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Grundlagen - Stand: 05.03.2023

Revisionsverfahren

Alexander v. Wedelstädt

I. Definition

Das Revisionsverfahren dient der rechtlichen Überprüfung von Entscheidungen des Finanzgerichts. Damit dient die Revision dem Individualrechtsschutz des Steuerpflichtigen und der Einzelfallgerechtigkeit einerseits sowie dem Allgemeininteresse an der Fortbildung des Rechts und der Wahrung der Rechtseinheit andererseits.

II. Statthaftigkeit der Revision

Die Revision ist – nur – statthaft, wenn das FG oder auf Beschwerde der BFH sie zugelassen hat. Sie ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 115 Abs. 2 FGO gegeben ist.

III. Zulassungsgründe

Die Revision gegen Urteile des FG setzt nach § 115 Abs. 1 FGO voraus, dass sie im Urteil durch das FG oder aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde durch den BFH zugelassen wird. Hat das FG sie also nicht zugelassen, führt der Weg zum BFH nur über die Nichtzulassungsbeschwerde.

§ 115 Abs. 2 FGO zählt die Zulassungsgründe abschließend auf. Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1. Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO)

Nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO rechtfertigt die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache die Zulassung der Revision. Dieser Revisionszulassungsgrund dient der Wahrung der Rechtseinheit und der einheitlichen Rechtsfortbildung, nicht der Entlastung des BFH.

„Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn ihre Beantwortung durch den BFH aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei soll es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Frage handeln, die klärungsbedürftig und im zu erwartenden Revisionsverfahren klärungsfähig sein muss. Ein im allgemeinen Interesse liegendes Bedürfnis nach Klärung einer Rechtsfrage ist gegeben, wenn sich diese Frage nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt, wenn sie nicht bereits durch die höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend geklärt ist oder wenn neue Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung durch den BFH erforderlich machen, sodass Unsicherheit in der Beantwortung der Rechtsfrage besteht.”

a) Grundsätzliche Bedeutung

Einer Rechtssache ist danach grundsätzliche Bedeutung beizumessen,

  • wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, deren Bedeutung über den Einzelfall hinausgeht und an deren Beantwortung ein allgemeines (abstraktes) Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an einer Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt (h.M.).

  • Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (st. Rspr ).

  • Die Klärung der Rechtsfrage darf nicht auf den Entscheidungsfall beschränkt sein darf, sondern muss eine unbestimmte Vielzahl gleichartiger Fälle betreffen.

  • Die Rechtsfrage kann das materielle Recht oder das Verfahrensrecht betreffen, aber auch bei Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm oder an der Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht oder Völkerrecht gegeben sein.

  • Bei ausgelaufenem oder auslaufendem Recht kann die grundsätzliche Bedeutung bejaht werden, wenn die Rechtsfrage noch für eine Vielzahl von Fällen entscheidungserheblich ist, weil eine Vielzahl von Fällen anhängig ist und die Rechtsfrage höchstrichterlich noch nicht entschieden worden ist.

Keine grundsätzliche Bedeutung wird begründet, wenn

  • über einen Sachverhalt der strittigen Art bisher nicht entschieden worden ist,

  • behauptet wird, das Urteil des Finanzgerichts sei rechtsfehlerhaft,

  • der Streitsache große wirtschaftliche oder finanzielle Bedeutung zugemessen wird

  • oder Vermögensinteressen geltend gemacht werden.

b) Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage

Die fragliche Rechtsfrage muss rechtlich unklar, d.h. zweifelhaft oder umstritten und deshalb klärungsbedürftig sein.

Das ist der Fall,

  • wenn die Rechtsfrage nach dem einschlägigen Steuergesetz und/oder nach der Rechtsprechung des BFH nicht ohne weiteres beantwortet werden kann,

  • wenn zu ihr unterschiedliche Auffassungen in der Rechtsprechung, vor allem in widerstreitenden Entscheidungen, im Schrifttum oder auch in Entscheidungen oder anderen Äußerungen der Verwaltung bestehen,

  • wenn zwar der BFH sie schon einmal entschieden hat oder eine herrschende Meinung besteht, dagegen aber im Schrifttum oder von den FG gewichtige neue Gesichtspunkte geltend gemacht werden, mit denen sich die angegriffene Meinung - BFH oder herrschende Meinung - noch nicht auseinandergesetzt hat und daher eine erneute Klärung geboten ist,

  • wenn die Finanzverwaltung mit vom BFH noch nicht berücksichtigten rechtlichen Gesichtspunkten nicht nach der Rechtsprechung des BFH verfährt; der Hinweis auf einen allgemeinen Nichtanwendungserlass reicht nicht aus.

Eine Klärungsbedürftigkeit ergibt sich nicht allein aus der Tatsache, dass der BFH sich noch nicht mit der Rechtsfrage befasst hat.

c) Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage

Die Rechtsfrage muss in dem anschließenden Revisionsverfahren klärungsfähig, d.h. klärbar sein.

  • Daher muss sie für die Revision entscheidungserheblich sein, also im Revisionsverfahren geklärt werden können, weil der BFH sich mit ihr im Revisionsverfahren auseinandersetzen muss. Das bedeutet, dass die Entscheidung des Finanzgerichts auf der Rechtsfrage beruhen muss.

  • Es muss die konkrete Möglichkeit bestehen, durch Zulassung und Revision eine Revisionsentscheidung über die Rechtsfrage herbeizuführen.

  • Das gilt auch dann, wenn die Verfassungswidrigkeit der für die Besteuerung maßgebenden Vorschriften geltend gemacht wird.

Die Klärungsfähigkeit fehlt, wenn

  • die Revision nicht statthaft ist, wenn z.B. die Rechtsfrage ausländisches Recht oder irrevisibles Landesrecht betrifft (§ 118 FGO),

  • der BFH im Revisionsverfahren wegen der Bindung an die tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) an der begehrten Überprüfung gehindert ist, z.B. weil das FG-Urteil vornehmlich in der Würdigung von Tatsachen besteht,

  • der BFH im zweiten Rechtszug an seine im ersten Rechtszug vertretene Auffassung gebunden ist (§ 126 Abs. 5 FGO),

  • der BFH die Sache wegen verfahrensrechtlicher Fragen an das FG zurückverweisen müsste, ohne zu der angeschnittenen materiell-rechtlichen Frage Stellung nehmen zu können.

Beruht das Urteil auf einer Mehrfachbegründung, müssen für alle Begründungen Zulassungsgründe geltend gemacht werden; kann dies nur für einen dieser Gründe geschehen, fehlt es an der Klärungsfähigkeit. Da die anderen Gründe die Entscheidung tragen, wird sich der BFH in der Revisionsentscheidung gar nicht mit dem angegriffenen Grund auseinandersetzen, so dass die Rechtsfrage nicht klärungsfähig ist.

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