Der Aktionsplan der Bundesregierung zum Wirecard-Skandal
Am haben Bundesfinanzminister Scholz und Bundesjustizministerin Lambrecht den lang erwarteten Aktionsplan „zur Bekämpfung von Bilanzbetrug und zur Stärkung der Kontrolle über Kapital- und Finanzmärkte“ vorgestellt. Die vorgesehenen Reformmaßnahmen decken einen breiten Strauß an Corporate Governance-Regulierungen ab, wobei neben dem Enforcement primär der Berufsstand der Wirtschaftsprüfer in den Mittelpunkt rückt. So soll am bisherigen zweistufigen System der Bilanzkontrolle aus DPR und BaFin festgehalten werden (vgl. Philipps, ). Allerdings sollen Anlass- und Verdachtsprüfungen künftig lediglich durch die BaFin durchgeführt werden. Zudem soll die BaFin erweiterte Auskunftsrechte gegenüber der DPR erhalten, welche künftig weiterhin für Stichproben- bzw. Routineprüfungen zuständig ist. Wenig überraschend ist, dass Scholz und Lambrecht analog zu früheren Pressemitteilungen wesentliche Regulierungen im Bereich der externen Abschlussprüfung planen. So sollen alle Public Interest Entities (PIEs) und nicht nur wie bislang Banken nach spätestens zehn Jahren ihre Prüfungsgesellschaft wechseln müssen. Eine gleichzeitige Wahrnehmung von Prüfungs- und Beratungstätigkeiten beim Mandanten soll bei PIEs ebenfalls entfallen. Bislang sind in begrenztem Umfang auch parallele Steuerberatungs- und Bewertungsdienstleistungen möglich. Die beiden letztgenannten Reformvorschläge sind nicht neu und wurden kontrovers im Rahmen der damaligen EU-Prüferreform 2014 diskutiert. Der sicherlich gravierendste Reformvorschlag betrifft die Ausweitung der zivilrechtlichen Haftung des Abschlussprüfers. Neben einer vorgesehenen unbeschränkten Haftung bereits bei grober Fahrlässigkeit soll die bisherige Haftungsobergrenze nach § 323 Abs. 2 Satz 2 HGB bei börsennotierten Aktiengesellschaften bei leicht fahrlässigem Handeln des Abschlussprüfers von derzeit 4 auf 20 Mio. € erhöht werden. Wenngleich fraglich ist, ob diese Maßnahmen wirklich zu einer Erhöhung der Prüfungsqualität beitragen werden, lässt sich mit Sicherheit ein Anstieg der Anbieterkonzentration bei PIE-Prüfungen prognostizieren.
Interessanterweise adressiert der Aktionsplan auch die Tätigkeit von Vorständen und Aufsichtsräten, wenngleich in sehr bescheidenem Rahmen. Bislang sind Vorstände in Aktiengesellschaften gem. § 91 Abs. 2 AktG lediglich verpflichtet, ein Risikofrüherkennungs- und Überwachungssystem für bestandsgefährdende Risiken zu implementieren. Künftig sollen sämtliche börsennotierte Unternehmen über ein „angemessenes und wirksames internes Kontrollsystem und entsprechendes Risikomanagementsystem“ verfügen. Es bleibt spannend, wie die Bundesregierung diese Begriffe mit Leben füllen wird. Im Gegensatz zu § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG, der für Aktiengesellschaften ein Wahlrecht zur Einrichtung eines Prüfungsausschusses vorsieht, sollen künftig alle PIEs zu einer entsprechenden Implementierung verpflichtet werden. Da die Einrichtung von Prüfungsausschüssen seit 2002 eine Empfehlung des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) als „Best Practice“ bei PIEs darstellt, wirkt diese Regulierungsmaßnahme eher deklaratorisch.
Fazit: Es ist positiv zu würdigen, dass die Bundesregierung nicht nur das Enforcement und den Abschlussprüfer, sondern auch Vorstände und Aufsichtsräte in den Fokus ihrer Reformbemühungen nach dem Wirecard-Skandal rückt. Die Regulierungen beim Abschlussprüfer erscheinen allerdings insgesamt unverhältnismäßig. Bei einer derartigen Überregulierung dürften PIE-Prüfungen für mittelständische Prüfungsgesellschaften künftig nicht mehr attraktiv sein.
Patrick Velte
Fundstelle(n):
StuB 20/2020 Seite 1
NWB EAAAH-60636