Besitzen Sie diesen Inhalt bereits, melden Sie sich an.
oder schalten Sie Ihr Produkt zur digitalen Nutzung frei.

Dokumentvorschau
WP Praxis Nr. 11 vom Seite 324

Das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II)

Neuregelungen für Geschäfte mit nahestehenden Personen

WP Dominik Claßen, M.Sc., WP/StB Dipl.-Wi.Jur. (FH) Sebastian Hargarten und Prof. Dr. Reiner Quick

Die Neuregelungen für Geschäfte mit nahestehenden Personen im Zuge des ARUG II zielen darauf ab, börsennotierte Gesellschaften noch stärker gegen Vermögensabflüsse zugunsten nahestehender Personen und zum Nachteil der Gesellschaft und der Aktionäre zu schützen. Für die Gesellschaften ergeben sich in diesem Zusammenhang insbesondere neue Genehmigungs- und Offenlegungspflichten, die allerdings nicht Gegenstand der Abschlussprüfung sind.

Kernaussagen
  • Durch das ARUG II ist erstmals ein Zustimmungsvorbehalt für Geschäfte mit nahestehenden Personen eingeführt worden, die entweder nicht im ordentlichen Geschäftsgang oder zu marktunüblichen Bedingungen abgeschlossen wurden und zusätzlich von wirtschaftlicher Substanz für die Gesellschaft sind.

  • Börsennotierte Gesellschaften sind dazu verpflichtet, zustimmungspflichtige Geschäfte mit nahestehenden Personen unverzüglich auf der Internetseite der Gesellschaft zu veröffentlichen. Zusätzlich müssen diese Geschäfte auf eine Art und Weise bekanntgemacht werden, dass die Öffentlichkeit einen leichten Zugang zu den Informationen erhält. Im Vergleich zum Abhängigkeitsbericht einer abhängigen Gesellschaft erfolgt die Information der Aktionäre deutlich kurzfristiger. Zur Vermeidung von missbräuchlichen Gestaltungen sind die Offenlegungsvorschriften für Geschäfte von Tochterunternehmen mit einer nahestehenden Person entsprechend anzuwenden.

  • Aus den §§ 111a ff. AktG ergeben sich in Bezug auf die Abschlussprüfung keinerlei Pflichten. Insbesondere ist es nicht Gegenstand der Abschlussprüfung, etwaige Verstöße gegen diese Vorschriften aufzudecken.

I. Hintergrund

Das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie ist zum mit einer deutlichen Verzögerung in Kraft getreten und führt in erster Linie zu Änderungen im AktG. Das ARUG II zielt auf eine Stärkung der Mitwirkungsrechte der Aktionäre von börsennotierten Gesellschaften, auf eine Erhöhung der Transparenz, einen erleichterten grenzüberschreitenden Informationsaustausch sowie die Ausübung von Aktionärsrechten ab.

Die Kerngebiete des ARUG II sind:

  1. der Vergütungsbericht („say-on-pay“),

  2. die Geschäfte mit nahestehenden Personen („related-party-transactions“),

  3. die Identifizierung von Aktionären („know-your-shareholder“) sowie

  4. die Transparenz von institutionellen Investoren, Vermögensverwaltern und Stimmrechtsberatern.

Der vorliegende Beitrag fokussiert sich auf die Neuregelungen zu Geschäften mit nahestehenden Personen. Die nachfolgenden Ausführungen definieren zunächst Geschäfte mit nahestehenden Personen. Im Anschluss steht dann der im Zuge des ARUG II neugeschaffene Zustimmungsvorbehalt für bestimmte Geschäfte mit nahestehenden Personen durch den Aufsichtsrat im Mittelpunkt. Darauffolgend sollen dem Leser die durch das ARUG II ebenfalls in das Aktienrecht implementierten Offenlegungsverpflichtungen nähergebracht werden. Bevor ein kritisches Fazit zu den Neuregelungen gezogen wird, sollen auch die Implikationen der Gesetzesänderungen auf Jahres- sowie Konzernabschlussprüfungen erörtert werden.S. 325

II. Geschäfte mit nahestehenden Personen

Gemäß § 111a Abs. 1 Satz 1 AktG sind Geschäfte mit nahestehenden Personen „(...) Rechtsgeschäfte oder Maßnahmen, durch die ein Gegenstand oder ein anderer Vermögenswert entgeltlich oder unentgeltlich übertragen oder zur Nutzung überlassen wird und die mit nahestehenden Personen (...)“ getätigt werden. Zur Auslegung des Geschäftsbegriffs im funktionalen Sinne kann sich dabei der bereits entwickelten Grundsätze zu § 285 Nr. 21 HGB bedient werden. Zu dieser Art von Geschäften zählen der Bezug und die Erbringung/Veräußerung von Dienstleistungen sowie fertigen und unfertigen Erzeugnissen. Das funktionale Begriffsverständnis sorgt dafür, dass im Regelfall nicht zwischen dem schuldrechtlichen und dem dinglichen Rechtsgeschäft differenziert wird. Das Unterlassen von Rechtsgeschäften oder Maßnahmen scheidet nach § 111a Abs. 1 Satz 3 AktG dagegen als ein Geschäft aus.

Bei nahestehenden Personen handelt es sich im Einklang mit der Definition nach IAS 24.9 um „(...) a person or entity that is related to the entity that is preparing its financial statements“. Aufgrund der Anknüpfung an die internationalen Rechnungslegungsstandards kann es folglich bei der Definition zu Abweichungen gegenüber der Beurteilung nach den entwickelten Grundsätzen und Rechtsprechungen zu §§ 15 ff. AktG kommen, so dass sich im Umkehrschluss eine Auslegung nach diesen Vorschriften verbietet. Bei der Frage, ob die Person oder das Unternehmen ein nahestehendes Verhältnis zu dem betreffenden Unternehmen hat, ist primär auf die wirtschaftliche und nicht auf die formalrechtliche Gestaltung abzustellen. Durch diese Betrachtungsweise müssen die Voraussetzungen des Nahestehens nicht schon beim Abschluss des Geschäfts vorliegen. Vielmehr kommt in einem Zeitraum von bis zu sechs Monaten auch eine Vor- bzw. Nachwirkung von möglichen Beeinflussungsfaktoren auf das Geschäft in Betracht.

Das Näheverhältnis kann insbesondere durch gesellschaftsrechtliche Verbindungen wie bspw. ein Beherrschungsverhältnis, eine gemeinschaftliche Führung oder einen maßgeblichen Einfluss begründet werden. Durch die widerlegbare Vermutung eines maßgeblichen Einflusses nach IAS 28.5 wird ab einer Beteiligungsquote von mindestens 20 % stets von einem Nahestehen ausgegangen. Widerlegt werden kann diese Vermutung etwa durch fehlende Durchgriffsrechte auf die Finanz- und Geschäftspolitik der Gesellschaft (IAS 28.9). Unbeachtlich für das Vorhandensein eines maßgeblichen Einflusses ist, ob dieser auch tatsächlich ausgeübt wird (IAS 28.8). Zu den nahestehenden Personen zählen auch nahe Familienangehörige wie die Ehegatten oder Lebenspartner sowie die Kinder der Personen oder ihrer Ehegatten oder Lebenspartner. Darüber hinaus kommen auch abhängige Angehörige wie bspw. unterhaltsberechtigte oder haushaltszugehörige Verwandte in Betracht.

§ 111a Abs. 3 AktG enthält eine nicht abschließende Aufstellung von Vorgängen, die nicht die Definition als Geschäfte mit nahestehenden Personen erfüllen. Um in den nachfolgenden sowie in den weiteren Anwendungsfällen des §§ 111a bis 111c AktG auf ein einheitliches Begriffsverständnis für Tochterunternehmen zurückgreifen zu können, wird auf die Definition des IFRS 10 verwiesen. In einzelnen Fällen wurde eine Erleichterungsvorschrift für Geschäfte geschaffen, bei denen ein besonderer Schutz der Minderheit aufgrund der konkreten Umstände nicht erforderlich oder bereits auf andere Weise sichergestellt ist, sowie für Geschäfte, die einem übergeordneten Ziel dienen. Der Gesetzgeber hat bezüglich der nachstehenden Aufstellung von Geschäften, die nicht die Definition eines Geschäfts mit einer nahestehenden Person erfüllen, umfassend von den Ausnahmenoptionen in der zu Grunde liegenden Richtlinie Gebrauch gemacht, um eine größtmögliche Entlastung für Unternehmen zu bewirken: