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WP Praxis Nr. 8 vom Seite 273

Betrugsaufdeckung in der Abschlussprüfung durch Künstliche Intelligenz

Potenzialanalyse zu Chancen und Risiken in Bezug auf die Prüfungssicherheit

Dr. Ueli Felder

Durch die fortschreitende Digitalisierung des Rechnungswesens entstehen Datenmengen, die zu groß und zu komplex sind, um noch mit klassisch-manuellen Prüfmethoden ausgewertet werden zu können. Besondere Aufmerksamkeit kommt in jüngster Zeit Verfahren zu, die auf künstlicher Intelligenz basieren. Um die Datenmengen bewältigen zu können, sollte diese z. B. in Form des maschinellen Lernens im Rahmen der Abschlussprüfung eingesetzt werden. Unsicher ist jedoch, ob der Einsatz von KI einen Beitrag zur Erhöhung der Prüfungssicherheit und der Betrugsaufdeckung leisten kann. Dieser Frage geht der vorliegende Beitrag nach, indem im Rahmen einer Potentialanalyse die Chancen und Risiken in Bezug auf die Prüfungssicherheit aufgezeigt werden.

Eulerich/Fligge, Digitale Transformation und Corporate Governance, , NWB EAAAH-92959

Kernaussagen
  • Die Technik der künstlichen Intelligenz ist noch nicht ausgereift für einen flächendeckenden Einsatz in der Wirtschaftsprüfung. Künstliche Intelligenz kann höchstens Assistenzfunktionen in der Jahresabschlussprüfung übernehmen.

  • Ein zentrales Problem bildet die „Black-Box-Problematik“, nach welcher die Resultate künstlicher Intelligenz häufig nicht nachvollziehbar sind.

  • Datenanalysen können als wertvolles Instrument zur Betrugsaufdeckung dienen. Sie schaffen aber auch neue Betrugschancen. Bei künstlicher Intelligenz ist denkbar, dass diese zur Manipulation eines bestehenden Systems eingesetzt wird (sog. generatives feindliches Netzwerk).

I. Begriffsdefinitionen

1. Begriff „Künstliche Intelligenz“

Die Bezeichnung „Künstliche Intelligenz“ (KI) dient als Oberbegriff für Technologien und Systeme, die Aufgaben ausführen können, welche bislang der menschlichen Intelligenz vorbehalten waren. Als Teilgebiet der Informatik widmet sich diese der Entwicklung sog. „intelligenter Agenten“, welche sich dadurch auszeichnen, dass sie selbständig Probleme lösen können. KI weist zwei konstitutive Merkmale auf: das Lernen und das Entscheiden (Handeln).

Der Lernprozess basiert sehr häufig auf der Methode des maschinellen Lernens (Machine Learning). Beim maschinellen Lernen werden dem Computersystem große Datenmengen zur Verfügung gestellt. In diesen Daten erkennt der Algorithmus dann eigenständig Muster und Gesetzmäßigkeiten. Dabei liegen keine vom Menschen definierten Hypothesen vor. Vielmehr erfasst das System autonom Zusammenhänge in den vorgegebenen Datensätzen und versucht darauf aufbauend, Vorhersagen zu treffen. Maschinelle Lernverfahren unterscheiden sich damit von der klassischen Programmierung. Das heißt, die Lösungswege und Regeln für die Verarbeitung von Daten werden nicht über die Beschreibung einer Abfolge von Befehlen programmiert. Vielmehr schafft sich das Programm sein Regelwerk selbst. Dadurch wird die Entwicklung neuer Anwendungen möglich, die nicht mehr auf traditionellen Software-Lösungen basieren.

Das zweite konstitutive Merkmal künstlicher Intelligenz bildet die Entscheidung (das Handeln). Das heißt, die Systeme treffen auf Basis des gelernten Wissensmodells autonom Entscheidungen und führen diese auch aus.