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Identifikation anfechtbarer Rechtsgeschäfte durch den Insolvenzverwalter
Analyse und Würdigung ausgewählter Prüfungshandlungen
Der vorliegende Beitrag nimmt den (kurzfristig) zu erwartenden Anstieg der Insolvenzen in Deutschland zum Anlass, den rechtlichen Rahmen der Tätigkeit des Insolvenzverwalters zu skizzieren, um dabei insbesondere auf anfechtbare Rechtsgeschäfte abzustellen. Wir stellen verschiedene Prüfungshandlungen vor, die sowohl gebuchte als auch nicht gebuchte Geschäftsvorfälle des insolventen Unternehmens in der Rückschau als möglicherweise hierfür in Betracht kommend identifizieren können. In unserer Analyse beschränken wir uns auf Transaktionen (insbesondere Darlehensverträge) zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern, die ggf. Bürgschaften bei Drittdarlehensbeziehungen vergaben. Moderne Prüfungstechnologien können dabei den Insolvenzverwalter bei seiner Vorgehensweise unterstützen.
Kußmaul/Palm, Insolvenzbilanz (HGB, InsO), infoCenter, NWB KAAAE-60575
Bei der Identifikation anfechtbarer Rechtsgeschäfte durch den Insolvenzverwalter ist zwischen gebuchten und nicht gebuchten Sachverhalten in der Rückschau vergangener Geschäftsjahre zu unterscheiden.
Dem Insolvenzverwalter stehen verschiedene Prüfungshandlungen zur Verfügung, die in Abhängigkeit der gewünschten Zielsetzung unterschiedlich wirksam erscheinen.
Moderne Prüfungstechnologien (ggf. der Einsatz von künstlicher Intelligenz) können den Insolvenzverwalter unterstützen, seine Prüfungshandlung effektiv durchzuführen.
I. Hintergrund
Zu den berufstypischen Aufgaben des Wirtschaftsprüfers kann auch die treuhänderische Verwaltung gehören (§ 2 Abs. 3 Nr. 3 WPO). Auf gesetzlicher Basis kommt hierbei insbesondere die Tätigkeit als Insolvenzverwalter in Betracht. Der Markt der Insolvenzverwalter ist dabei naturgemäß eng – jedoch antizyklisch – mit der wirtschaftlichen Entwicklung des betrachteten Landes verbunden.
Durch die politischen Maßnahmen des Lockdowns im Zusammenhang mit der durch die Weltgesundheitsorganisation als Pandemie eingeschätzten Infektion mit dem SARS-Cov-2-Virus wurde der anhaltende wirtschaftliche Aufschwung hierzulande jäh gestoppt. Die Auswirkungen dieses Markteingriffs haben sich allerdings noch nicht in den Zahlen der Insolvenzanmeldungen widergespiegelt – auch wenn nach einer neuesten Umfrage des ifo Instituts ein Fünftel der deutschen Firmen die Beeinträchtigungen als existenzbedrohend ansehen.
Zunächst mutet daher etwas kontraintuitiv die jüngste Meldung des Statistischen Bundesamts (April 2020) an. Ihr zufolge gab es bis dato gar 13,3 % weniger Unternehmensinsolvenzen als noch im Vorjahr. Für das Kalenderjahr 2020 bedeutet dies jedoch nur einen Zwischenstand. So muss zusätzlich beachtet werden, dass sich gegenläufig ein Anstieg der beantragten Gläubigerforderungen abzeichnet. Dies indiziert, dass wirtschaftlich eher bedeutendere Unternehmen als noch in den Vorjahren von den derzeitigen Insolvenzen betroffen sind. Vor allem beinhaltet die Gesamtzahl von 1.465 gemeldeten Insolvenzeröffnungen jedoch noch nicht solche Fälle, bei denen die Insolvenzeröffnung aufgrund des COVID-19-Insolvenz-Aussetzungsgesetzes (COVInsAG) bis zum verschoben wurde. Entsprechend erwartet der Berufsverband der Insolvenzverwalter Deutschlands e. V. (VID) einen deutlichen Anstieg der Unternehmensinsolvenzen, sobald die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht endet. S. 362