BAG Urteil v. - 4 AZR 711/06

Leitsatz

[1] 1. In einem Tarifvertrag geregelte Rechte und Pflichten, die für das Arbeitsverhältnis auf Grund beiderseitiger Tarifgebundenheit der Arbeitsvertragsparteien gelten, werden bei einem Betriebsübergang auf einen nicht tarifgebundenen Erwerber nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB Inhalt des Arbeitsverhältnisses. Dies gilt auch, soweit sie zwar in der Vergangenheit geregelt worden sind, Wirksamkeit jedoch erst zu einem Zeitpunkt entfalten sollen, der nach dem Betriebsübergang liegt.

2. Darin liegt kein Verstoß gegen die negative Koalitionsfreiheit des Betriebserwerbers.

Gesetze: BGB § 613a Abs. 1 Satz 2; GG Art. 9 Abs. 3

Instanzenzug: ArbG München 14 Ca 4409/05 vom vom

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf eine Vergütungserhöhung und eine Einmalzahlung.

Der Kläger ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Er war seit dem beim Bayerischen Roten Kreuz (im Folgenden: BRK) als Heilerziehungspfleger beschäftigt. Der am geschlossene Arbeitsvertrag lautet auszugsweise:

"§ 2

Das Beschäftigungsverhältnis bemißt sich nach dem Manteltarifvertrag zur Anwendung des Bundes-Angestelltentarif-vertrages (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung.

...

§ 4

Die Vergütung berechnet sich nach Vergütungsgruppe BAT Vc Fallgruppe 5 des Vergütungstarifvertrages zu BAT Anlage 1a Teil II G und wird nach Abzug der Soziallasten monatlich überwiesen."

Das BRK war Tarifvertragspartei des Manteltarifvertrages für die Beschäftigten des Bayerischen Roten Kreuzes, zuletzt geändert mit Wirkung vom (im Folgenden: MTV-BRK), in dessen § 1 Abs. 1 ua. die Anwendung des BAT in der Fassung der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) vereinbart war.

Am wurde zwischen der Gewerkschaft ver.di und der dbb-tarifunion einerseits und dem Bund und der TdL andererseits im Rahmen des 78. Änderungstarifvertrags zum BAT der Vergütungstarifvertrag Nr. 35 (im Folgenden: VTV 35) abgeschlossen. In diesem wurde ua. eine Erhöhung der Vergütung in drei Stufen festgesetzt, nämlich für die Vergütungsgruppe des Klägers ab um 2,4 Prozent sowie ab und ab um je ein weiteres Prozent.

Außerdem wurde eine im November 2004 zu zahlende Einmalzahlung von 50,00 Euro vereinbart.

Das BRK gab die Vergütungserhöhungen von 2,4 Prozent zum und von einem Prozent zum an den Kläger weiter.

Mit Wirkung zum ging das Heim, in dem der Kläger beschäftigt ist, nach § 613a BGB auf die Beklagte über, die nicht tarifgebunden ist.

Der Kläger hat von der Beklagten die weitere Vergütungserhöhung von einem Prozent für die Zeit vom bis zum sowie die Einmalzahlung von 50,00 Euro für November 2004 verlangt. Er hat die Auffassung vertreten, die entsprechenden Erhöhungen seien bereits vor dem Betriebsübergang am vereinbart worden und dementsprechend Inhalt seines auf die Beklagte übergegangenen Arbeitsverhältnisses geworden.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 158,40 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers sei mit den zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Rechten und Pflichten auf sie übergegangen. Dies umfasse nicht Pflichten, die zwar auf Grund einer vor dem Betriebsübergang vereinbarten tarifvertraglichen Regelung begründet worden seien, jedoch erst nach Betriebsübergang wirksam würden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Berufung zugelassen.

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten - mit Ausnahme einer Korrektur des Zinsanspruchbeginns - zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Klageabweisung. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger die begehrte Vergütungserhöhung zusteht.

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass der Anspruch des Klägers zwar nicht auf einer nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB übergegangenen einzelvertraglichen Vereinbarung aus der Zeit vor dem Betriebsübergang beruhe. Der Anspruch sei jedoch nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB iVm. dem VTV 35 begründet, weil die dort bereits vorgesehene Vergütungserhöhung von einem Prozent zum sowie die Einmalzahlung im November 2004 von dieser Übergangsregelung erfasst gewesen seien. Zwar sei sie zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs nicht unmittelbar in Kraft, jedoch bereits verbindlich festgelegt gewesen. Sie sei deshalb beim Betriebsübergang auf die nicht tarifgebundene Beklagte zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses auf individualvertraglicher Ebene geworden. Auch seien die damit verbundenen Aufwendungen eines Betriebserwerbers für die Beklagte erkennbar und kalkulierbar gewesen, so dass deren Schutzbedürftigkeit gewahrt sei.

II. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten bleibt erfolglos. Der Kläger hat einen in der Höhe und hinsichtlich der Zinsen zwischen den Parteien unstreitigen vertraglichen Anspruch auf die geltend gemachten Leistungen. Dabei bedarf die keineswegs selbstverständliche Auffassung des Landesarbeitsgerichts, es gebe für den geltend gemachten Anspruch keine auf die Beklagte nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB übergegangene Rechtsgrundlage (vgl. dazu Senat - 4 AZR 554/06 - und - 4 AZR 767/06 -), ebenso wenig einer weiteren Erörterung wie die vom Landesarbeitsgericht nicht gestellte Frage, ob der Betriebsübergang am nicht bereits nach Wirksamwerden der letzten Stufe der Vergütungserhöhung am selben Tag stattgefunden hat. Denn mit dem Landesarbeitsgericht ist davon auszugehen, dass der Anspruch des Klägers jedenfalls auch nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB begründet ist, weil er vor dem Betriebsübergang zumindest auch normativ begründet war und dieses Element des Arbeitsverhältnisses wegen fehlender Tarifbindung des Erwerbers nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB als individualrechtliche Regelung fortgilt. Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht ferner davon ausgegangen, dass der Übergang auch die bereits festgelegten Vergütungserhöhungen umfasst, die in der Zeit nach dem Betriebsinhaberwechsel wirksam werden sollten.

1. Die Rechtsnormen des VTV 35, in dem ua. die drei Stufen der Vergütungserhöhungen zum , zum und zum geregelt sind, waren zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs am Inhalt des Arbeitsverhältnisses des Klägers mit dem BRK.

a) Sowohl der Kläger als auch das BRK waren normativ an den MTV-BRK gebunden, § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG. Das BRK war und ist Tarifvertragspartner des MTV-BRK. Der Kläger ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di, die den MTV-BRK auf Arbeitnehmerseite abgeschlossen hat.

b) Der MTV-BRK enthält eine Blankett-Verweisung auf den BAT/TdL. Gegen die Zulässigkeit dieser Verweisung bestehen keine Bedenken. Nach der Senatsrechtsprechung ist eine dynamische Verweisung auf einen von anderen Tarifvertragsparteien abgeschlossenen Tarifvertrag jedenfalls dann unbedenklich und wirksam, wenn - wie hier - im betrieblichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich der beiden Normenwerke ein enger Zusammenhang besteht (vgl. dazu - 4 AZR 295/00 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 18 = EzA BGB § 613a Nr. 203; Wiedemann/Thüsing TVG 7. Aufl. § 1 Rn. 235 ff., jeweils mwN).

Von dieser Verweisung sind auch diejenigen Tarifverträge umfasst, auf die seinerseits der BAT/TdL verweist. Dies gilt auch für die jeweiligen Vergütungstarifverträge, in denen die Höhe der Vergütungen für die einzelnen Vergütungsgruppen festgesetzt wird. Dementsprechend sind auch beide Vertragspartner vor dem Betriebsübergang davon ausgegangen, dass der VTV 35 auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet, was sich bereits daran zeigt, dass das BRK die im VTV 35 vorgesehene erste Vergütungserhöhung von 2,4 Prozent zum an den Kläger ebenso weitergegeben hat wie die ebenfalls im VTV 35 vorgesehene zweite Stufe der Vergütungserhöhung von einem Prozent zum . Auch die Beklagte zweifelt die Anwendung des VTV 35 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht generell an.

2. Die tariflichen Verpflichtungen aus dem VTV 35 sind mit dem Betriebsübergang auf die Beklagte gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB Inhalt des nunmehr zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses geworden. Da die Beklagte nicht tarifgebunden ist und eine anderweitige kollektivrechtliche Geltung der Tarifnormen ausscheidet, greift für die bis dahin normativ geltenden Rechte und Pflichten die Auffangregelung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB ein (vgl. dazu Senat - 4 AZR 208/97 - BAGE 89, 193, 199 f.).

3. Zu den auf die Beklagte nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB übergegangenen Pflichten des BRK gehört auch die Weitergabe der dritten Stufe der Vergütungserhöhung von einem Prozent ab dem und die Leistung der Einmalzahlung für November 2004.

a) Die Revision beruft sich zu Recht darauf, dass das Arbeitsverhältnis nur mit den Rechten und Pflichten auf den Erwerber übergeht, die zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehen. § 613a Abs. 1 BGB sichert nur die Rechte der übergehenden Arbeitnehmer, verbessert sie aber nicht. Entscheidend ist demnach, was zu den Rechten und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs zu zählen ist.

b) Die entsprechend der Grundregel in § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB zum Zeitpunkt des Übergangs des Arbeitsverhältnisses bestehenden Rechte und Pflichten beschreiben das Arbeitsverhältnis umfassend, wie es zu diesem Zeitpunkt existiert. Dazu gehören nicht nur die aktuell realisierten Rechte und Pflichten, sondern alle, auf die sich eine der Vertragsparteien bei unveränderter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses berufen könnte. Dabei tritt der Erwerber an die Stelle des Veräußerers und nimmt dessen Rechtsstellung unverändert ein (vgl. nur ErfK/Preis 7. Aufl. § 613a BGB Rn. 66; Staudinger/Annuß BGB (2005) § 613a Rn. 213 ff.). Diese umfasst alle Rechtspositionen aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, die zu dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs den Inhalt des Arbeitsverhältnisses bestimmen.

Dabei kann es zu "übergreifenden" Wirkungen von arbeitsrechtlich relevanten Vorgängen aus der Vergangenheit in das Arbeitsverhältnis auch nach dem Übergang kommen. Dies gilt zB für die gesetzliche Wertung von Beschäftigungszeiten beim Veräußerer, die etwa bei der Bemessung der Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 2 BGB beim Erwerber von Bedeutung ist. Auch auf eine etwaige Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG oder § 3 Abs. 3 EFZG sind die bei dem bisherigen Betriebsinhaber zurückgelegten Beschäftigungszeiten anzurechnen ( -BAGE 102, 58, 62 f. mwN). Soweit eine Abfindung nach der Beschäftigungszeit zu berechnen ist, sind ebenfalls die beim Veräußerer absolvierten Zeiten einzubeziehen ( - [Collino, Chiappero] EuGHE I 2000, 6659 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 29 = EzA BGB § 613a Nr. 191). Ferner soll der Erwerber - jedenfalls außerhalb eines Insolvenzverfahrens - auch für Ansprüche aus Altersteilzeitmodellen haften, wenn der Arbeitnehmer sich in der Freistellungsphase befindet ( - ZIP 2004, 272; Schaub ArbR-Hdb. 11. Aufl. § 118 Rn. 66; offengelassen von - NZA 2005, 527). Auch Anwartschaften aus der betrieblichen Altersversorgung gehen auf das mit dem Erwerber fortbestehende Arbeitsverhältnis über ( - AP BetrAVG § 1 Betriebsveräußerung Nr. 7 = EzA BGB § 613a Nr. 81). Dies gilt nicht nur für unverfallbare, sondern auch bereits für noch verfallbare Anwartschaften, die beim Erwerber durch Zeitablauf unverfallbar werden oder zum Vollrecht erstarken können ( -BAGE 70, 209, 213). Sogar die noch nicht vollendete Begründung einer betrieblichen Übung muss der Erwerber gegen sich gelten lassen, soweit bereits ein Vertrauenstatbestand gesetzt wurde; allerdings kann er die Vollendung der Begründung einer betrieblichen Übung kraft eigenen Entschlusses absetzen und so den Eintritt der Bindung verhindern (ErfK/Preis § 613a BGB Rn. 74 mwN). Auch insoweit also übernimmt er die von dem Veräußerer geschaffenen Bedingungen in dem Zustand, in dem sie zur Zeit des Betriebsübergangs sind.

Umgekehrt sind auch sämtliche für den Arbeitnehmer nachteiligen Rechtspositionen, soweit sie sich erst in der Zukunft realisieren, Inhalt des Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitnehmer muss sie sich ggf. auch von dem Betriebserwerber entgegenhalten lassen. Im Grundsatz ist auch eine vorher wirksam vereinbarte Befristung des übergegangenen Arbeitsvertrags - insofern eine dem Streitfall vergleichbare Konstellation - eine auflösende Bedingung, die erst in der Zukunft eintritt. Als solche ist sie vom Übergang des Arbeitsverhältnisses umfasst. Die Einbeziehung auch eines Übergangs- oder Schwebezustands zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs gilt ferner zB für den Lauf einer Ausschlussfrist vor dem Betriebsübergang (Gaul Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung § 13 Rn. 144; Staudinger/Annuß § 613a Rn. 224) und für evtl. bestehende Gestaltungsrechte, zB auf Kündigung oder Anfechtung; diese gehen auf den Erwerber über (MünchKommBGB/Müller-Glöge 4. Aufl. § 613a Rn. 100). Deshalb ist ein Betriebserwerber an den zwischen dem Arbeitnehmer und dem Betriebsveräußerer vereinbarten Personalrabatt auf verbilligten Bezug bestimmter Waren uU nicht gebunden, wenn es sich dabei - wie in der Regel -um eine auflösend bedingte Verpflichtung des Arbeitgebers handelt, die vom Fortbestand der tatsächlichen Möglichkeit der Vorteilsgewährung abhängig ist, diese für den Erwerber jedoch nicht besteht (zum Jahreswagen - BAGE 112, 23; zu Flugvergünstigungen - 10 AZR 792/05 - EzA BGB 2002 § 611 Personalrabatt Nr. 2). Denn diese Bedingung ist Bestandteil des "Rechtes" und kann bei unverändertem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit dem Veräußerer ebenso eintreten wie bei dem Erwerber nach dem Betriebsübergang und damit ihre auflösende Wirkung entfalten. Auch dieses Recht geht in seiner auflösend bedingten Form auf den Erwerber über.

c) Soweit diese so beschriebenen Rechte und Pflichten des bisherigen Arbeitsverhältnisses in einem normativ wirkenden (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG) Tarifvertrag geregelt sind, gelten für sie keine anderen Grundsätze. Sie werden bei fehlender Tarifbindung des Erwerbers in das Arbeitsverhältnis transformiert und erhalten einen anderen Geltungsgrund. Der Gegenstand des Übergangs bleibt davon unberührt.

Daher gehen auch diejenigen Rechte und Pflichten des Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber über, die in den genannten Kollektivnormen geregelt sind, ohne dass spätere Änderungen der Kollektivnormen selbst Einfluss auf die Weitergeltung nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB haben. Auch für diese gilt, dass sie in dem Zustand übergehen, in dem sie sich zum Zeitpunkt des Übergangs befinden. Sie gelten zwar statisch fort, aber eine in der (statisch) fortgeltenden Norm selbst angelegte Dynamik (so die Formulierung bei Staudinger/Annuß § 613a Rn. 266) bleibt aufrechterhalten. Das umfasst bereits vereinbarte Abschmelzungen ebenso wie bereits vereinbarte Erhöhungen. Auflösende oder aufschiebende Bedingungen von Rechten und Pflichten gehen genauso über wie Anwartschaften. Es gibt keinen Grund, die in das Arbeitsverhältnis transformierten bisherigen Kollektivnormen anders zu behandeln als individuell vereinbarte Stufensteigerungen, Abschmelzungen uä. (im Erg. ebenso Staudinger/Annuß aaO; Erman/Edenfeld BGB 11. Aufl. § 613a Rn. 81; auch schon die Voraufl. Erman/Hanau aaO; Lambrich FS Ehmann S. 169, 193 f.; Picot/Schnitker Arbeitsrecht bei Unternehmenskauf und Restrukturierung Teil I Rn. 327; wohl auch ErfK/Preis § 613a BGB Rn. 113; aA HWK/Willemsen/Müller-Bonanni 2. Aufl. § 613a BGB Rn. 265; Hohenstatt in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen 2. Aufl. E Rn. 116 <anders noch die Voraufl.>; Schiefer in Leinemann/Wagner/Worzalla HandbuchFA-ArbR 4. Aufl. Kapitel 1 Rn. 1981; wohl auch MünchKommBGB/Müller-Glöge § 613a Rn. 134).

d) Diese Auslegung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB wird gestützt durch einen Vergleich mit der prinzipiell ähnlichen Situation bei einem Eintritt der Nachwirkung gem. § 4 Abs. 5 TVG nach vorherigem Verbandsaustritt des Arbeitgebers und Ende des Tarifvertrags gem. § 3 Abs. 3 TVG (zur Parallelität dieser Konstellationen vgl. Senat - 4 AZR 332/00 - BAGE 99, 10, 21 ff. mwN). Auch hier ist das Arbeitsverhältnis nicht mehr an tarifliche Entwicklungen angebunden, die sich nach dem Ende des Tarifvertrags vollziehen und auf deren inhaltliche Gestaltung der Arbeitgeber durch seinen Verbandsaustritt keinerlei Einflussmöglichkeiten mehr hat. Er muss aber die Normen, die zum Zeitpunkt der Beendigung des Tarifvertrags, dessen Geltung durch seine frühere Mitgliedschaft im Verband noch legitimiert ist, gelten, weiter anwenden. Der Tarifvertrag wird in der zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Fassung "eingefroren".

Für diese Konstellation hat das Bundesarbeitsgericht bereits mehrfach entschieden, dass Veränderungen der Normen, die erst nach Beendigung der zwingenden Wirkung eintreten sollen, aber noch vor diesem Zeitpunkt wirksam und verbindlich vereinbart worden sind, vom ausgetretenen Arbeitgeber anzuwenden sind; hierauf beruhende Ansprüche der Arbeitnehmer, die erst im Nachwirkungszeitraum entstehen, aber vorher vereinbart worden sind, hat er zu erfüllen (zB - 8 AZR 439/89 - BAGE 65, 359; zust. Wiedemann/Oetker § 3 Rn. 80; Däubler/Lorenz TVG 2. Aufl. § 3 Rn. 125). Ein "Einfrieren" auch dieser bis zum Betriebsübergang in der statisch übergehenden Norm bereits festgelegten Dynamik kommt allenfalls dann in Betracht, wenn die Umsetzung dieser Dynamik in dem Tarifvertrag zusätzlich von einer weiteren außervertraglichen dynamischen Komponente abhängig gemacht wird, nicht aber dann, wenn es nur und ausschließlich auf den Zeitablauf ankommt (Senat - 4 AZR 363/99 - BAGE 94, 367, 378). Dabei entspricht der bei § 4 Abs. 5 TVG vorausgesetzten Zurechnung der Einflussmöglichkeit durch die Mitgliedschaft im Verband und - konsequenterweise - dem "Einfrieren" bei Wegfall dieser Einflussmöglichkeit im Rahmen des § 613a Abs. 1 BGB die Entscheidung über den Erwerb des Betriebs oder Betriebsteils; die zu diesem Zeitpunkt geltenden Bedingungen sind - unter Einbeziehung einer darin verbindlich vorgesehenen Dynamik - von der rechtsgeschäftlichen Willenserklärung des Erwerbers umfasst. Er muss sie deshalb im Rahmen der Einzelrechtsnachfolge gegen sich gelten lassen wie der Veräußerer sie ohne den Betriebsübergang auch hätte gelten lassen müssen. Umgekehrt ist der Arbeitgeber an nach dem Verbandsaustritt vereinbarte Änderungen des Tarifvertrags auch dann nicht gebunden, wenn diese in den Zeitraum der Mitgliedschaft zurückwirken (Senat - 4 AZR 603/94 - AP TVG § 1 Rückwirkung Nr. 15 = EzA TVG § 4 Nachwirkung Nr. 19; MünchKommBGB/Müller-Glöge § 613a Rn. 134).

e) Danach sind auch die Erhöhung der Vergütung des Klägers um ein Prozent zum und die Verpflichtung zur Einmalzahlung für November 2004 von dem Übergang des Arbeitsverhältnisses erfasst. Diese waren Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem BRK und dem Kläger. Als aufschiebend bedingte Verpflichtungen hätten sie bei unverändertem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zwischen dem BRK und dem Kläger auch von jenem erfüllt werden müssen, wenn keine andere Abmachung getroffen worden wäre. Wegen des Betriebsübergangs treffen diese Verpflichtungen nun die Beklagte.

4. Diese Auslegung verstößt auch nicht gegen die negative Koalitionsfreiheit der Beklagten.

a) Die Revision ist der Auffassung, dass der Betriebserwerber bei einer Bindung an dynamische Regelungen von langfristig vereinbarten Tarifverträgen tatsächlich länger als ein Jahr an tarifvertragliche Entwicklungen gebunden sein könnte, was er durch die Nichtmitgliedschaft im Verband gerade habe vermeiden wollen. Dies sei ein Verstoß gegen die negative Koalitionsfreiheit.

b) Diese Rüge geht fehl.

aa) Die individuelle negative Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG schützt den nicht verbandsangehörigen Arbeitgeber in erster Linie davor, dass auf ihn ein unziemlicher Druck zum Beitritt in den oder zum Verbleib im Verband ausgeübt wird (vgl. aus der Rspr. zuletzt - BVerfGE 116, 202; - AP TVG § 3 Verbandszugehörigkeit Nr. 22 = EzA GG Art. 9 Nr. 88; aus der Lit. Schaub § 188 Rn. 5 ff.). Dieser Gesichtspunkt ist vorliegend nicht berührt. Durch die Erstreckung von Tarifnormen auf Außenseiter wird ein unzulässiger Zwang oder Druck in Richtung auf eine Mitgliedschaft nicht ausgeübt ( - BVerfGE 44, 322, 352; - 1 BvR 948/00 - AP AEntG § 1 Nr. 4 = EzA GG Art. 9 Nr. 69).

Soweit die Beklagte darauf abstellt, dass sie als Außenseiterin unter Verstoß gegen ihre negative Koalitionsfreiheit an tarifliche Normen und die in ihnen bereits vorgesehene Weiterentwicklung gebunden worden ist, könnte zwar nach einer in der rechtswissenschaftlichen Literatur vertretenen Auffassung (zB Schüren RdA 1988, 138, 139; Biedenkopf Grenzen der Tarifautonomie S. 101; Schleusener ZTR 1998, 100, 101; vgl. aber auch Senat - 4 AZR 295/00 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 18 = EzA BGB § 613a Nr. 203; - BAGE 77, 353, 360; dagegen Rieble NZA 2007, 1, 2; ErfK/Dieterich Art. 9 GG Rn. 35 mwN; krit. auch Wiedemann/Oetker § 3 Rn. 30) der Schutzbereich der negativen Koalitionsfreiheit durch eine gesetzliche Anordnung der Geltung fremder (Tarif-) Normen berührt sein (vgl. insoweit zB zur Verfassungsmäßigkeit der Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 TVG: ua. - BVerfGE 55, 7; der Nachbindung gem. § 3 Abs. 3 TVG: Senat - 4 AZR 499/92 -BAGE 74, 41, 44; der Nachwirkung gem. § 4 Abs. 5 TVG: - AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 36 = EzA TVG § 4 Nachwirkung Nr. 29; der Erstreckung von Betriebsnormen auf nicht tarifgebundene Arbeitnehmer gem. § 3 Abs. 2 TVG: - AP TVG § 3 Betriebsnormen Nr. 1 = EzA TVG § 1 Betriebsnorm Nr. 1; der BauArbbV nach § 1 Abs. 3a AEntG: - AP AEntG § 1 Nr. 4 = EzA GG Art. 9 Nr. 69; eines Landes-"Tariftreuegesetzes" - 1 BvL 4/00 - BVerfGE 116, 202). Dieser Gesichtspunkt scheidet vorliegend aber schon deshalb aus, weil die arbeitsvertragliche Bindung der Beklagten an Regelungen, die einstmals von Tarifvertragsparteien vereinbart worden sind, allein auf einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung der Beklagten selbst beruht, mit der sie in Ausübung ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG den Betrieb übernommen hat, in dem der Kläger beschäftigt ist. Die auf der Mitgliedschaft des Betriebsveräußerers - hier: des BRK - und des Arbeitnehmers in der jeweiligen Tarifvertragspartei beruhende Bindung an tarifvertragliche Normen wird dabei gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB der Dynamik gerade entkleidet und lediglich in statischer Form in das Arbeitsverhältnis transformiert. Diese gesetzlichen Rahmenbedingungen des durch die Willenserklärung der Beklagten rechtsgeschäftlich begründeten Betriebsübergangs sind von dem Rechtsbindungswillen des Erklärenden erfasst. Eine Bindung an nachfolgende Änderungen dieser Regelungen durch die Tarifvertragsparteien besteht in der hier vorliegenden Konstellation gerade nicht.

bb) Auch aus europarechtlicher Sicht ist die Beklagte in ihrer negativen Koalitionsfreiheit iSv. Art. 11 EMRK nicht beeinträchtigt. Anders als bei der Implementierung einer kollektiv-rechtlichen Norm in das Arbeitsverhältnis auf dem Wege über eine einzelvertragliche Verweisungsklausel weist die hier vorliegende Konstellation zwar europarechtliche Bezüge auf, weil es um eine kollektiv-rechtlich begründete Geltung (nämlich die normative Wirkung des MTV-BRK und darauf beruhend des VTV 35) arbeitsrechtlicher Verpflichtungen im Arbeitsverhältnis des nun nicht mehr kollektivrechtlich gebundenen Erwerbers geht. Die hier vertretene Auslegung verstößt aber nicht gegen die Grundsätze, auf die sich der EuGH insbesondere in der Entscheidung vom (- C-499/04 - [Werhof] EuGHE I 2006, 2397 = AP Richtlinie 77/187/EWG Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 44) bezogen hat. Der EuGH hat dabei deutlich gemacht, dass es um die Freiheit des Erwerbers von Bindungen aus "künftigen Kollektivverträgen" geht (so - C-499/04 - aaO Rn. 34, 35) bzw. "nach dem Zeitpunkt des Unternehmensübergangs geschlossener Kollektivverträge" ( - C-499/04 - aaO Rn. 36) bzw. "Kollektivverträge, die dem zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs geltenden nachfolgen", ( - C-499/04 - aaO Rn. 37) geht. Vorliegend handelt es sich aber um einen Kollektivvertrag, der zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bereits abgeschlossen war, in Kraft getreten und danach nicht wieder verändert worden ist. Ein solcher Tarifvertrag wird bereits vom Wortlaut der EuGH-Auslegung der negativen Koalitionsfreiheit nicht erfasst, so dass sich eine Auseinandersetzung mit anderen Aspekten dieser Entscheidung hier erübrigt.

III. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen, weil ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist, § 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
BB 2008 S. 447 Nr. 9
DB 2008 S. 643 Nr. 12
NJW 2008 S. 1022 Nr. 14
NWB-Eilnachricht Nr. 21/2008 S. 1984
ZIP 2008 S. 378 Nr. 8
CAAAC-69920

1Für die amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein