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Grundlagen - Stand: 27.09.2024

Progressionsvorbehalt

Uwe Ritzkat

I. Definition des Progressionsvorbehalts

Unter „Progressionsvorbehalt” versteht man die Einbeziehung von bestimmten steuerbefreiten oder nicht der deutschen Besteuerung unterliegenden Einkünften in die Berechnung des ab einer bestimmten Höhe ansteigenden („progressiven”) Steuersatzes (§ 32b EStG). Maßgebend ist der „besondere” Steuersatz, der sich ergibt, wenn die steuerbefreiten oder nicht in Deutschland zu erfassenden Einkünfte steuerpflichtig wären. Diese Einkünfte unterliegen damit auch weiterhin nicht der deutschen Besteuerung, erhöhen oder vermindern („negativer Progressionsvorbehalt”) aber den Steuersatz, der auf die übrigen steuerpflichtigen Einkünfte anzuwenden ist. Der Progressionsvorbehalt kommt daher nur zum Tragen, wenn überhaupt übrige steuerpflichtige Einkünfte vorliegen.

II. Allgemeines

1. Sinn und Zweck

Neben der Steuerfreiheit bestimmter Einkünfte kommt es aufgrund des progressiven Steuertarifs zu einem nicht gewollten weiteren Steuerausfall durch einen niedrigeren Steuersatz. Wegen des Grundsatzes der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit wird dieser weitere Vorteil durch den Progressionsvorbehalt wieder ausgeschlossen, indem ein besonderer Steuersatz anzuwenden ist, der sich unter Einbeziehung der steuerfreien Einkünfte ergibt (fiktive prozentuale Steuerbelastungsberechnung).

2. Persönlicher Anwendungsbereich

Der Progressionsvorbehalt gilt für (§ 32b Abs. 1 EStG)

3. Zeitliche Erfassung

Der Progressionsvorbehalt ist im Jahr der Entstehung der Ersatzleistungen bzw. der ausländischen Einkünfte zu erfassen.

4. Höhe

Die Ersatzleistungen sind mit den von den Leistungsträgern festgestellten Beträgen ungekürzt anzusetzen (R 32b Abs. 2 EStR).

Gem. § 32b Abs. 2 Satz 1 EStG kann der Arbeitnehmer-Pauschbetrag gem. § 9a Satz 1 Nr. 1 EStG zur Ermittlung der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte nur insoweit berücksichtigt werden, als er nicht schon bei den Einkünften gem. § 19 EStG abgezogen wurde. Ein doppelter Abzug ist nicht möglich. Ebenso können Werbungskosten bei den dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünften und den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nur noch abgezogen werden, wenn sie in der Summe den Arbeitnehmer-Pauschbetrag übersteigen. Die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen.

Ausländische Einkünfte sind nach deutschem Steuerrecht zu ermitteln (H 32b "Ausländische Einkünfte" EStH).

Außerordentliche Einkünfte (auch Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit im Ausland gem. § 34 Abs. 2 EStG ) sind mit 1/5 zu berücksichtigen. Der BFH hat klar gestellt, dass die Fünftelregelung im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts anzuwenden ist und nicht umgekehrt (§ 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG ).

5. Besonderheiten

Der Progressionsvorbehalt ist auf das Gesamteinkommen zusammenveranlagter Ehegatten anzuwenden, ggf. ist die getrennte Veranlagung jedoch günstiger (rechnerischer Vergleich des Nachteils des Wegfalls des Splittingtarifs mit dem Vorteil des nicht anwendbaren Progressionsvorbehaltes, wenn ein Ehegatte fast nur steuerfreie Ersatzleistungen bezieht, der andere steuerpflichtige Einkünfte).

Bei Arbeitnehmern gilt die Veranlagungsgrenze nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG (Einkünfte i.H.v. mehr als 410 Euro, die nicht dem Lohnsteuerabzug unterliegen) auch für Leistungen, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen (eigenständiger Grund für eine Antragsveranlagung).

Beim Progressionsvorbehalt ist kein Härteausgleich nach § 46 Abs. 3 EStG möglich (H 46.3 "Lohnersatzleistung" EStH).

Zur Berücksichtigung eines negativen Progressionsvorbehaltes kann auf Antrag eine Veranlagung durchgeführt werden ( R 46.2 Abs. 3 EStR).

Der Progressionsvorbehalt gilt nicht im Körperschaftsteuerrecht, da es hier an einem progressiven Steuertarif fehlt.

Der Progressionsvorbehalt kann nur im Rahmen der Veranlagung berücksichtigt werden, nicht beim Lohnsteuerabzug.

Ggf. ist für Zwecke des Progressionsvorbehaltes eine einheitliche und gesonderte Feststellung durchzuführen.

Gem. § 32b Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG wird bei den dort näher bestimmten Tatbeständen zu land- und forstwirtschaftlichen und gewerblichen Betriebsstätten, Vermietungs- und Verpachtungseinkünften, Schiffsüberlassungen und dem Ansatz des niedrigeren Teilwerts, in denen Einkünfte nach einem Doppelbesteuerungsabkommen freigestellt sind, der (positive und negative) Progressionsvorbehalt in Bezug auf Einkünfte aus EU- bzw. EWR-Staaten (Nicht-Drittstaaten) ausgeschlossen.

  • Dabei wird davon ausgegangen, dass Verluste in Bezug auf EU- und EWR-Staaten dann nicht im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts berücksichtigt werden müssen, wenn im Gegenzug auch die bestimmten positiven Einkünfte aus diesen Staaten nicht im Rahmen des positiven Progressionsvorbehalts berücksichtigt werden. In Bezug auf diese Staaten und Einkünfte werden Gewinne und Verluste bei der Ermittlung des Steuersatzes nicht mehr berücksichtigt.

  • Drittstaaten sind gem. § 2a Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 EStG solche Staaten, die nicht Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-Staaten) sind.

  • Den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind gem. § 2a Abs. 2a Satz 2 EStG die Staaten gleichgestellt, auf die das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Staaten) anwendbar ist, wenn durch staatliche Vereinbarungen Auskünfte erteilt werden, die erforderlich sind, um die Besteuerung durchzuführen (Gewährleistung der gegenseitigen Amtshilfe). Das sind die Staaten Norwegen, Island und Liechtenstein

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