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NWB Nr. 44 vom Seite 3243

Die Behandlung der Umsatzsteuer in der (vorläufigen) Eigenverwaltung

Zugleich Besprechung des

Dr. Alexander Witfeld

[i]Rondorf, Umsatzsteuer in der Unternehmerinsolvenz, Grundlagen, NWB ZAAAE-26482 Die Behandlung der Umsatzsteuer in der Insolvenz ist in vielerlei Hinsicht problembehaftet und streitanfällig. Die Rechtsprechung des BFH ist im Einzelnen komplex und führt häufig zu einer ungerechtfertigten Besserstellung des Fiskus. Unklarheit bestand bis vor Kurzem auch über die für die Sanierungspraxis bedeutende Frage, wie die Umsatzsteuerschuld in einem vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren (§ 270a InsO) zu qualifizieren ist. Hierzu hat der V. Senat des BFH nun Stellung genommen und richtigerweise entschieden, dass die Umsatzsteuerschuld nicht als Masseverbindlichkeit (etwa analog § 55 Abs. 4 InsO), sondern als Insolvenzforderung zu bewerten ist. Damit hat er sich im Ergebnis einem früheren Urteil des BGH angeschlossen. Es ist zu beobachten, dass Insolvenzverfahren zunehmend in Eigenverwaltung geführt werden. Der nachfolgende Beitrag soll die BFH-Rechtsprechung einordnen und einer rechtlichen Würdigung unterziehen. Nicht außer Acht gelassen werden dürfen hierbei die persönlichen Haftungsrisiken von Organen sowie etwaige gesetzliche Gegenmaßnahmen.

Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .

I. Hintergrund

[i]Neukonzeptionierung des Umsatzsteuerinsolvenzrechts durch BFHDer Gesetzgeber hat sich seit Einführung der Insolvenzordnung im Jahr 1999 nicht darum bemüht, eine Harmonisierung von Insolvenz- und Steuerrecht herzustellen. Infolgedessen haben Finanzverwaltung und Finanzrechtsprechung in den letzten Jahren sukzessiv verschiedene, fiskusfreundliche „Regelungen“ herbeigeführt, die in der Unternehmensinsolvenz zu beachten sind. § 251 Abs. 2 Satz 1 AO als gesetzliche „Schlüsselvorschrift“ des Insolvenzsteuerrechts ist hierbei nur als stark interpretationsbedürftiger Ausgangspunkt zu betrachten. Der Gesetzgeber hat es bislang dabei belassen, mit Wirkung v.  ein gesetzliches Fiskusprivileg in Form von § 55 Abs. 4 InsO für das vorläufige Regelinsolvenzverfahren einzuführen. Die BFH-Rechtsprechung hat mit einem völlig neuen Verständnis von § 17 UStG eine wesentliche Änderung der insolvenzrechtlichen Qualifikation von Steuern veranlasst. Konkrete Vorgaben der Finanzverwaltung zur Handhabung laufender Verfahren finden sich insbesondere im AEAO zu § 251, in Abschnitt 17.1 Abs. 11 ff. UStAE und im (BStBl 2015 I S. 476, i. d. F. v. , BStBl 2015 I S. 886). All das führte zu einer Neukonzeptionierung des Umsatzsteuerinsolvenzrechts, die im Schrifttum zu Recht stark kritisiert wird und vielfältige Auswirkungen auf Unternehmenssanierungen hat.

Ein viel beachteter Problemkreis ist stets, ob es sich bei der materiellen Steuerschuld um eine – zur Insolvenztabelle anzumeldende und nur quotal zu befriedigende – Insolvenzforderung (§ 38 InsO; „vorinsolvenzrechtlicher Unternehmensteil“) oder um S. 3244eine – bevorrechtigt zu befriedigende – Masseverbindlichkeit (§ 55 InsO; Unternehmensteil „Insolvenzmasse“) handelt.

[i]Betrachtung in FallgruppenHinsichtlich der Behandlung der Umsatzsteuer in der Insolvenz bietet sich eine Denkweise in Fallgruppen an, wobei zu fragen ist

  1. welche Art von Insolvenzverfahren vorliegt (Regelinsolvenz/Eigenverwaltung),

  2. mit welchen Befugnissen ein vorläufiger Insolvenzverwalter/Sachwalter vom Insolvenzgericht ausgestattet worden ist,

  3. ob der Insolvenzschuldner der Ist- oder Soll-Versteuerung unterliegt (wobei letztere der Regelfall ist und daher hier im Fokus steht),

  4. wann der Umsatz ausgeführt worden ist und

  5. wann und durch wen (Insolvenzverwalter, Sachwalter oder Schuldner) das auf den Umsatz entfallende Entgelt vereinnahmt worden ist.