen in diesem Staat darauf erhebbaren Steuern —unabhängig davon, ob sie an der Quelle abgezogen oder durch Veranlagung erhoben werden— befreit, sofern der Nutzungsberechtigte der Zinsen ein Unternehmen eines anderen Mitgliedstaates ist. Gemäß Art. 1 Abs. 7 ZLR findet Art. 1 Abs. 1 ZLR nur Anwendung auf grenzüberschreitende Zinszahlungen zwischen verbundenen Unternehmen.

2. Im Streitfall führen die Zinszahlungen der Klägerin an S nach Art. 1 Abs. 1 ZLR zu Einkünften in Form von Zinsen (vgl. Art. 2 Buchst. a ZLR), die nach Art. 1 Abs. 2 ZLR in Deutschland als Quellenstaat angefallen sind. S ist als Nutzungsberechtigter der Zinsen (vgl. Art. 1 Abs. 4 ZLR) ein Unternehmen eines anderen Mitgliedstaates i.S. des Art. 3 Buchst. a ZLR. Die Klägerin ist ein der S verbundenes Unternehmen, da S alleinige Anteilseignerin der Klägerin ist (vgl. Art. 3 Buchst. b ZLR).

3. Aus der EU-Zins- und Lizenzrichtlinie ergibt sich indes nicht eindeutig, ob die in Art. 1 Abs. 1 ZLR angeordnete Steuerbefreiung im Quellenstaat die steuerliche Abzugsfähigkeit der Zinsen beim zahlenden Unternehmen gebietet.

a) Für eine Beschränkung der Steuerbefreiung auf das die Zinsen empfangende Unternehmen spricht, dass „Einkünfte in Form von Zinsen” i.S. des Art. 1 Abs. 1 ZLR nur der Zahlungsempfänger haben kann.

Der Ausschluss des zahlenden Unternehmens von der Steuerbefreiung nach Art. 1 Abs. 1 ZLR lässt sich zudem aus dem Zweck der EU-Zins- und Lizenzrichtlinie ableiten. Nach der 1. Begründungserwägung der EU-Zins- und Lizenzrichtlinie sollen grenzüberschreitende Finanzbeziehungen zwischen Unternehmen nicht gegenüber gleichartigen Beziehungen innerhalb eines Mitgliedstaates benachteiligt werden. Die Hinzurechnung der Darlehenszinsen beim zahlenden Unternehmen erfolgt jedoch nach § 8 Nr. 1 GewStG 2002 unabhängig davon, ob der Zahlungsempfänger im Inland oder im Ausland ansässig ist. Sie führt damit nicht zu einer Ungleichbehandlung grenzüberschreitender Zinszahlungen gegenüber vergleichbaren inländischen Finanzbeziehungen.

Nach der dortigen 2. Begründungserwägung bezweckt die EU-Zins- und Lizenzrichtlinie die Vermeidung der Doppelbesteuerung. Durch die Hinzurechnung der Darlehenszinsen nach § 8 Nr. 1 GewStG 2002 kommt es indessen weder beim zahlenden Unternehmen noch beim Zahlungsempfänger zu einer Doppelbesteuerung, sondern lediglich zu einer kumulativen Belastung beider Unternehmen.

b) Für die Einbeziehung des zahlenden Unternehmens in die Steuererbefreiung nach Art. 1 Abs. 1 ZLR spricht, dass die Steuerbefreiung sich nach anderen Sprachfassungen nicht auf „Einkünfte in Form von Zinsen”, sondern auf die Zinszahlung bezieht.

Die Steuerbefreiung ist zudem nicht auf den Steuerabzug an der Quelle beschränkt; sie erfasst vielmehr ausdrücklich auch die im Wege der Veranlagung erhobenen Steuern. Im Gegensatz zu den vom EuGH zum Steuerabzug an der Quelle aufgestellten Grundsätzen (vgl. „Epson Europe BV”, Slg. 2000, I-4243, Rz 23; vom C-294/99 „Athinaïki Zythopoiia”, Slg. 2001, I-6797, Rz 28; vom C-284/06 „Burda”, Internationales Steuerrecht —IStR— 2008, 515, Rz 52, m.w.N.) setzt die Steuerbefreiung nach Art. 1 Abs. 1 ZLR daher möglicherweise nicht voraus, dass die Steuerbelastung den Zahlungsempfänger trifft.

Der in der 2. Begründungserwägung verwendete Begriff der Doppelbesteuerung ist nicht zwingend auf die rechtliche Doppelbesteuerung desselben Unternehmens beschränkt; er kann auch im Sinne einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung verstanden werden. In diesem Fall wäre der Zweck der EU-Zins- und Lizenzrichtlinie nach der 2. Begründungserwägung darauf gerichtet, die durch die Hinzurechnung der Darlehenszinsen ausgelöste Doppelbelastung des zahlenden Unternehmens einerseits und des Zahlungsempfängers andererseits zu beseitigen.

Für die Erstreckung der Steuerbefreiung auf das zahlende Unternehmen spricht schließlich die Effektivität der EU-Zins- und Lizenzrichtlinie. Denn bei einer Beschränkung der Steuerbefreiung auf den Zahlungsempfänger könnte die Steuerbefreiung im Quellenstaat durch die steuerliche Belastung des zahlenden Unternehmens unterlaufen werden.

4. Für den Fall, dass die Steuerbefreiung nach Art. 1 Abs. 1 ZLR die steuerliche Abzugsfähigkeit der Zinsen beim zahlenden Unternehmen gebietet, hält es der vorlegende Senat für zweifelhaft, ob im Streitfall die Ausnahmeregelung des Art. 1 Abs. 10 ZLR eingreift.

a) Nach Art. 1 Abs. 10 ZLR steht es den Mitgliedstaaten frei, die EU-Zins- und Lizenzrichtlinie nicht auf ein Unternehmen eines anderen Mitgliedstaats anzuwenden, wenn die in Art. 3 Buchst. b ZLR genannten Voraussetzungen während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens zwei Jahren nicht erfüllt waren. Diese Regelung könnte im Streitfall deshalb eingreifen, weil S die Beteiligung an der Klägerin im August 2003 erworben hat und die in Rede stehenden Zinszahlungen im Jahr 2004 geleistet worden sind.

b) Für das Eingreifen der Ausnahmeregelung im Streitfall spricht die Verwendung der Vergangenheitsform im Wortlaut des Art. 1 Abs. 10 ZLR. Denn der EuGH hat für die mit Art. 1 Abs. 10 ZLR vergleichbare Ausnahmeregelung des Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (ABlEG Nr. L 225, 6, berichtigt ABlEG Nr. L 226, 20) —Mutter-Tochter-Richtlinie (MTR)— unter Berufung auf die Verwendung des Präsens im Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 MTR angenommen, dass der Zeitpunkt der Steuerbefreiung für den Ablauf der Mindestbeteiligungszeit ohne Bedeutung ist (, C-291/94, C-292/94 „Denkavit International BV”, Slg. 1996, I-5063, Rz 24).

Dem Wortlaut des Art. 1 Abs. 10 ZLR kommt auch im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte der Ausnahmeregelung besondere Bedeutung zu. Danach wurde im ursprünglichen Richtlinienvorschlag der Kommission, KOM (90) 571 endg. vom (ABlEG Nr. C 53, 26 vom ) zunächst —in Übereinstimmung mit Art. 3 Abs. 2 MTR— die Gegenwartsform verwendet. Im Gegensatz dazu enthielt Art. 3 Abs. 2 des —erneuten— Richtlinienvorschlags der Kommission, KOM (98) 67 endg. vom (ABlEG Nr. C 123, 9 vom ) die Vergangenheitsform, die sodann in Art. 1 Abs. 10 ZLR übernommen wurde.

c) Die aus dem Wortlaut des Art. 1 Abs. 10 ZLR abgeleitete Schlussfolgerung, dass die Mindestbeteiligungszeit zum Zeitpunkt der Zinszahlung bereits abgelaufen sein müsse, ist indessen nicht zwingend. Denn die Verwendung der Vergangenheitsform im deutschen Text ist in dem erneuten Richtlinienvorschlag und bei deren Übernahme in Art. 1 Abs. 10 ZLR nicht in allen Sprachfassungen einheitlich erfolgt.

Der Ausnahmecharakter des Art. 1 Abs. 10 ZLR könnte ebenfalls dafür sprechen, dass für die Erfüllung der Mindestbeteiligungszeit nicht auf den Zeitpunkt der Zinszahlung abzustellen ist (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 1996, I-5063, Rz 27).

5. Für den Fall, dass der Streitfall von Art. 1 Abs. 1 ZLR erfasst wird und Art. 1 Abs. 10 ZLR eingreift, ist schließlich zweifelhaft, ob sich die Klägerin unmittelbar auf Art. 1 Abs. 1 ZLR berufen kann. Der vorlegende Senat neigt dazu, diese Frage zu bejahen.

a) Die EU-Zins- und Lizenzrichtlinie ist hinsichtlich der in Art. 1 Abs. 1 angeordneten Steuerbefreiung inhaltlich unbedingt und hinreichend genau, da sie insoweit die Bestimmung von Mindestrechten ermöglicht. Durch den in Art. 1 Abs. 10 ZLR enthaltenen Umsetzungsspielraum wird die Bestimmung von Mindestrechten nicht ausgeschlossen (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 1996, I-5063, Rz 39). Die Umsetzungsfrist ist nach Art. 7 Abs. 1 ZLR zum abgelaufen; die Steuerbefreiung entfaltet daher im Streitjahr unmittelbare Wirkung.

b) Richtlinien begründen zwar nach Art. 249 Abs. 3 EG Verpflichtungen nur für die Mitgliedstaaten, an die sie gerichtet sind. Verletzt aber ein Mitgliedstaat seine Verpflichtung zur Umsetzung der Bestimmungen einer Richtlinie, so kann er sich nach ständiger Rechtsprechung des EuGH gegenüber den Gemeinschaftsbürgern nicht auf Beschränkungen berufen, die sich aus den Bestimmungen der Richtlinie ergeben, von ihm aber nicht in seine innerstaatliche Rechtsordnung umgesetzt worden sind (, C-9/90 „Francovich”, Slg. 1991, I-5357, Rz 21; vom C-142/04 „Aslanidou”, Slg. 2005, I-7181, Rz 35; vom C-184/04 „Uudenkaupungin kaupunki”, Slg. 2006, I-3039, Rz 28; vom C-138/07 „Cobelfret NV”, IStR 2009, 167, Rz 49).

Die unmittelbare Wirkung der EU-Zins- und Lizenzrichtlinie wird danach durch die Ausnahmeregelung des Art. 1 Abs. 10 ZLR auch dann nicht ausgeschlossen, wenn der Quellenstaat die Bestimmungen der Richtlinie —einschließlich der Ausnahmeregelung— nicht in seine innerstaatliche Rechtsordnung umgesetzt hat. Denn ein Mitgliedstaat darf aus der Verletzung seiner Umsetzungspflicht aus Art. 249 Abs. 3 EG keinen Nutzen ziehen, da dieser Verpflichtung ansonsten jede Wirksamkeit genommen wäre ( 8/81 „Becker”, Slg. 1982, 53, Rz 29; vom C-91/92 „Faccini Dori”, Slg. 1994, I-3325, Rz 22, m.w.N.).

c) Ein Mitgliedstaat kann sich ferner bei unvollständiger Umsetzung einer Richtlinie nicht auf einen Umsetzungsspielraum berufen, wenn er hiervon im Hinblick auf die in seine innerstaatliche Rechtsordnung umgesetzten Bestimmungen keinen Gebrauch gemacht hat (vgl. , C-462/02 „Linneweber und Akritidis”, Slg. 2005, I-1131, Rz 35). Für den Bereich der Einkommen- und Körperschaftsteuer ist die EU-Zins- und Lizenzrichtlinie unter Verzicht auf die in Art. 1 Abs. 10 ZLR vorgesehenen Einschränkungen des personellen Anwendungsbereichs vollständig und ordnungsgemäß umgesetzt worden. Ein Rückgriff auf die Ausnahmeregelung scheidet damit auch für den Bereich der Gewerbesteuer aus, in dem die EU-Zins- und Lizenzrichtlinie —bei Erstreckung des Anwendungsbereichs auf das zahlende Unternehmen— nicht umgesetzt worden ist.

IV. Vorlage an den EuGH

Die Gemeinschaftsrechtslage ist zu den erwähnten Punkten nicht derart eindeutig, dass von einer Vorlage an den EuGH abgesehen werden dürfte (vgl. 283/81 „C.I.L.F.I.T.”, Slg. 1982, 3415). Der Senat setzt das Revisionsverfahren deshalb gemäß § 74 i.V.m. § 121 der Finanzgerichtsordnung aus und legt dem EuGH die im Leitsatz formulierten Rechtsfragen gemäß Art. 234 Abs. 3 EG zur Vorabentscheidung vor.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BB 2009 S. 2339 Nr. 44
BFH/NV 2009 S. 2059 Nr. 12
BFH/PR 2010 S. 11 Nr. 1
DB 2009 S. 2468 Nr. 46
DStR 2009 S. 2191 Nr. 43
DStRE 2009 S. 1412 Nr. 22
DStZ 2009 S. 908 Nr. 24
EStB 2009 S. 387 Nr. 11
FR 2010 S. 139 Nr. 3
GStB 2009 S. 419 Nr. 12
GStB 2009 S. 46 Nr. 12
GmbH-StB 2009 S. 326 Nr. 12
GmbHR 2009 S. 1223 Nr. 22
HFR 2010 S. 37 Nr. 1
IStR 2009 S. 780 Nr. 21
IWB-Kurznachricht Nr. 24/2009 S. 1179
KÖSDI 2009 S. 16707 Nr. 11
NWB-Eilnachricht Nr. 44/2009 S. 3395
RIW 2010 S. 89 Nr. 1
SJ 2009 S. 9 Nr. 22
StB 2009 S. 418 Nr. 12
StBW 2009 S. 3 Nr. 22
StuB-Bilanzreport Nr. 21/2009 S. 821
RAAAD-30587