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NWB Nr. 10 vom Seite 699

Das Aufsichtsratsmitglied im Umsatzsteuerrecht

BFH folgt dem EuGH und ändert seine jahrzehntelange Rechtsprechung

Karl R. Bihler

[i]EuGH, Urteil v. 13.6.2019 - Rs. C-420/18 „IO“, NWB NAAAH-21234 In Deutschland schien die umsatzsteuerliche Behandlung von Aufsichtsratsmitgliedern eindeutig zu sein. Seit Jahrzehnten war höchstrichterlich entschieden, dass ein Aufsichtsratsmitglied durch die Erbringung von Kontrollleistungen gegenüber dem zu überwachenden Unternehmen als Unternehmer gem. § 2 Abs. 1 UStG zu behandeln ist. Begründet wurde die dafür erforderliche Selbständigkeit maßgeblich mit der mangelnden Weisungsabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds sowie mit dem Argument, dass das einzelne Aufsichtsratsmitglied nicht Teil des Unternehmens sei. Durch das „IO“ (NWB NAAAH-21234) ist die Debatte über die Unternehmereigenschaft des Aufsichtsratsmitglieds im Umsatzsteuerrecht jedoch wieder neu entfacht worden. Mit seiner Entscheidung hat der EuGH die Unternehmereigenschaft eines Aufsichtsratsmitglieds einer niederländischen Stiftung verneint. [i]BFH, Urteil v. 27.11.2019 - V R 23/19, NWB XAAAH-41573 Im Anschluss daran hat der BFH unter Aufgabe seiner jahrzehntelangen Rechtsprechung mit Urteil v.  - V R 23/19 (altes Az.: V R 62/17, NWB XAAAH-41573) entschieden, dass ein Aufsichtsratsmitglied dann kein Unternehmer ist, wenn dieses aufgrund einer nicht variablen Festvergütung kein Vergütungsrisiko trägt. Somit hat der BFH seine Ansicht in Bezug auf die Unternehmereigenschaft eines Aufsichtsratsmitglieds in dem entschiedenen Einzelfall (Festvergütung) geändert.

Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .

S. 700

I. Allgemeines zum Unternehmerbegriff

1. Unternehmereigenschaft im Umsatzsteuerrecht

[i]Selbständige TätigkeitUnternehmer gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Dagegen wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG eine Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, soweit eine natürliche Person so in ein Unternehmen eingegliedert ist, dass diese den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet ist. Nach BFH-Rechtsprechung liegt eine selbständige Tätigkeit nur dann vor, wenn sie auf eigene Rechnung und auf eigene Verantwortung ausgeübt wird (, BStBl 2005 II S. 730). Diese Definition hat die Finanzverwaltung übernommen (Abschnitt 2.2 Abs. 1 Satz 1 UStAE). Ob darüber hinaus Selbständigkeit oder Unselbständigkeit anzunehmen ist, richtet sich grundsätzlich nach dem Innenverhältnis zum Auftraggeber (Abschnitt 2.2 Abs. 1 Satz 2 UStAE).

2. Abstrakte Unternehmerfähigkeit

[i]Rechts- oder Unternehmensform unmaßgeblichDa § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG keine Spezifizierung enthält, wird der Kreis möglicher Umsatzsteuersubjekte – anders als etwa im Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuerrecht – nicht an der Rechts- bzw. Unternehmensform abgeleitet (Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl., § 17 Rz. 35). Vielmehr kann Unternehmer grundsätzlich jedes rechtliche Gebilde sein, das zur selbständigen Erbringung steuerbarer Leistungen befähigt ist ( „Gmina Wroclaw“, NWB LAAAF-08201). Stellt sich die Frage der Selbständigkeit einer natürlichen Person – wie vorliegend bei einem Aufsichtsratsmitglied –, so ist gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG problematisch, inwieweit die Person in ein Unternehmen eingegliedert ist, sodass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet ist (Müller in BeckOK UStG, 23. Ed. , § 2 Rz. 132).

3. Kleinunternehmerregelung

Im Nachfolgenden wird unterstellt, dass das Aufsichtsratsmitglied nicht der Kleinunternehmerregelung gem. § 19 UStG unterliegt. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es in den Niederlanden keine Kleinunternehmerregelung gibt und somit das dem BFH-Urteil zugrunde liegende EuGH-Urteil nicht auf diesen Aspekt eingehen konnte.

II. Bisherige Rechtslage in Deutschland

Die Rechtslage vor der Entscheidung des (altes Az.: V R 62/17, NWB XAAAH-41573) gestaltete sich wie folgt: