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BBK Nr. 4 vom Seite 200

Liquiditätsmanagement zur Vermeidung von Negativzinsen

Gestaltungsalternativen zur herkömmlichen Bankeinlage

Prof. Dr. Urban Bacher

Während [i]Endert, Bilanzierung negativer Zinsen, BBK 15/2017 S. 699 NWB FAAAG-51798 viele Unternehmen unter der Last der Corona-Pandemie ächzen und wirtschaftliche Probleme haben, gibt es Unternehmen, die nichtsdestotrotz mit Eigenkapital gesegnet sind und im Geld schwimmen. Die überschüssige Liquidität wurde traditionell auf Festgelder geparkt oder liegt auf dem Girokonto. Nachdem die Zentralbanken einen negativen Geldmarktzins eingeführt haben, werden Einlagen für Banken zur Last. Der Beitrag beleuchtet die Ursachen von Negativzinsen und zeigt Lösungsmöglichkeiten für das Anlegen der Überliquidität auf.

Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .

I. Liquiditätsplanung zur Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit

Jedes [i]Sikora, Coronahilfe durch zeitweilige Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, BBK 12/2020 S. 578 NWB WAAAH-50372 Unternehmen muss seine Liquidität gut planen. Denn wer zahlungsunfähig ist und keine geeigneten Gegenmaßnahmen einleiten kann, muss Insolvenz anmelden. Für Zahlungsstockungen, die mit der Corona-Pandemie zusammenhängen, wurden im Jahr 2020 Ausnahmeregelungen geschaffen.

Die Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens sollte also jederzeit gegeben sein. Sie ist eine unabdingbare existenzielle Voraussetzung. In der Unternehmenspraxis wird sie üblicherweise durch einen monatlichen Liquiditätsplan gesteuert. Barmittel, laufende Einzahlungen sowie Kreditlinien und Kreditzusagen werden den Auszahlungen und Zahlungsverpflichtungen zeitlich gegenübergestellt. Als [i]Graumann, Finanzplanung/Liquiditätsplanung, infoCenter NWB LAAAC-28642 Minimalvoraussetzung für die Zahlungsfähigkeit gilt folgendes Berechnungsschema:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Bestand an liquiden Mitteln
+
Offene Kreditlinien und Kreditzusagen
+
Laufende Einzahlungen
-
Laufende Auszahlungen bzw. Zahlungsverpflichtungen
> 0
als Minimalvoraussetzung („jederzeitige Zahlungsfähigkeit“)S. 201

Trotz der Krise verzeichnen zahlreiche Unternehmen in Deutschland stabile Umsätze und verdienen nachhaltig gut. In deren Kassen läuft überschüssige Liquidität auf. Diese Geldmittel belegen Banken aktuell mit einem Strafzins, üblicherweise wird dieser als Verwahrentgelt bezeichnet. In der Wirtschaftsgeschichte ist dieses Phänomen beispiellos.

II. Historisch niedriges Zinsniveau

Seit [i]Sinkendes Zinsniveau seit drei Jahrzehntendrei Jahrzehnten sinken die Zinsen auf ein nie dagewesenes Niveau, aktuell auf -0,5 %. Eine gute Referenz für den Rentenmarkt ist der Zins für zehnjährige Staatsanleihen. Deren Rendite fällt seit 30 Jahren: 1996 ist sie in Deutschland unter die Schwelle von 6 % gefallen, 2010 unter 3 %, seit 2015 pendelt die Rendite um die Nullmarke, seit Sommer 2019 ist die Rendite negativ (vgl. Abb. 1). Der bisherige Tiefstand für den Zehn-Jahreszins für Bundesanleihen lag im März 2020 bei -0,75 %.

Gewöhnlich [i]Bacher/Metzner, Nullzinsen und deren Folgen für den Sparer und die Wirtschaft, BBK 19/2019 S. 931 NWB EAAAH-31226 wird auf dem (kurzfristigen) Geldmarkt noch weniger bezahlt als auf dem längerfristigen Kapitalmarkt. Seit 2012 gibt es das Phänomen von Nullzinsen. Grund hierfür ist, dass der Geldmarktzins maßgeblich vom Leitzins und den weiteren geldpolitischen Instrumenten der Zentralbank abhängt. Infolge der Finanzkrise senkten die Zentralbanken weltweit ihre Zinsen. Die EZB verlangt sogar eine Strafgebühr, wenn Banken bei ihr Gelder einlegen. Aktuell beträgt diese „Gebühr“ -0,5 %.

In [i]Zinsanstieg nicht zu erwartenanderen Worten: Banken können also seit Jahren kostenlos bei der Zentralbank (EZB) Geld besorgen und müssen nicht mehr den steinigen Umweg über Kunden gehen. Es herrscht geradezu eine Geldschwemme im Markt. Einige Marktbeobachter gehen davon aus, dass diese negative Zinssituation noch ein paar Jahre anhalten wird.

III. Beispielsfall

Die [i]FallbeispielVerpackungs-GmbH bietet Verpackungen für Arzneimittel an. Das inhabergeführte Unternehmen hat 30 Mitarbeiter. Die wirtschaftlichen Verhältnisse sind bestens: Das Unternehmen erzielt seit Jahren etwa 5 Mio. € Umsatz und einen jährlichen Jahresüberschuss von etwa 400.000 €, der zu drei Vierteln ausgeschüttet wird. Der Gesellschafter-Geschäftsführer hat zudem ein fixes Gehalt von monatlich 12.000 € und eine 10%ige Gewinntantieme. Bankverbindlichkeiten bestehen nicht. Auf dem Girokonto der Hausbank liegen im Jahr 2020 durchschnittlich 700.000 €. Über das Jahr schwankt dieses Girokonto zwischen 500.000 € und 900.000 €, saisonale Schwankungen gibt es nicht. Die Sichteinlage auf diesem Konto steigt jedes Jahr um 50.000 € bis 100.000 € an. S. 202

Die [i]Verwahrgebühr von -0,5 % örtliche Sparkasse ist Hausbank und legt eine „Vereinbarung über ein Verwahrentgelt“ für Einlagen vor, die den Sockelbetrag von 100.000 € übersteigen. Vorgesehen ist eine Verwahrgebühr i. H. von -0,5 % pro Jahr zuzüglich Umsatzsteuer. Diese prozentuale Verwahrgebühr ist gekoppelt an den Einlagenzins der EZB und kann jedes Quartal angepasst werden. Weitere Details der Zinsanpassung und Zinsverrechnung werden in der Vereinbarung konkret beschrieben.

Der Chef des Unternehmens fragt, ob eine derartige Verwahrgebühr rechtens ist und ob bzw. welche Lösungsoptionen bestehen.

IV. Streit um die Zulässigkeit von Negativzinsen

1. Wirtschaftliche Einordnung

In [i]Zulässigkeit von Negativzinsen strittigder Bankpraxis und unter Juristen ist strittig, ob eine Bank Negativzinsen erheben darf. Relativ unstreitig ist die Frage bei Neukunden. Hier kann eine Bank nach billigem Ermessen ein (negatives) Entgelt für Einlagen regeln. Problematisch ist eine nachträgliche, einseitige Erhebung von Negativzinsen im Bestandsgeschäft.