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Rechte und Pflichten eines fakultativen GmbH-Aufsichtsrats
Krisenfeste Organisation des zusätzlichen Gesellschaftsorgans
[i]Singer, Implementierung eines GmbH-Aufsichtsrats qua Satzungsvorbehalt, NWB 10/2016 S. 709 NWB MAAAF-67446 Während in der Aktiengesellschaft der Aufsichtsrat ein zwingendes Organ der Gesellschaft ist, kommt bei der GmbH, abgesehen von den Fällen des § 52 Abs. 2 GmbHG, die Bestellung eines Aufsichtsrats nur fakultativ in Betracht. Insbesondere in kommunal beherrschten Unternehmen ist häufig ein Aufsichtsrat bestellt, aber auch rein privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen bedienen sich eines solchen „Seriositäts-Organs“. Mit dem folgenden Beitrag soll ein Überblick über die Rechte und Pflichten eines solchen Aufsichtsrats vermittelt werden, dessen Mitglieder häufig „keine Profis“ im Vergleich zu großen Aktiengesellschaften sind. Aus aktuellem Anlass wird auch auf Fragen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie eingegangen.
Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .
I. Anwendung aktienrechtlicher Vorschriften
Als [i]Gehrmann, GmbH-Gesellschafterversammlung, infoCenter NWB CAAAB-05663 Gründe für einen fakultativen Aufsichtsrat kommen insbesondere infrage:
Entlastung der Gesellschafterversammlung von Überwachungspflichten,
mehr Transparenz gegenüber Dritten (Vertrauensbasis).
§ 52 Abs. 1 GmbHG bestimmt, dass ein fakultativer Aufsichtsrat durch Gesellschaftsvertrag zu bestellen ist. Ist im Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt, gelten die Verweise in § 52 Abs. 1 GmbHG auf das Aktienrecht entsprechend.
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Vorschrift | Inhalt |
§ 90 Abs. 3, 4, 5 Sätze 1 und 2 AktG | Berichte an den Aufsichtsrat |
Zahl der Aufsichtsratsmitglieder | |
§ 100 Abs. 1 und 2 Nr. 2, Abs. 5 AktG | Persönliche Voraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder |
Bestellung der AufsichtsratsmitgliederS. 531 | |
§ 103 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AktG | Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder |
§§ 105, 107 Abs. 3 Sätze 2 und 3, Abs. 4 AktG | Unvereinbarkeit der Zugehörigkeit zum Vorstand und zum Aufsichtsrat, innere Ordnung des Aufsichtsrats |
§§ 110 bis 114, § 116 i. V. mit § 93 Abs. 1 und 2 Sätze 1 und 2 AktG | Einberufung des Aufsichtsrats, Aufgaben und Rechte des Aufsichtsrats, Geschäfte mit nahe stehenden Personen, Vertretung der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern, Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder, Verträge mit Aufsichtsratsmitgliedern, Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder |
Bekanntmachung von Ergänzungsverlangen, Vorschläge zur Beschlussfassung | |
Vorlage an den Aufsichtsrat, Prüfung durch den Aufsichtsrat, Berichte der Aufsichtsratsmitglieder, Verschwiegenheitspflicht |
Häufig [i]Gehrmann, GmbH-Gesellschaftsvertrag, infoCenter NWB OAAAB-76470 werden in der Praxis allerdings abweichende Regelungen im Gesellschaftsvertrag beschlossen. Ebenso häufig gibt es auch eine Geschäftsordnung als Innenverfassung für den Aufsichtsrat.
II. Überwachungspflichten
1. Berichtspflicht durch die Geschäftsführung
[i]Kontrolle der GeschäftsführungOriginäre Aufgabe des Aufsichtsrats ist gem. § 52 Abs. 1 GmbHG, § 111 Abs. 1 AktG die Überwachung (Kontrolle) der Geschäftsführung. Überwachung erfordert Zugang zu angemessenen Informationen. Die Information des Aufsichtsrats ist zwar Aufgabe der Geschäftsführung, der Aufsichtsrat hat jedoch seinerseits sicherzustellen, dass er angemessen informiert wird. Die Überwachung bezieht sich nicht nur auf die retrospektive Beurteilung der Tätigkeit der Geschäftsleitung, sondern manifestiert sich auch in der Beratung des Vorstands über die künftige Geschäftspolitik.
Die Überwachung ist zwar primär Aufgabe der Gesellschafterversammlung (§ 46 Nr. 6 GmbHG), mit der Einrichtung eines fakultativen Aufsichtsrats delegieren die Gesellschafter die Überwachung hingegen auf den Aufsichtsrat. Eine Beschränkung der Überwachungsfunktion über § 52 Abs. 1 GmbHG („... soweit im Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt ist...“) wird von der herrschenden Meinung abgelehnt.
Zu [i]Holschuld zur Berichterstattung diesem Zweck kann der Aufsichtsrat als Ganzes gem. § 52 Abs. 1 GmbHG, § 90 Abs. 3 Satz 1 AktG Berichte von der Geschäftsleitung verlangen („Berichtspflicht“). Dieses Recht steht gem. § 52 Abs. 1 GmbHG, § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG zwar auch jedem einzelnen Mitglied des Aufsichtsrats zu, jedoch nicht an sich selbst, sondern nur „an den Aufsichtsrat“. Eine „automatische“ bzw. „regelmäßige“ Berichterstattungspflicht der Geschäftsführung ergibt sich aus § 52 Abs. 1 GmbHG nicht, da die Vorschrift nicht auf § 90 Abs. 1 und 2 AktG verweist. Allerdings „entlastet“ der fehlende Verweis auf § 90 Abs. 1 und 2 AktG den GmbH-Aufsichtsrat nicht, er muss deshalb entsprechende Berichte von der Geschäftsführung verlangen. Der Aufsichtsrat hat somit eine „Holschuld“. S. 532
2. Einsichts- und Prüfrechte
[i]Umfangreiche PrüfrechteDaneben werden dem Aufsichtsrat gem. § 52 Abs. 1 GmbHG, § 111 Abs. 2 AktG weit reichende Einsichts- und Prüfrechte zuerkannt. Er kann insbesondere die Bücher und Schriften der Gesellschaft einsehen und prüfen. Er kann damit aber auch einzelne Mitglieder des Aufsichtsrats beauftragen. Zur Prüfung bestimmter Sachverhalte kann er ferner Sachverständige hinzuziehen. Dies billigt dem Aufsichtsrat umfangreiche Prüfrechte in eigener Initiative zu, wobei die Grenzen und der Umfang im Einzelnen strittig sind.