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BBK Nr. 12 vom Seite 561

Wegfall des Abzinsungsgebots für Verbindlichkeiten

Erfreuliche Änderung durch das Vierte Corona-Steuerhilfegesetz

Wolfgang Eggert

[i]Viertes Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise – Viertes Corona-Steuerhilfegesetz, NWB ReformRadar NWB EAAAI-03346 Verbindlichkeiten sind mit 5,5 % abzuzinsen; so sieht es § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG bisher vor. Im Satz 2 wird dann deutlich, dass diese Abzinsung nur für unverzinsliche Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit von mindestens einem Jahr gilt. Trotz der klaren Gesetzesfassung hat diese Regelung viele Steuerpflichtige und zuweilen auch deren Berater mit unangenehmen Folgen im Rahmen einer Betriebsprüfung überrascht. Die Auswirkungen waren zum Teil gravierend, auch wenn es sich streng genommen nur um eine Gewinnverschiebung gehandelt hat. Der Gesetzgeber hat im Vierten Corona-Steuerhilfegesetz die Abzinsung von Verbindlichkeiten nun „einfach“ abgeschafft.

I. Bisherige gesetzliche Lage

1. Regelung in der Handelsbilanz

[i]Keine Abzinsung in der HandelsbilanzZur vollständigen Erläuterung ist zunächst ein kurzer Blick in die Handelsbilanz sinnvoll. Dort findet sich – in § 253 Abs. 2 Satz 1 HGB – allerdings nur eine Vorgabe zur Abzinsung für Rückstellungen, nicht aber für Verbindlichkeiten. Somit ist aufgrund des eindeutigen Gesetzestextes klar, dass unverzinsliche Verbindlichkeiten in der Handelsbilanz, unabhängig von deren Laufzeit, nicht abgezinst werden.

2. Regelung in der Steuerbilanz

[i]Abzinsung in der Steuerbilanz mit AusnahmenIm Gegensatz zur Handelsbilanz lautet der Grundsatz in der Steuerbilanz bisher: Verbindlichkeiten sind abzuzinsen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG). Ausgenommen von der Abzinsung sind nach Satz 2 der Vorschrift Verbindlichkeiten,

  • deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate beträgt,

  • die verzinslich sind,

  • die auf einer Anzahlung oder Vorausleistung beruhen.

Beispiel

Die [i]Cremer, Abzinsung von Verbindlichkeiten in Handels- und Steuerbilanz, BBK 14/2019 S. 669 NWB TAAAH-22363 Schwester gewährt ihrem Bruder ein in fünf Jahren endfälliges Darlehen von 200.000 € für dessen Gewerbebetrieb. Ein Zins wird aufgrund des Näheverhältnisses der Geschwister nicht vereinbart. S. 562

Lösung

Das Darlehen ist wie folgt zu bewerten:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
200.000 €
=
153.026,87 €
(1+5,5 %) 5

Die Differenz von (200.000 € - 153.026,87 € =) 46.973,13 € führt zu einem steuerpflichtigen Gewinn. Dieser Betrag neutralisiert sich in den nächsten fünf Jahren mit einem Aufwand in identischer Höhe. Die Abzinsung ist damit „nur“ eine Verschiebung, hat aber ganz erhebliche Liquiditätsfolgen (Steuerzahlung) im Auszahlungs- bzw. Passivierungsjahr des Darlehens.

Zuweilen [i]Jeglicher Zinssatz verhindert Abzinsung wurde im Zusammenhang mit der Abzinsung geäußert, die zunächst entstehende Steuerbelastung sei vorwiegend von denjenigen zu tragen, die unzureichend beraten sind. Der Hintergrund dieser Äußerung ist, dass selbst das BMF zugestanden hat, (schon) „ein Zinssatz von mehr als 0 %“ verhindert die Abzinsung; damit war jeder wirtschaftlich relevante Zins hierzu geeignet.

Abwandlung des Beispiels

Zu dem o. g. Darlehen wird ein Zins von 0,5 % p. a. vereinbart.

Lösung

Das Darlehen ist nicht abzuzinsen.

3. Bilanzielle Folgen

[i]Cremer, Latente Steuern, aktive, Kontierungslexikon NWB OAAAG-51448 Aufgrund der unterschiedlichen Bewertung in der Handels- und in der Steuerbilanz haben sich nach der bisherigen Gesetzeslage latente Steuern gem. § 274 HGB ergeben. Da der steuerliche Gewinn aufgrund der Abzinsung zunächst größer ist als der handelsrechtliche, ist die tatsächliche Steuerbelastung – aus Sicht der Handelsbilanz – zu hoch. Die latente Steuer ist demnach eine aktive, für die ein Ansatzwahlrecht nach § 274 Abs. 1 Satz 2 HGB existiert.

II. Neue gesetzliche Regelung

1. Gesetzesformulierung und -begründung

[i]Hörster, Entwurf eines Vierten Corona-Steuerhilfegesetzes, NWB 10/2022 S. 660 NWB BAAAI-05476 Den Wegfall der Abzinsung will der Gesetzgeber durch folgende Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG erreichen:

„Verbindlichkeiten sind unter sinngemäßer Anwendung der Vorschriften der Nummer 2 anzusetzen.“

[i]Künftige Bewertung aller Verbindlichkeiten wie Wirtschaftsgüter ohne AfANr. 2 des § 6 Abs. 1 EStG regelt die Bewertung der aktiven und passiven Wirtschaftsgüter, die keiner AfA unterliegen. Da hier eine Abzinsung nicht in Frage kommt, unterbleibt diese auch nach der neuen Regelung im Fall von Verbindlichkeiten.

Bemerkenswert ist die Gesetzesbegründung, weshalb die Abzinsung nicht mehr erfolgt: S. 563