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Reform des Enforcement
Wie soll es mit der Bilanzkontrolle in Deutschland weitergehen?
Der Fall Wirecard offenbarte die Grenzen der zuvor erfolgreichen zweistufigen Bilanzkontrolle in Deutschland und begründete die Kündigung des dazu zwischen dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen) und der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung gem. § 342b Abs. 1 HGB geschlossenen Anerkennungsvertrags. Dieser Schritt ebnete den Weg für eine Reform des bisherigen Bilanzkontrollverfahrens. Kaum drei Monate nach der Sommerpause liegt dazu nun mit dem Referentenentwurf des Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarktintegrität bereits ein erster konkret formulierter Vorschlag vor. Aufgrund dessen stellt sich die Frage, wie es danach mit der Bilanzkontrolle in Deutschland künftig weitergehen soll. Zu ihrer Beantwortung stellt der Beitrag u. a. die Regelungsvorschläge dazu kurz vor und würdigt sie mit Blick auf ihre beabsichtigten Reformziele zur Fortentwicklung des Bilanzkontrollverfahrens in Deutschland.
Lüdenbach, Zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz – FISG), StuB 22/2020 S. 877, NWB NAAAH-63251
Was sind die Anlässe, Motive und Ziele der aktuellen Reform des Bilanzkontrollverfahrens in Deutschland?
Wie soll die Reform des Bilanzkontrollverfahrens in Deutschland nach dem gegenwärtig vorliegenden FISG-RefE ausgestaltet werden?
Wie ist diese, nach dem gegenwärtig vorliegenden FISG-RefE geplante Ausgestaltung der Reform des Bilanzkontrollverfahrens in Deutschland vor dem Hintergrund der dafür formulierten Reformziele zu würdigen?
I. Aktualität und Bedeutung des Themas
[i]Philipps, Wirecard und die Krise des Enforcement, StuB 16/2020 S. 622, NWB TAAAH-55713 Velte, Der Referentenentwurf für ein Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG), StuB 21/2020 S. 817, NWB KAAAH-62494 Mit Kündigung des bisherigen Anerkennungsvertrags gem. § 342b Abs. 1 HGB mit der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung e. V. (DPR) durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) am wurde der Weg frei zur Neuregelung des bisherigen Bilanzkontrollverfahrens in Deutschland. Auslöser für Überlegungen dazu waren nicht erkannte Bilanzmanipulationen bei der Wirecard AG , einem Zahlungsdienstleitungsunternehmen aus Aschheim bei München. Das Unternehmen ist seit 2005 börsennotiert, wurde ab dem in den DAX 30 aufgenommen, dem Leitindex für die 30 nach ihrer Marktkapitalisierung größten börsennotierten deutschen Unternehmen, und musste bereits weniger als zwei Jahre später, am , Insolvenz anmelden.
Seitdem zeigte sich, das Unternehmen hatte dem Kapitalmarkt mit einem lange geplanten und groß angelegten Betrug eine phantastische Wachstumsstory vorgegaukelt. Gemessen an der Differenz zwischen historischem Höchst- und Tiefstkurs der Wirecard-Aktie erlebten die Aktionäre des Unternehmens dabei seit Oktober 2018 einen Vermögensverlust von rd. 24 Mrd. €. Wieder einmal erschütterte ein Betrugsfall das Vertrauen der Anleger am Kapitalmarkt.
In seinem Fahrwasser geriet auch die Bilanzkontrolle durch die DPR in die Diskussion. Kritiker warfen der DPR hier ein „Versagen“ vor. Das verneinte die DPR jedoch u. a. mit S. 881Verweis auf die Grenzen des bisherigen Bilanzkontrollverfahrens und gab ergänzend Hinweise zur Reform dieses Verfahrens, wenn darin auch die Aufdeckung von Bilanzdelikten eingeschlossen werden soll.
Eine solche Reform wurde nun am im Referentenentwurf des Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG-RefE) konkret formuliert vorgelegt. Nach einem Überblick über die Chronologie der Ereignisse dahin und Darstellung u. a. der für das Bilanzkontrollverfahren beabsichtigten Reformziele (Kap. II) stellt der Beitrag die Regelungen des FISG-RefE zur Reform des Bilanzkontrollverfahrens vor (Kap. III) und würdigt sie dann kurz mit Blick auf ihre dargestellten, beabsichtigten Reformziele (Kap. IV).