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BBK Nr. 20 vom Seite 953

Bilanzierung von Bewertungseinheiten am Beispiel eines Zinsswaps

Dr. Johannes Riepolt

[i]Hänsch, Bewertungseinheiten (§ 254 HGB, § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG), Grundlagen NWB TAAAH-36023 Zinsswaps stellen derivative Finanzinstrumente dar, mit denen wirtschaftlich insbesondere variabel verzinsliche Darlehen in festverzinsliche Darlehen transferiert werden können und umgekehrt. Sofern die entsprechenden objektiven und subjektiven Voraussetzungen erfüllt sind, d. h. der Zinsswap zur Absicherung gegenläufiger Zahlungsströme dient, kann dieser im Rahmen einer Bewertungseinheit i. S. des § 254 HGB zusammen mit dem Grundgeschäft, d. h. der ursprünglichen Zinszahlungsverpflichtung, bilanziert werden. Die handelsbilanzielle Bewertungseinheit, für deren Bilanzierung eine weniger vorsichtige Gewinnermittlung als ansonsten im Rahmen des Vorsichtsprinzips üblich erfolgt, schlägt sich gem. § 5 Abs. 1a und Abs. 4a EStG auch in der Steuerbilanz nieder (Spezialmaßgeblichkeit).

In diesem Buchführungs-Seminar werden die Funktionsweise und Bilanzierung eines Zinsswaps aus der Perspektive einer bilanzierenden Nicht-Bank erläutert und anhand eines Fallbeispiels dargestellt.

I. Finanzwirtschaftlicher Hintergrund

1. Begriff und Ausgestaltung von Zinsswaps

[i]Ronig, Termingeschäfte/Derivate, infoCenter NWB QAAAC-44716 Zinsswaps (interest-rate-swaps) stellen eine besondere Form derivativer Finanzinstrumente dar. Die Eigenschaft derivativer Finanzinstrumente besteht darin, dass sich deren eigener Wert aus der Wertentwicklung eines Basiswerts (sog. underlying) ableitet. Es handelt sich bei Zinsswaps um unbedingte Termingeschäfte, bei denen beide Vertragsparteien zur Erfüllung des Termingeschäfts bei Eintritt der vereinbarten Voraussetzungen (Bedingung) verpflichtet sind. S. 954

Zinsswaps werden außerbörslich gehandelt bzw. abgeschlossen (over-the-counter). Damit können die vertraglichen Konditionen grundsätzlich individuell zwischen den Parteien vereinbart werden. Unter Einbindung von Banken sind dabei jedoch auch weitgehend standardisierte Verträge anzutreffen.

Im [i]Tausch von festen gegen variable ZinsenRahmen eines Zinsswaps werden zwischen zwei Parteien zu vertraglich vereinbarten festen Zeitpunkten (f ixing) i. d. R. periodische Zahlungen getauscht in Form

  • fester Zinsen, die meist aus einem konkreten Darlehensvertrag resultieren, gegen

  • variable Zinsen, die sich meist an einem Leitzinssatz orientieren (z. B. 3-Monats-EURIBOR, 6-Monats-LIBOR).

Als Berechnungsgröße der Zinszahlungen dient zumeist ein zwischen Grundgeschäft und Derivat einheitlicher Nennwert der Darlehensschuld. Eine derartige Vereinbarung wird auch als plain-vanilla-swap bezeichnet. Die Zinszahlungen werden i. d. R. nicht in voller Höhe zwischen den Vertragsparteien geleistet, sondern es erfolgt ein Differenzausgleich zu den vereinbarten Zeitpunkten (netting).

Hinweis:

Im Rahmen von Zinsswaps ist zu beachten, dass nicht die Darlehensschuld als solche, sondern lediglich die Zahlung der Zinsen dem Tauschgeschäft unterliegt!

2. Funktionen von Zinsswaps

[i]Absicherung finanzwirtschaftlicher RisikenZinsswaps können – wie auch andere derivative Finanzinstrumente – zu unterschiedlichen Zwecken eingesetzt werden. Neben der reinen Finanzspekulation (trading-swap) und der gezielten Ausnutzung von Marktunvollkommenheiten (arbitrage-swap) kommen diese in der unternehmerischen Praxis überwiegend zur Absicherung finanzwirtschaftlicher Risiken zur Anwendung (hedging-swap). Die – von der Bilanzierung als Bewertungseinheiten betroffenen – hedging-swaps lassen sich wiederum unterteilen in

  • micro hedges, die sich auf ein einzelnes Grundgeschäft beziehen,

  • portfolio hedges, die sich auf mehrere gleichartige Grundgeschäfte beziehen, sowie

  • macro hedges, die sich auf mehrere Gruppen von Grundgeschäften beziehen.

Die [i]Grundkonzept ZinsswapGrundkonstruktion eines plain-vanilla-Zinsswaps lässt sich wie folgt abbilden:

Da der Zinsaufwand aus dem Grundgeschäft und der Zinsertrag aus dem Sicherungsgeschäft betraglich einander entsprechen, ist das Unternehmen insgesamt nur vom Zinsaufwand aus dem Sicherungsgeschäft – vorliegend dem festen Zins – belastet. Wirtschaftlich entspricht dies einer festen Verzinsung (synthetisch festverzinsliches Darlehen).S. 955

3. Bewertung von Zinsswaps

[i]Bewertung mit dem BarwertEine methodisch komplexe Fragestellung birgt die Bewertung von Zinsswaps. Diese erfolgt finanzmathematisch mit dem Barwert der aus dem Zinsswap resultierenden Zahlungen. Die Zahlungen der fixen Seite sind dabei von vornherein bekannt, die Zahlungen der variablen Seite werden i. d. R. über forward rates, d. h. über erwartete durchschnittliche Zinssätze, abgebildet. Die anhand der forward rates ermittelten Zahlungen werden durch Verwendung aktueller Zinsstrukturkurven abgezinst.

Unter idealen Bedingungen sind zum Zeitpunkt des Abschlusses des Zinsswaps

  • der Barwert aus Sicht des Zahlers des festen Zinssatzes (payer-swap) und

  • der Barwert der künftigen Zahlungen aus Sicht des Empfängers des festen Zinssatzes (receiver-swap) identisch.

Zum Abschluss des Zinsswaps hat dieser somit einen Marktwert von Null. Ist diese Bedingung nicht erfüllt, werden in der Praxis oftmals Zahlungen durch einen Vertragspartner geleistet (upfront-payments), um diese Bedingung herzustellen.

II. Bilanzielle Behandlung von Zinsswaps zum Zwecke des Hedging

1. Handelsbilanz

1.1 Bewertungsgrundsatz

[i]Theile, Bewertungseinheiten/Hedge Accounting (HGB), infoCenter NWB CAAAE-65841 Der Abschluss eines Darlehens und der Abschluss eines Zinsswaps stellen grundsätzlich zwei voneinander rechtlich unabhängige – jedoch wirtschaftlich miteinander verbundene – Geschäfte dar. Mit dem Swap erhält das Unternehmen den Anspruch auf Zinseinzahlungen mit der Verpflichtung, Zinsauszahlungen in anderer Ausgestaltung zu leisten. Der Wert des Zinsswaps ergibt sich aus der Entwicklung der Marktzinssätze über die Restlaufzeit des Darlehens.

Sofern die Voraussetzungen für eine Bewertungseinheit nicht erfüllt sind oder auf die aus der Bewertungseinheit resultierende kompensatorische Bewertung verzichtet wird, gilt der Grundsatz der Einzelbewertung, wonach die Zinszahlungsverpflichtung aus dem Grundgeschäft und der Anspruch auf Zinszahlung aus dem Sicherungsgeschäft unabhängig voneinander zu betrachten sind.

[i]Wertänderungen des ZinsswapsIm Falle einer Wertsteigerung des Zinsswaps gilt für dessen Bewertung das Realisations- und Anschaffungskostenprinzip (Vorsichtsprinzip), mithin ist eine Wertsteigerung des Zinsswaps nicht als Ertrag zu realisieren. Kommt es zu einer Wertminderung des Zinsswaps ist hingegen aufgrund des Imparitätsprinzips eine Drohverlustrückstellung nach § 249 Abs. 1 HGB ergebniswirksam zu bilden.

1.2 Bewertungseinheiten

[i]Zusammenfassung von Vermögensgegenständen/Schulden und FinanzinstrumentenHandelsbilanziell besteht mit § 254 HGB eine explizite Regelung für die Bildung von Bewertungseinheiten. Die Regelung gilt – durch deren systematische Anordnung im ersten Abschnitt des dritten Buches des HGB – für alle Kaufleute ungeachtet deren Rechtsform und Größenklasse.

Hinweis:

Eine Bewertungseinheit liegt vor, wenn Vermögensgegenstände, Schulden, schwebende Geschäfte oder mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartete Transaktionen zum Ausgleich gegenläufiger Wertänderungen oder Zahlungsströme aus dem Eintritt vergleichbarer Risiken mit Finanzinstrumenten zusammengefasst werden. Als S. 956Finanzinstrumente gelten dabei auch Termingeschäfte über den Erwerb oder die Veräußerung von Waren (§ 254 Satz 2 HGB).

Als [i]Nichtanwendung einzelner HGB-Vorschriften bilanzielle Konsequenz einer Bewertungseinheit sind in dem Umfang und in dem Zeitraum, in dem sich gegenläufige Wertänderungen oder Zahlungsströme ausgleichen, die folgenden Normen nicht anzuwenden:

  • § 249 Abs. 1 HGB, d. h. das Ansatzgebot für Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften;

  • § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB, d. h. der Grundsatz der Einzelbewertung von Vermögensgegenständen und Schulden;

  • § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB, d. h. das Vorsichtsprinzip mit dem Imparitätsprinzip (Verlustberücksichtigung) und dem Realisationsprinzip (Gewinnberücksichtigung);

  • § 253 Abs. 1 Satz 1 HGB, d. h. das Anschaffungswertprinzip als Wertobergrenze;

  • § 256a HGB, d. h. die Währungsumrechnung unter Anwendung des Anschaffungskosten- und Realisationsprinzips für Restlaufzeiten bis zu einem Jahr.

[i]Durchbrechung von BilanzprinzipienDurch die Nichtanwendung o. g. Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung kommt es zu einer – gegenüber den allgemeinen handelsrechtlichen Bilanzierungsgrundsätzen – weniger vorsichtigen Gewinnermittlung. Die einheitliche Bilanzierung von Grundgeschäft und Sicherungsinstrument wird auch als kompensatorische Bewertung bezeichnet.

Ausgleichszahlungen im Rahmen des Abschlusses eines Swaps, die im Einzelfall zu leisten sind, wenn sich die Barwerte der Vertragsparteien unterscheiden, sind über die Laufzeit des Swaps ergebniswirksam zu verteilen, mithin als Rechnungsabgrenzungsposten zu erfassen.