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BBK Nr. 15 vom Seite 721

Bildung von Rückstellungen für ausstehende Rechnungen

Strategien zur Vermeidung zukünftiger Anschaffungs- oder Herstellungskosten

Dr. Benjamin Roos

[i]Happe, Rückstellungen: Ausstehende Rechnungen, Rückstellungslexikon NWB OAAAC-42939 Im Rahmen der Abschlusserstellung kommt es regelmäßig vor, dass Lieferantenrechnungen nicht im Bilanzaufstellungszeitraum eingehen. Um dem Grundsatz der Periodenabgrenzung gerecht zu werden, sind für diese sog. ausstehenden Rechnungen Rückstellungen zu passivieren. Allerdings ist dies nur dann zulässig, wenn die künftigen Aufwendungen zur Erfüllung der Verpflichtung sofort abziehbare Ausgaben darstellen. Eine Passivierung scheidet hingegen aus, wenn die künftigen Aufwendungen als Anschaffungs- oder Herstellungskosten aktiviert werden müssen. Ziel des Beitrags ist es aufzuzeigen, womit dieses Passivierungsverbot für aktivierungspflichtige Anschaffungs- oder Herstellungskosten begründet wird und welche Gestaltungsmöglichkeiten diesbezüglich bestehen.

I. Gesetzliche Regelung

[i]VerbindlichkeitsrückstellungenSofern für Lieferungen oder Leistungen im abgelaufenen Geschäftsjahr bis zur Bilanzaufstellung Rechnungen noch nicht eingegangen sind, müssen in der Handelsbilanz (und ebenso in der Steuerbilanz) in Höhe der voraussichtlichen Rechnungsbeträge grundsätzlich Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten (Verbindlichkeitsrückstellungen) i. S. des § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB passiviert werden. Diese sog. Rückstellungen für ausstehende Rechnungen sind in der Bilanz unter den sonstigen Rückstellungen auszuweisen.

[i]Allgemein gültige Kriterien für Handels- und SteuerbilanzBezüglich der Voraussetzungen für den Ansatz von Verbindlichkeitsrückstellungen im handelsrechtlichen Jahresabschluss haben sich – wie im weiteren Verlauf der Ausführungen gezeigt wird – sowohl in der Rechtsprechung als auch in der handelsrechtlichen Literatur allgemein anerkannte Kriterien gebildet. Insbesondere wurde die im Hinblick auf aktivierungspflichtige Anschaffungs- oder Herstellungskosten einschlägige steuerrechtliche Regelung des § 5 Abs. 4 EStG adaptiert, wonach für diese in der Steuerbilanz keine Verbindlichkeitsrückstellungen zu erfassen sind.

Nachfolgend sollen nun zunächst die allgemeinen Ansatzvoraussetzungen für Verbindlichkeitsrückstellungen aufgezeigt werden. Darauf aufbauend wird näherS. 722 auf die Thematik der ausstehenden Rechnungen eingegangen, um anschließend den Aspekt der (zukünftigen) Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu beleuchten.

II. Passivierung einer Verbindlichkeitsrückstellung

1. Ansatzvoraussetzungen

1.1 Allgemeines

[i]AnsatzvoraussetzungenNach § 238 HGB muss ein Kaufmann seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ersichtlich machen. Dazu gehört, dass neben konkreten Verbindlichkeiten des Bilanzierenden auch solche Schulden, die entweder dem Grunde und/oder der Höhe nach ungewiss sind, im Abschluss berücksichtigt werden. Daher sind Verbindlichkeiten, bei denen hinsichtlich des Grundes und/oder der Höhe Ungewissheiten bestehen, als sog. Verbindlichkeitsrückstellungen zu passivieren. Für einen Ansatz dem Grunde nach sind nach h. M. die folgenden Voraussetzungen zu erfüllen:

  • Es muss eine Außenverpflichtung bestehen,

  • die bereits rechtlich oder wirtschaftlich vor dem Bilanzstichtag verursacht wurde,

  • mit deren Inanspruchnahme der Kaufmann ernsthaft rechnen muss,

  • bei der es sich nicht um einen drohenden Verlust aus einem schwebenden Geschäft handelt,

  • die bezüglich des Bestehens und/oder der Höhe ungewiss ist,

  • die nicht einem Passivierungsverbot unterliegt und

  • bei der es sich nicht um zukünftig aktivierungspflichtige Anschaffungs- oder Herstellungskosten handelt.

Im [i]Drei FallkonstellationenHinblick auf den letzten Punkt sind verschiedene Fälle zu unterscheiden:

  • Fall 1: Geplante Investition in das Sachanlagevermögen: In Ermangelung einer Außenverpflichtung scheidet in diesem Fall die Passivierung einer Rückstellung per se aus.

  • Fall 2: (Zukünftig) erforderliche Investition z. B. aufgrund von öffentlichen Auflagen.

    Beispiel

    Eine Gaststätte, der aufgelegt wird, innerhalb der nächsten zwei Jahre einen Fettabscheider einzubauen (= Anschaffungskosten), darf für diese Verpflichtung keine Rückstellung bilden.

  • Fall 3: Bereits getätigte Investition in das Sachanlagevermögen, für die aber zum Stichtag noch keine Rechnung vom Verkäufer vorliegt.

    Beispiel

    Hat ein Unternehmen eine Maschine gekauft, vom Verkäufer allerdings die Rechnung hierfür zum Abschlussstichtag noch nicht erhalten, sind die angeführten Voraussetzungen für die Passivierung einer Verbindlichkeitsrückstellung grundsätzlich erfüllt. Hier gilt es zu klären, ob die aktivierungspflichtigen Anschaffungskosten – obwohl eigentlich nicht als „zukünftig“ zu klassifizieren – ebenfalls dazu führen, dass keine Rückstellung passiviert werden darf.

1.2 Bestehen einer Außenverpflichtung

[i]Verpflichtung gegenüber DrittenFür die Passivierung von Rückstellungen sind hinsichtlich der Art der Verpflichtung sog. Außenverpflichtungen von Innenverpflichtungen abzugrenzen. Verbindlichkeitsrückstellungen sind nur dann zu passivieren, wenn eine Verpflichtung gegenüber einem S. 723Dritten (Außenverpflichtung) besteht oder zumindest hinreichend wahrscheinlich entsteht.