NWB Nr. 40 vom Seite 2945

Ein Einspruch allein greift zu kurz

Reinhild Foitzik | Verantw. Redakteurin | nwb-redaktion@nwb.de

Handlungsbedarf vor und nach Entscheidungen des BVerfG

Die Umsetzung der BVerfG-Entscheidung vom zur Verfassungswidrigkeit der Vollverzinsung mit einem Zinssatz von jährlich 6 % ab dem Jahr 2014 wird nicht einfach. Zwar gilt für Verzinsungszeiträume vom bis zum die Vorschrift fort, ohne dass der Gesetzgeber verpflichtet wäre, auch für diesen Zeitraum rückwirkend eine verfassungsgemäße Regelung zu schaffen. Für ab in das Jahr 2019 fallende Verzinsungszeiträume ist die Vorschrift hingegen unanwendbar. Was das für die Zinsfestsetzungen für Verzinsungszeiträume ab dem bedeutet, hat Baum in NWB 35/2021 S. 2580 schon verdeutlicht. So ist zu unterscheiden zwischen unanfechtbaren Zinsbescheiden, unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden oder in vollem Umfang vorläufig ergangenen Zinsfestsetzungen, (nur) teilweise vorläufig ergangenen Zinsfestsetzungen und der anderweitigen Änderung von vor Veröffentlichung der BVerfG-Entscheidung endgültig ergangenen Zinsfestsetzungen. Mit Schreiben vom hat das BMF nunmehr festgelegt, wie die Finanzverwaltung den BVerfG-Beschluss bis zu einer rückwirkenden gesetzlichen Neuregelung in der Besteuerungspraxis umsetzen wird. Völlig offen hingegen ist derzeit noch, wie die vom Gesetzgeber bis zum zu schaffende Neuregelung aussehen könnte. Dabei, so Fischer, der auf den BVerfG-Beschluss einer kritischen Analyse unterzieht, hat der Gesetzgeber nach wie vor einen weiten Gestaltungsspielraum mit einer großen Bandbreite: von einem starren Zinssatz bis zu variablen Varianten.

Schon jetzt Handlungsbedarf sehen Mertes/Griesel/Klaas bezüglich des derzeit beim BVerfG unter dem Aktenzeichen 2 BvL 3/21 anhängigen Normenkontrollverfahrens zur Frage der Verfassungswidrigkeit der Verlustverrechnungsbeschränkung, nach der Verluste aus der Veräußerung von Aktien nur noch mit Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien und nicht mit sonstigen positiven Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden dürfen. Nach Auffassung des BFH bewirkt diese Regelung eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung, weil sie Steuerzahler ohne rechtfertigenden Grund unterschiedlich behandelt – je nachdem, ob sie Verluste aus der Veräußerung von Aktien oder aus der Veräußerung anderer Kapitalanlagen erzielt haben. Dafür gäbe es weder aus der Gefahr der Entstehung erheblicher Steuermindereinnahmen noch aus dem Gesichtspunkt der Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen oder aus anderen außerfiskalischen Förderungs- und Lenkungszielen eine Rechtfertigung. – Aber Achtung, wollen Anleger von einer möglichen Feststellung eines Verfassungsverstoßes durch das BVerfG profitieren, greift nach Ansicht von Mertes/Griesel/Klaas der allgemein in der Literatur zu findende Hinweis, man solle in gleichgelagerten Fällen Einspruch einlegen und sich auf das laufende Verfahren berufen, zu kurz. Sie zeigen auf auf, welche Maßnahmen schon heute zu ergreifen sind, um zukünftig und ggf. auch rückwirkend von einer möglichen Feststellung der Verfassungswidrigkeit zu profitieren.

Beste Grüße

Reinhild Foitzik

Fundstelle(n):
NWB 2021 Seite 2945
NWB RAAAH-90869