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WP Praxis Nr. 2 vom Seite 41

Dritthaftung nur noch bei Vorsatz

Rechtssicherheit durch das FISG

RA Dr. Philipp Fölsing

Durch den Bilanzskandal bei der Wirecard AG ist die Qualität der Abschlussprüfung wieder in den Blickpunkt gerückt. Die Bundesregierung beabsichtigt, die Haftungshöchstgrenzen für fahrlässige Prüfungsfehler deutlich anzuheben. Ihr Entwurf für das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz – FISG) vom sieht vor, dass der Prüfer schon bei grober Fahrlässigkeit im Innenverhältnis unbeschränkt haftet. Bei der Prüfung von Unternehmen des öffentlichen Interesses soll bereits die leichtfertige und nicht erst die vorsätzliche Verletzung der Berichtspflicht strafbar sein. Durch das damit verbundene höhere Haftungsrisiko wird zwar eine stärkere Marktkonzentration befürchtet. Insbesondere mittelständische Wirtschaftsprüfungsunternehmen würden deshalb möglicherweise gesetzliche Prüfungen nicht mehr durchführen. Jedoch würde durch eine schärfere Binnenhaftung gleichzeitig die von der Rechtsprechung contra legem entwickelte Prüferdritthaftung weitgehend überflüssig. Das wäre ein überfälliger Beitrag zur Rechtssicherheit, der langfristig auch die Kosten für die Berufshaftpflichtversicherung deutlich senken dürfte.

Philipps, Reform des Enforcement, StuB 22/2020 S. 880, NWB XAAAH-63252

Kernaussagen
  • Ein höheres Haftungsrisiko hält den Abschlussprüfer und seine Mitarbeiter regelmäßig zu mehr Sorgfalt an und kann deshalb einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Qualität der gesetzlichen Abschlussprüfung leisten. Als Reaktion auf den Wirecard-Bilanzskandal ist die durch den Regierungsentwurf des FISG vorgesehene Anhebung der Haftungshöchstgrenzen für einfache Fahrlässigkeit sowie der Wegfall der Haftungsbeschränkung für grobe Fahrlässigkeit deshalb grundsätzlich zu begrüßen.

  • Indem der Regierungsentwurf des FISG § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB unverändert lässt, wird die gesetzgeberische Intention, dass die Prüferhaftung auf das geprüfte und mit diesem verbundene Unternehmen beschränkt bleiben soll, bekräftigt. Die von der Rechtsprechung contra legem entwickelte Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich des Prüfungsvertrags sowie die Erstreckung des Anwendungsbereichs des § 826 BGB auf leichtfertige und damit nicht-vorsätzliche Prüfungsfehler dürfte mit Inkrafttreten des FISG nicht mehr haltbar sein.

  • Eine Dritthaftung des Abschlussprüfers kommt nach Inkrafttreten des FISG nur noch in Betracht, wenn der Prüfer mit dem prüfungsfremden Dritten ausdrücklich einen Auskunftsvertrag über Art, Inhalt und Umfang der Auskünfte sowie Modalitäten der Haftung schließt (vertragliche Haftung) oder sich seine vorsätzlich sittenwidrige Schädigungshandlung direkt gegen einen konkreten Dritten richtet (deliktsrechtliche Haftung).

I. Haftungsprivilegierung des Abschlussprüfers nur auf den ersten Blick

Der gesetzliche Abschlussprüfer ist bei der Haftung nur scheinbar privilegiert. Es trifft zwar zu, dass er gem. § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB nur dem geprüften und mit diesem verbundenen Unternehmen gegenüber für Pflichtverletzungen haftet. Gemäß § 323 Abs. 2 HGB ist seine Haftung für fahrlässige Prüfungsfehler auf 1 Mio. € beschränkt. Bei der Prüfung von börsennotierten Aktiengesellschaften beträgt die Haftungshöchstgrenze 4 Mio. €. Die Haftungsbeschränkung gilt selbst dann, wenn einzelne Mitglieder des Prüfungsteams vorsätzlich handeln. Zudem kann der Abschlussprüfer dem geprüften Unternehmen gem. § 254 Abs. 1 BGB dessen Mitverschulden entgegenhalten. Bei vorsätzlichen Bilanzmanipulationen der gesetzlichen Vertreter des geprüften Unternehmens entfällt die Haftung des Abschlussprüfers deshalb grundsätzlich vollständig. Selbst wenn sein Fehler als grob fahrlässig zu qualifizieren ist, haftet er nach der Rechtsprechung des BGH allenfalls zu 1/3. Jedoch schließt § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB trotz der damit verbundenen gesetzgeberischen Intention, die Haftung des gesetzlichen Abschlussprüfers nicht ausufern zu lassen, eine Dritthaftung nicht per se aus. S. 42Vielmehr stellt der BGH maßgeblich auf den Vertragswillen der Vertragsparteien, also des Abschlussprüfers und des geprüften Unternehmens, ab. Regelmäßig wird es zwar an einem solchen vertraglichen Willen, auch Dritten gegenüber zu haften, fehlen. Denn obwohl der Bestätigungsvermerk des Prüfers veröffentlicht wird, begrenzt § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB die spezialgesetzliche Prüferhaftung auf das geprüfte und mit diesem verbundene Unternehmen. Gegen einen Vertragswillen des Abschlussprüfers, seine Haftung aus dem Prüfungsvertrag auf prüfungsfremde Dritte zu erstrecken, sprechen insbesondere seine Allgemeinen Auftragsbedingungen, in denen er eine Weitergabe seiner beruflichen Äußerungen und Arbeitsergebnisse an Dritte ohne sein vorheriges schriftliches Einverständnis ausschließt.

Bei einem persönlichen Kontakt kann der Abschlussprüfer für fahrlässige Prüfungsfehler allerdings auch prüfungsfremden Dritten gegenüber in den Grenzen des § 323 Abs. 2 HGB haften. Eine Dritthaftung ist nach der Rechtsprechung des BGH immer dann möglich, wenn für den Prüfer deutlich ist, dass von ihm eine über die gesetzliche Prüfung hinausgehende Leistung im Drittinteresse erwartet wird. Auch der in den Schutz des Prüfungsvertrags einbezogene Dritte muss sich allerdings das Mitverschulden des geprüften Unternehmens anrechnen lassen. Anlegern gegenüber kommt wiederum eine Prospekthaftung in Betracht, wenn der veröffentlichte Bestätigungsvermerk eigens für die Prospektveröffentlichung erstellt und dies entsprechend zum Ausdruck gebracht wird. Insbesondere aber kann den Abschlussprüfer schon nach geltendem Recht eine unbeschränkte Dritthaftung für leichtfertige Pflichtverletzungen treffen. Dem unmittelbaren Wortlaut nach haftet er gem. § 826 BGB Dritten gegenüber zwar nur für vorsätzlich fahrlässige Prüfungsfehler. Jedoch dehnt die Rechtsprechung den Anwendungsbereich des § 826 BGB auf leichtfertige Pflichtverletzungen aus. Die Grenzen zur groben Fahrlässigkeit sind somit fließend.

Der Prüfer soll etwa schon dann aus § 826 BGB haften, wenn er wesentliche Vermögenswerte ins Blaue hinein bestätigt, ohne die gebotenen Prüfungshandlungen durchzuführen. Selbst wenn der Abschlussprüfer jedoch keine ausreichenden Nachweise einholt, geht er regelmäßig davon aus, dass der von ihm bestätigte Jahresabschluss korrekt ist. Der Prüfer nimmt also an, selbst ohne einen ordnungsgemäßen Nachweis werde es schon gutgehen. Die Erstreckung des Anwendungsbereichs des § 826 BGB auf solche Fälle der groben Fahrlässigkeit ist insbesondere wegen der damit verbundenen Leistungsfreiheit der Berufshaftpflichtversicherung gem. § 103 VVG problematisch. In der Insolvenz des Prüfers ist der Schadenersatzanspruch aus einer gem. § 826 BGB unerlaubten Handlung nach § 302 Nr. 1 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommen. Zudem gilt gem. § 393 BGB bei Vorsatz ein Aufrechnungsverbot. Auch der Einwand des Vorsatzes des Prüfungsmandanten als überwiegendes Mitverschulden scheidet bei der deliktischen Dritthaftung aus. Bei der deliktischen Prüferhaftung scheint dem Verfasser überdies der Grundsatz, dass sich die vorsätzlich sittenwidrige Schädigung direkt gegen den Geschädigten richten muss, unangemessen aufgeweicht zu werden: Denn es soll für die Haftung aus § 826 BGB bereits ausreichen, dass der leichtfertig ins Blaue hinein abgegebene Bestätigungsvermerk in einen an den Kapitalmarkt gerichteten Wertpapierprospekt aufgenommen wird. Dies könnte also sogar ohne Kenntnis und/oder Einverständnis des Prüfers zu seiner Haftung führen. Eine Neuregelung der Prüferhaftung sollte deshalb gerade bei der Dritthaftung unbedingt für Rechtssicherheit sorgen und etwaige Fehlentwicklungen in der Rechtsprechung korrigieren.

II. Geplante Neuregelungen zur Abschlussprüferhaftung

Die Neuregelungen des Regierungsentwurfs zur Abschlussprüferhaftung enthalten insbesondere drei Verschärfungen: