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Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen: Entwurf eines BMF-Anwendungsschreibens
Teil 1: Sachliche Anwendungsvoraussetzungen
[i]BMF, Schreiben (Entwurf) v. 14.7.2020, NWB GAAAH-55645 Schon seit einiger Zeit ist die finale Fassung eines BMF-Schreibens zur Anwendung der Vorschriften über die Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen überfällig. Seit dem hat das BZSt einen aktualisierten Entwurf mit Stand v. (BMF, Schreiben [Entwurf] v. , NWB GAAAH-55645) auf der Website eingestellt und angekündigt, dass es im Hinblick auf die Auslegung der §§ 138d ff. AO entsprechend [i] von Brocke/Nonnen- macher/Przybilka, Anzeigepflichten für grenzüberschreitende Steuergestaltungen, NWB Verlag, 2. Aufl. 2020, lieferbar vorauss. ab Dezember 2020 dem gegenwärtigen Diskussionsstand dieses BMF-Schreibens verfahren wird. Angesichts des erheblichen Umfangs des Anwendungsschreibens (72 Seiten) fällt es dem Rechtsanwender schwer, sich bei der Verwaltungsauffassung zu den Mitteilungspflichten nach den §§ 138d ff. AO auf dem aktuellen Stand zu halten und Neuerungen gegenüber dem ersten Diskussionsentwurf v. (abrufbar unter http://go.nwb.de/a71ar), der als erste Orientierung bei der Anwendung und Auslegung diente, zu identifizieren. Nachfolgend wird in Teil 1 einer zweiteiligen Beitragsreihe hierzu eine Hilfestellung gegeben und auf die Ergänzungen des aktualisierten Entwurfs eines Anwendungsschreibens bei den sachlichen Anwendungsvoraussetzungen gegenüber dem ersten Diskussionsentwurf eingegangen. In Teil 2 in NWB 48/2020 werden die Neuerungen bei den persönlichen und zeitlichen Anwendungsvoraussetzungen analysiert.
Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .
Zu diesem Beitrag "Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen: Entwurf eines BMF-Anwendungsschreibens" lesen Sie bitte auch
I. Untersuchungsanlass
[i]Polatzky/Schäfer, StuB 8/2020
S. 295Der aktualisierte Entwurf eines BMF-Schreibens betreffend
die Anwendung der Vorschriften über die Pflicht zur Mitteilung
grenzüberschreitender Steuergestaltungen v. (
NWB GAAAH-55645; s. hierzu auch Glahe, DB 2020
S. 2039; Nolte/Käshammer/Laile, DB 2020 S. 2149) orientiert sich wie der
erste
Diskussionsentwurf v. 2.3.2020 im Wesentlichen an der
gesetzlichen Struktur der §§ 138d bis 138k AO, sodass dem Rechtsanwender die
Zuordnung der jeweiligen Ausführungen zum Gesetzestext erleichtert wird
(Diskussionsentwurf v. abrufbar unter http://go.nwb.de/a71ar; s. zur
näheren Analyse des [i]Baum, NWB 6/2020 S.
388Diskussionsentwurfs v. Grotherr, Ubg 2020 S. 202,
sowie Polatzky/Schäfer, StuB 8/2020 S. 295).
Das BMF-Schreiben
ist grob in drei Teile gegliedert:
Sachlicher und persönlicher Anwendungsbereich der Mitteilungspflicht,
Kennzeichen (§ 138e AO),
Verfahren zur Mitteilung einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung.
Anlage zur Ermächtigung des BMF nach § 138d Abs. 3 Satz 3 AO („White-List“).S. 3479
[i]Prüfschema/Überblick zum Vorliegen einer MitteilungspflichtVerweise erfolgen innerhalb des BMF-Schreibens auf Teile sowie nachgeordnete Kapitel und nicht auf einzelne Randziffern. Der angepasste Entwurf des Anwendungsschreibens zu den Anzeigepflichten enthält im Teil I, Kap. 2.1 (Rz. 6) ein kleines Prüfschema in Form eines Schaubilds, mit dem das Vorliegen einer Mitteilungspflicht grob geprüft werden kann. Im Detail ist die Prüfung allerdings komplizierter (s. z. B. hierzu den Beitrag von Grotherr/Wagner, Ubg 2020 S. 532), sodass das dort zu findende Prüfschema eher als Überblick zu interpretieren ist.
[i]Mohr, NWB-EV 10/2020 S. 359In dem aktualisierten Anwendungsschreiben-Entwurf sind gegenüber dem ">ersten Diskussionsentwurf zahlreiche Neuerungen und Präzisierungen an verschiedenen Stellen zu verzeichnen, die die mitteilungspflichtigen Intermediäre (z. B. Angehörige der steuerberatenden Berufe, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Finanzdienstleister oder sonstige Berater) und die relevanten Steuerpflichtigen („Nutzer“) davor bewahren können, einer Mitteilungspflicht über grenzüberschreitende Steuergestaltungen nachkommen zu müssen. Steuerliche Gestaltungen werden sich infolge der veranlagungsunterstützenden Auswertung im Rahmen des Mitteilungsverfahrens künftig vor allem dort ihren Weg suchen, wo eine Anzeigepflicht vermieden werden kann. Dies liegt u. a. daran, dass das BZSt die jeweiligen Veranlagungsfinanzämter der Nutzer über das Vorliegen einer Steuergestaltung informiert (§ 138i i. V. mit § 138j Abs. 3 AO), was dort vor Ort dann Anlass für die Meldung zur Betriebsprüfung sein kann (s. Begründung zu § 138j Abs. 3 AO in der BR-Drucks. 489/19 (Beschluss) S. 10). Mit der Mitteilung einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung kann „Ärger ins Haus stehen“. Deshalb kann es aus Sicht der Mitteilungspflichtigen im Sinne eine Negativabgrenzung von Interesse sein, z. B. diejenigen Gestaltungen und Betätigungsfelder zu identifizieren, bei denen eine Mitteilungspflicht in der Regel nicht besteht. Hierzu können die Neuerungen im aktualisierten Anwendungsschreiben-Entwurf gegenüber dem ersten Diskussionsentwurf einen spürbaren Beitrag leisten. Der folgende Beitrag soll deshalb näher darauf eingehen.
II. Neuerungen bei den sachlichen Anwendungsvoraussetzungen für eine Mitteilungspflicht
1. Keine Steuergestaltung beim Abwarten einer Veräußerungsfrist
[i]Abwarten einer gesetzlichen Frist oder eines ZeitraumsPositiv ist hervorzuheben, dass aus der Gesetzesbegründung nunmehr auch in das BMF-Schreiben übernommen wurde, dass keine Steuergestaltung vorliegt, wenn der Steuerpflichtige lediglich den Ablauf einer gesetzlichen Frist (z. B. Spekulationsfrist gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG) oder eines gesetzlichen Zeitraums abwartet, nach der bzw. nach dem z. B. eine steuerfreie Veräußerung möglich ist (s. bereits BT-Drucks. 19/14685 S. 28; (Entwurf), NWB GAAAH-55645, Rz. 9). Im Diskussionsentwurf v. 2.3.2020 war dieser Fall schon in der Anlage des BMF-Schreibens zu § 138d Abs. 3 Satz 3 AO aufgeführt worden. In der Anlage zum aktualisierten Anwendungsschreiben-Entwurf taucht dieser Fall allerdings nicht mehr auf, was beim Rechtsanwender für Verwirrung sorgen könnte, wenn die betreffende Passage in der Rz. 9 beim flüchtigen Lesen übersehen würde.
2. Einengung des grenzüberschreitenden Bezugs einer Steuergestaltung
a) Allgemeines zur Ansässigkeit oder Tätigkeit der Beteiligten
[i]Wer kann Beteiligter sein?Seitens der Finanzverwaltung wird im aktualisierten Anwendungsschreiben-Entwurf nunmehr klargestellt, dass sich der für eine Mitteilungspflicht erforderliche grenzüberschreitende Bezug grds. nach der Ansässigkeit oder nach der Tätigkeit der an einer Steuergestaltung beteiligten Personen richtet. An der Gestaltung beteiligte Personen können der oder die Nutzer, andere an der Gestaltung beteiligte Personen, bei denen sich S. 3480keine steuerlichen Auswirkungen aus der Gestaltung ergeben, oder ggf. der Intermediär selbst sein, wenn dieser über die in § 138d Abs. 1 AO aufgezählten Tätigkeitshandlungen hinaus an der Steuergestaltung beteiligt ist (s. (Entwurf), NWB GAAAH-55645, Rz. 31; Jochimsen/Dietrich, IStR 2020 S. 244, monieren in dem Zusammenhang zu Recht, dass der Begriff des an der Gestaltung Beteiligten nicht definiert ist).