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Grundlagen - Stand: 16.10.2023

Rechnungseingangskontrolle und Rechnungsberichtigung

Matthias Burbaum

A. Einführung und Hintergrund

1Der Vorsteuerabzug soll die Umsatzsteuer für den Unternehmer grundsätzlich belastungsneutral halten. Falls dieser aufgrund einer nicht ordnungsgemäßen Rechnung nicht ausgeübt werden kann, entzieht dies dem leistungsempfangenden Unternehmen Liquidität. Umgekehrt kann die unberechtigte Inanspruchnahme auf Seiten der Verantwortlichen empfindliche, steuerstrafrechtliche und ordnungswidrigkeitsrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Hierbei bezweckt die Rechnungseingangskontrolle, dass der Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen gewährleistet ist und gleichzeitig eine Enthaftungswirkung für die Unternehmensvertreter entfaltet, da nicht unrechtmäßig zu hohe Vorsteuerbeträge angemeldet werden. Da der Vorsteuerabzug als Begünstigung des Leistungsempfängers verstanden wird – obwohl dieser nur die Neutralität der Umsatzsteuer für den Unternehmer sicherstellen soll – trägt dieser auch die Nachweislast für das Vorliegen der materiell-rechtlichen als auch der formellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs. Die Möglichkeit der Rechnungsberichtigung für den Leistenden dient bei selbst erbrachten Leistungen der positiven Außenwahrnehmung durch Kunden und auf der Eingangsseite (bei der Erstellung von Gutschriften) ebenfalls der Sicherung des Vorsteuerabzugs. Einen Schutz vor einer Steuerschuld für einen unberechtigten Umsatzsteuerausweis gem. § 14c UStG vermag diese jedoch immer noch nicht zu leisten (vgl. hierzu Rz. 81).

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B. Rechnungseingangskontrolle

I. Umsatzsteuerliche Anforderungen an die Rechnungseingangskontrolle

5Eine sorgfältige Rechnungseingangskontrolle ist in Fällen entscheidend, in denen der Leistungsempfänger seinen Vorsteuerabzug auf § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG stützt, also Lieferungen und sonstige Leistungen von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen bezogen hat. In diesen Fällen ist eine gem. §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung Voraussetzung für den Vorsteuerabzug.

6In den weiteren Fällen der § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis Nr. 5 UStG knüpft das Recht auf Vorsteuerabzug hingegen an andere Tatbestandsmerkmale an: Beim Vorsteuerabzug aus einer entstandenen Einfuhrumsatzsteuer gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG ist nach Auffassung der Finanzverwaltung Voraussetzung, dass durch zollamtlichen Beleg nachgewiesen wird, dass Einfuhrumsatzsteuer tatsächlich entstanden ist. Eine derartige Vorgabe findet sich im UStG selbst hingegen nicht. Im Falle eines innergemeinschaftlichen Erwerbs gem. § 1a UStG ist bspw. Voraussetzung, dass der innergemeinschaftliche Erwerb, d.h. die grenzüberschreitende Beförderung der Ware, tatsächlich geschehen ist (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG). Der Erhalt einer ordnungsmäßigen Rechnung ist zumindest für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 4 UStG keine Voraussetzung. Gleiches gilt für die weiteren Formen des Vorsteuerabzugs nach den § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG (in Fällen des Reverse-Charge gem. § 13b UStG) und Nr. 5 UStG (für Umsätze gem. § 13a Abs. 1 Nr. 6 UStG).

7Auch nach der jüngst im Zuge der EuGH-Entscheidung in der Rs. „Senatex“ zugelassenen Möglichkeit einer rückwirkenden Rechnungsberichtigung bleibt eine sorgfältige Rechnungseingangskontrolle weiterhin Pflicht. Dies gilt auch deshalb, da bspw. ein „nachträglicher“ Vorsteuerabzug, z.B. erst im folgenden Voranmeldungszeitraum, nicht möglich ist. Dies unterstreicht die Wichtigkeit, Eingangsrechnungen zeitnah auf Ordnungsmäßigkeit zu kontrollieren und entsprechend Vorsteuern anzumelden.

8Nach Auffassung des BFH ist das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Rechnung nach nationalem Recht eine materiell-rechtliche und nicht nur formelle Voraussetzung zur Geltendmachung des Vorsteuerabzugs. Gemeinschaftsrechtlich verhält es sich genau entgegengesetzt: Art. 168 MwStSystRL führt unter seinen materiell-rechtlichen Voraussetzungen nämlich nicht das Erfordernis einer Rechnung auf. Erst die formellen Voraussetzungen des Art. 178 MwStSystRL verlangen ein Rechnungsdokument. Die Frage, ob ein Rechnungsdokument nun eine materiell-rechtliche oder „nur“ formelle Voraussetzung für den Vorsteuerabzug darstellt, kann oft dahinstehen, denn in jedem Fall fungiert die Rechnung als „Eintrittskarte“ zum Vorsteuerabzug. Im stellt die Finanzverwaltung klar, dass die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug neben dem Vorliegen der materiellen Voraussetzungen auch weiterhin den Besitz einer Rechnung voraussetzt. Insbesondere könne die Berechtigung zum Vorsteuerabzug nicht durch bloßen Zeugenbeweis nachgewiesen werden oder eine Rechnung als formelle Anforderung für den Vorsteuerabzug komplett entfallen. Nach Auffassung des BMF sei der Besitz einer Rechnung, die eine Steuerbelastung offen ausweist, nicht lediglich eine formelle Voraussetzung. Sie sei zugleich materielle Voraussetzung, da die Angabe der Steuerbelastung essenziell für den Gleichlauf der Steuerbelastung des Leistenden mit dem Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers sei. Ein Vorsteuerabzug gänzlich ohne Rechnung sei nicht möglich. Seit dem existiert ein durch das JStG 2020 neu eingefügter § 14 Abs. 4 Satz 4 UStG. Weil der Absatz bisher ausschließlich die Pflichtangaben einer Rechnung beinhaltete, verwundert die Regelung an dieser Stelle. Systematisch hätte dies eher in § 175 AO geregelt werden können. Die Berichtigung einer Rechnung wäre auch ohne Gesetzesänderung kein rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO gewesen, da sie im Hinblick auf die Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug keine steuerliche Wirkung für die Vergangenheit entfaltet. Damit bestehen zumindest verfahrensrechtliche Grenzen, etwa neben zivilrechtlichen, zur Rechnungsberichtigung mit Rückwirkung, die grundsätzlich mittels Rechnungsergänzung oder Stornierung möglich ist. Hier muss also sehr fein unterschieden werden zwischen einer Rechnung als rückwirkendes Ereignis i. S. der AO und der rückwirkenden Rechnungsberichtigung, wenn die Rechnung als solche berichtigungsfähig ist. Denn es handelt sich bei der Ordnungsgemäßheit der Rechnung um eine formelle Voraussetzung, die eine vorläufige Ausübung des Vorsteuerabzugs nicht ausschließt. Es spricht also viel dafür, bei der Rechnungsberichtigung nicht von einem rückwirkenden Ereignis auszugehen, so dass eigentlich kein Bedarf bestand, diese Rechtsmeinung in Gesetzesform zu gießen. Ist eine Rechnung ausgestellt worden, aber nicht ordnungsgemäß i. S. des § 14 Abs. 4 UStG, kann diese unter bestimmten Voraussetzungen jedoch auch mit Wirkung für die Vergangenheit berichtigt werden.

Eine ordnungsgemäß zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung, der eine in hohem Maße fehlerhafte Rechnung vorausgegangen ist, kann ausnahmsweise eine Rückwirkung zukommen, wenn aufgrund einer Sonderkonstellation ansonsten der Vorsteuerabzug endgültig versagt würde und dies unsachgemäß wäre.

Entscheidend kann diese Unterscheidung aber dennoch bei der Frage werden, ob eine Rechnungsberichtigung ein rückwirkendes Ereignis i. S. des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO darstellt (s. hierzu „VIII. Verfahrensrechtliches“, Rn. 100). Allerdings hat die jüngste EuGH-Rechtsprechung in der Rs. „Vadan“ Zweifel daran gesäht, ob eine Rechnung überhaupt noch Voraussetzung für den Vorsteuerabzug sein kann. In dem Verfahren hatte der EuGH für viele überraschend festgestellt, dass ein allgemeines Rechnungserfordernis für den Vorsteuerabzug gegen die Grundsätze der Neutralität der Mehrwertsteuer verstoßen würde. Vielmehr müsse es dem Steuerpflichtigen durch „objektive Nachweise“ ermöglicht werden, nachzuweisen, dass er Leistungen von anderen Unternehmern tatsächlich bezogen hat. Unklar bleibt jedoch weiterhin, welche Nachweismöglichkeiten hierfür tauglich sein können. Zu denken wäre etwa an Lieferscheine oder Stundenzettel. Einen vollständigen Verzicht auf eine Rechnung aus der Entscheidung herauszulesen, scheint u. E. jedoch zu weitgehend, da der EuGH in seiner Entscheidung an anderer Stelle selbst auf die formellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs eingeht. Die „Exklusivität der Rechnung“ wird durch den EuGH zwar in Frage gestellt, Steuerpflichtige sollten aber aufgrund der abweichenden nationalen Rechtsprechung weiterhin auf eine formell ordnungsgemäße Rechnung Wert legen. Der Regelungszweck der Rechnung, nämlich die Missbrauchsvermeidung, wird durch die Entscheidung nicht hinfällig. Die EuGH-Entscheidung bedeutet keinesfalls einen „Freifahrtschein zum voraussetzungslosen Vorsteuerabzug“. Nur in der Abwehrberatung sollte sich auf die günstigere EuGH-Rechtsprechung unmittelbar berufen werden.

Hinsichtlich des Sonderfalls, dass der Rechnungsaussteller zum Zeitpunkt, in dem die formellen Mängel an den Eingangsrechnungen festgestellt werden, nicht mehr existiert (z.B. aufgrund Insolvenz) vgl. unten unter „VII. Tatsächliche Unmöglichkeit einer Rechnungsberichtigung durch den Leistenden“, Rn. 95.

9Nachfolgend werden die gesetzlichen Pflichtangaben für Rechnungen erläutert. Bei Erfüllung dieser Anforderungen wird nicht nur dem sog. „einfachen Rechnungsbegriff“ i. S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 UStG Genüge getan, sondern gerade auch den für den Vorsteuerabzug erforderlichen Anforderungen an den sog. „qualifizierten Rechnungsbegriff“ i. S. des § 14 Abs. 4 UStG. Zusätzlich wird jeweils angegeben, ob es sich bei dem Rechnungsmerkmal um eine der fünf Mindestangaben handelt, welche nach der BFH-Rechtsprechung zu den Anforderungen an eine berichtigungsfähige Rechnung zählen. (vgl. unten „C. Rechnungsberichtigung“, Rn. 55).

Keine umsatzsteuerliche, sondern eine regulatorische Vorgabe ist die Verpflichtung zur sog. E-Rechnung für Rechnungen an öffentliche Auftraggeber ab dem . Ausgenommen sind lediglich sog. Direktaufträge unter 1.000 € sowie bestimmte Bereichsausnahmen wie etwa sicherheitsrelevante Auftragsverhältnisse. Sämtliche E-Rechnungen müssen in strukturierter Form erstellt, übermittelt und empfangen werden können. Als Formate kommen sowohl die XRechnung als offizielles Format, als auch das ZUGFeRD 2.X-Format in Betracht. Nicht zulässig ist die bloße Digitalisierung einer herkömmlichen Rechnung in Form eines PDF-Dokuments.

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